Asylbewerber sollen künftig einen Teil ihrer Leistungen als Guthaben auf einer Bezahlkarte bekommen. Darauf hatten sich Bund und Länder im November geeinigt. Nun wird es konkreter: Nach Angaben des Landes Hessen soll das Vergabeverfahren bis zum Sommer abgeschlossen sein. 14 der 16 Bundesländer hätten sich auf gemeinsame Standards geeinigt. "Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen bei der Vergabe eigene Wege, wollen aber ebenfalls eine Bezahlkarte einführen", teilte der hessische Regierungschef Rhein (CDU) als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz mit.
Das Prinzip Bezahlkarte
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder und Bundeskanzler Scholz hatten sich im November grundsätzlich darauf verständigt, dass Asylbewerber einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte bekommen sollen. Geflüchtete sollen dann - wie mit einer EC-Karte - bargeldlos einkaufen können. Die einzelnen Länder können die Nutzung auch auf eine bestimmte Region begrenzen. Die Abhebung von Bargeld ist nur bis zu einem gewissen monatlichen Betrag möglich. Wie hoch dieses sogenannte Taschengeld ausfallen soll, wird derzeit noch diskutiert.
Die Bezahlkarte wird nur in Deutschland funktionieren und nicht im Ausland. Außerdem sind Überziehungen, Karte-zu-Karte-Überweisungen sowie sonstige Überweisungen im In- und Ausland ausgeschlossen. Rhein sieht darin einen wichtigen Schritt, um Anreize für illegale Migration nach Deutschland zu senken. "Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität", erklärte er.
Kommunen sollen durch Bezahlkarte entlastet werden
Auch der nordrhein-westfälische Flüchtlings- und Integrationsministerin Paul erwartet von der geplanten Einführung eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands. Die Auszahlung von Bargeld an bestimmten Stellen werde durch die Bezahlkarte wegfallen. Dies führe auch auch zu Erleichterungen für Geflüchtete, weil sie sich nicht mehr zu bestimmten Zeiten zur Geldausgabe anstellen müssten, so Paul. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützt die Pläne. Aus kommunaler Sicht seien Bezahlkarten ein sehr guter weiterer Baustein, um Migration zu begrenzen und Integration zu steuern, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Berghegger, im ARD-Fernsehen.
Erste Modellregionen gibt es bereits
In einigen Landkreisen wurden Bezahlkarten-Modelle bereits eingeführt - etwa in der vergangenen Woche im Ortenaukreis in Baden-Württemberg. In Hannover wird mit einer sogenannten "Social Card" gearbeitet, wobei die Stadt die Sozialleistungen per Überweisung monatlich auf der Karte gutschreibt. In Bayern soll es erste Pilotprojekte im Frühling geben. Im Landkreis Greiz in Thüringen meldet das Landratsamt, die Abreisen von Asylsuchenden hätten sich mit der Einführung der Bezahlkarte verstetigt. 15 Betroffene, die bisher ihre monatliche Unterstützung abholten, hätten sich einfach nicht mehr gemeldet. Landrätin Schweinsburg sagte im ZDF, dadurch trenne sich die Spreu vom Weizen.
Kritik an der Bezahlkarte
Auch wenn die Bundesländer insgesamt hinter dem Projekt stehen, gibt es dennoch Kritik an dem geplanten System. So lehnt zum Beispiel die brandenburgische Integrationsbeauftragte Lemmermeier die Pläne ab und bezeichnet sie als eine Art der Diskriminierung. Den Menschen werde nicht zugetraut, verantwortlich mit Geld umzugehen. Auch der Flüchtlingsrat Brandenburg hat die von der Landesregierung geplante Bezahlkarte kritisiert. Sie werde kein Problem lösen und eine eigenständige Lebensführung verhindern, monierte der Verein.
Viele Landkreise nutzten zudem bereits effizientere Lösungen, indem sie Asylbewerberleistungen direkt auf Bankkonten überwiesen. Die Umstellung auf ein Bezahlkartensystem sei somit nicht nur umständlich, sondern auch kostspielig. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Alabali-Radovan, warnte mit Blick auf die geplante Umstellung von Bargeldzahlungen auf Bezahlkarten vor Nachteilen für Geflüchtete. Es dürfe nicht sein, dass Menschen durch Bezahlkarten in Läden als Geflüchtete identifizierbar seien, mahnte sie im Interview mit dem Tagesspiegel. Wichtig seien etwa Bezahlkarten gängiger Banken.
Effekte von Bezahlkarten für Migranten noch unerforscht
Der Chef des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Vorländer, geht nicht davon aus, dass die Zuwanderung nach Deutschland durch Bezahlkarten drastisch verringert wird. Geflüchtete hätten andere Prioritäten. Sie suchten einen Ort, an dem sie sicher seien, einer Arbeit nachgehen könnten und womöglich schon andere Menschen kennen würden, betonte Vorländer. Aus wissenschaftlicher Sicht müssten die Auswirkungen einer Bezahlkarte für Migranten noch eingehend erforscht werden, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Poutvaara vom Münchner ifo-Institut. Zwar könne die Einführung einer Bezahlkarte Deutschland weniger attraktiv als Zielland machen, allerdings gebe es bisher keine Erkenntnisse über die Effekte einer solchen Reform. Daher sei es wichtig, nun parallel zur Einführung zu erforschen, ob sie die gewünschten Auswirkungen habe.
Zudem gebe es bei Bezahlkarten ein weiteres mögliches Problem: Mit ihr könnten Asylsuchende Produkte wie Zigaretten oder teure Lebensmittel erwerben und diese dann weiterverkaufen, um über Umwege an Bargeld zu gelangen. Deshalb erwarte er von der Karte nur geringe Effekte, sagte Poutvaara. Bei reinen Sachleistungen, etwa dem Angebot von Essen in einer Unterkunft, gebe es dieses Problem nicht. Dies sei jedoch schwieriger zu organisieren.
Diese Nachricht wurde am 31.01.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.