Wie ist die Ausgangslage?
Weltweit werden nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) jährlich knapp 400 Millionen Tonnen Plastikmüll verursacht. In Deutschland fallen nach Informationen des Bundesumweltamts knapp sechs Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen an. Ohne entsprechende politische Maßnahmen dürfte die jährliche Kunststoffproduktion bis 2040 um 70 Prozent gegenüber 2020 steigen, schätzt die OECD.
Vor wenigen Tagen trafen sich am Rande der Weltnaturkonferenz in Kolumbien erneut zahlreiche Umweltminister, um die Verhandlungen für das Abkommen voranzutreiben, das 2025 vorliegen soll. Bundesumweltministerin Lemke erklärte, jeden Tag wachse die Vermüllung des Planeten weiter an. Zudem finde sich Mikroplastik mittlerweile in jedem menschlichen Körper, in Tieren und Pflanzen. Es verbreite sich über die Erde, das Wasser und die Luft - und sei zu einem gesundheitlichen Problem geworden. Umweltschutzorganisationen kritisieren zudem, dass die Plastikproduktion die Erderwärmung antreibt. Klassische Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt, bei der Produktion entstehen Gase.
Was sieht der aktuelle Beschlussentwurf vor - und wo gibt es noch Streitpunkte?
Um etwas gegen den Plastikmüll zu tun, haben die UNO-Mitgliedsstaaten seit 2022 bereits viermal über ein globales Abkommen verhandelt - bislang ohne Durchbruch. Beim letzten Treffen in Ottawa wurde einTextentwurf erarbeitet, in dem jedoch mehr als 3.000 Passagen als strittig markiert wurden.
Inzwischen gibt es ein Kompromisspapier der Verhandlungsführung, das im Vorfeld mit den Delegationen abgestimmt wurde und weit hinter den ursprünglichen Absichten zurückbleibt. Es enthält nur wenige rechtlich bindende Verpflichtungen. Von einer Reduktion der Menge neu produzierten Kunststoffs ist keine Rede mehr. Stattdessen wird auf ein "nachhaltiges Management" der Plastikproduktion und eine "effizientere Abfallwirtschaft" gepocht. Viele Staaten, darunter Saudi-Arabien und China, hatten sich gegen strikte Vorgaben zur Begrenzung der Plastikproduktion ausgesprochen und vor allem ein effizienteres Abfallmanagement gefordert. Einen ähnlichen Weg dürfte auch die künftige US-Regierung unter Donald Trump einschlagen. Die EU hingegen ist für eine Reduktion.
Strittig ist zudem, wie weit ein Plastikabkommen in die Produktionsprozesse der Industrie eingreifen soll. Eine Reihe von UNO-Staaten fordert Vorgaben zum Produktionsdesign. Sie argumentieren, dass zahlreiche Plastikprodukte schlecht recycelt werden können, weil sie aus zu vielen verschiedenen Bestandteilen bestehen, die sich nicht sauber trennen lassen.
Ein umfassendes Verbot von giftigen Chemikalien im Herstellungsprozess von Plastik scheint vom Tisch. Im neuen Beschlussentwurf wird vorgeschlagen, nur noch eine kleine Gruppe kritischer Inhaltsstoffe zu regulieren. Zieldaten werden nicht genannt.
Welche Erfolgschancen werden dem Gipfel beigemessen?
Die Meeresökologin Melanie Bergmann, die als Teil der deutschen Delegation an den Verhandlungen in Busan teilnimmt, erklärte, sie rechne mit einer abgeschwächten Kompromisslösung. Insbesondere die Länder mit starken fossilen Industrien blockierten ambitionierte Vorhaben, sagte die Wissenschaftlerin des Alfred-Wegener-Instituts. Möglich sei auch, dass die Verhandlungen am Ende erneut vertagt würden und die Lösung des Problems aufgeschoben werde.
Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnte vor einem Scheitern des Gipfels. Nur sieben Tage werde in Busan beraten, doch bei den Kernproblemen (Produktion, bedenkliche Chemikalien, Finanzierung) gingen die Positionen so weit auseinander, dass die Gefahr eines schwachen, unverbindlichen Abkommens groß sei.
Doch selbst aus der Plastikindustrie gibt es mittlerweile Rufe nach einem verbindlichen Abkommen. Der Verband der Kunststofferzeuger "Plastics Europe", dessen Mitgliedsunternehmen für mehr als 90 Prozent der Kunststoffproduktion in Europa stehen, forderte im Vorfeld des Gipfels ein "ehrgeiziges Abkommen". Man sei überzeugt, dass der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft der Schlüssel sei, um das Problem der Kunststoffabfälle zu lösen.
Eine Forschungsgruppe der University of Berkeley in den USA veröffentlichte kurz vor Beginn des Gipfels eine Studie, die auch im Falle eines abgeschwächten Beschlusses in Busan hoffen lässt. Schon mit der Hälfte der ursprünglich für das UNO-Plastikabkommen vorgesehenen Maßnahmen ließe sich der falsch entsorgte Plastikmüll um 91 Prozent reduzieren. Den größten Effekt hätte die Einführung einer 40-prozentigen Recycling-Quote. Wichtig wäre auch, die Erzeugung von neuem Plastik auf den Wert von 2020 zu begrenzen. Zudem wird eine Verpackungssteuer sowie eine Investition von weltweit 50 Milliarden US-Dollar in das Abfall-Management vorgeschlagen. So ließen sich auch die Treibhausgas-Emissionen durch die Herstellung von Plastik um ein Drittel reduzieren. Die Studienautoren erklärten, sie seien mit Blick auf den UNO-Gipfel vorsichtig optimistisch. Eine solche einmalige Chance dürfe man nicht verspielen.
Bericht über die Verhandlungen über Plastikabkommen auf der COP16 (Sendung Umwelt und Verbraucher vom 30.10.24 ab 6:00 Min.)
Diese Nachricht wurde am 25.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.