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Wie ein starkes Klima-Paket aussehen sollte

Umweltverbände befürchten, das EU-Klimapaket könnte angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen und der uneinheitlichen Reaktion darauf von Seiten der europäischen Staaten nur noch ein Schatten seiner selbst werden. Um das zu verhindern und um aufzuzeigen, was ein schwaches Klimaschutzpaket für die deutsche Wirtschaft bedeuten könnte, hat die Allianz aus verschiedenen umweltpolitischen Organisationen heute ihre Sicht der Dinge in Berlin vorgestellt.

Von Philip Banse |
    Umweltverbände der Klima-Allianz kritisieren vor allem zwei Punkte, mit denen sich Angela Merkel zuletzt auf die Seite der Industrie geschlagen hatte. Erster Punkt: CO2-Grenzwerte für Autos. Eigentlich hatte die EU geplant: Ab 2012 sollen Neuwagen eines Herstellers im Schnitt nicht mehr als 120 Gramm CO2 je Kilometer in die Luft blasen. Vor allem deutsche Autos liegen deutlich über diesem Grenzwert. Um BMW und Daimler zu schonen müssen jetzt wohl alle Autos eines Herstellers 120 Gramm nicht 2012, sondern erst 2015 erreichen. Drei Jahre Schonfrist, die dem Klima schaden, sagt Brick Medak vom WWF:

    "Diese drei Jahre bedeuteten sehr, sehr viel. Denn in diesen drei Jahren werden Autos gebaut, die dann in den nächsten zehn, zwanzig Jahren gefahren werden und die entsprechen dann nicht den neuen Werten. Diese Grenzwerte werden nicht dazu führen, dass die Autoindustrie ihre CO2-Emissionen massiv wird senken können. So wie die Grenzwerte jetzt angelegt sind, können sie quasi weiter machen wie bisher. "

    Zweiter Kritik-Punkt: Emissionshandel. Bisher hatte die EU geplant, so genannte CO2-Zertifikate, also CO2-Verschmutzungsrechte ab 2013 komplett zu versteigern. Wer also CO2 in die Atmosphäre blasen will, hätte dafür in Euro zahlen müssen. Das, so die Idee, würde dazu führen, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird. Gegen diesen Plan ist zunächst die Industrie und dann auch die Kanzlerin Sturm gelaufen. Denn, so die Befürchtung, wenn der Ausstoß von Kohlendioxyd Geld kostet, steigen die Strompreise, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen leidet, Arbeitsplätze gehen verloren. Der Sachverständigenrat für Klimaschutz bei der Kanzlerin und das Ökoinstitut bezweifeln das. Dennoch: Angela Merkel hat in Brüssel durchgesetzt, dass große Teile des produzierenden Gewerbes in Deutschland ihre Verschmutzungsrechte wohl auch weiterhin geschenkt bekommen. Brick Medak vom WWF:

    "Es gibt eine Reihe von Industrien, die fast alle Emissionsrechte geschenkt bekommen sollen. Unter denen gibt es vier bis fünf Branchen, von denen man sagen kann: Okay, das ist berechtigt. Die könnten abwandern, da sind Arbeitsplätze gefährdet, das sehen wir ein. Aber es sind nur vier bis fünf Branchen. Es sollen aber 94 Prozent aller Branchen ausgenommen werden. Das ist viel zu viel."

    Selbst die Stromkonzerne, so deutet sich an, könnten zumindest einen Teil der Verschmutzungsrechte geschenkt bekommen. All diese Zugeständnisse schreibt die Klima-Allianz der Bundeskanzlerin zu. Die rund 100 Sozial- und Umweltverbände fordern Angela Merkel daher auf, beim EU-Gipfel Ende der Woche ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Deutschland und Europa müssten Vorbild sein, damit die Welt sich im nächsten Jahr auf ehrgeizige Klimaziele einigt, Stichwort: Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll. Die Bundeskanzlerin stelle jedoch Wirtschaftsinteressen vor den Klimaschutz, sagt Thomas Antkowiak, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Miserior:

    "Der zentrale Kritikpunkt ist, dass die Bundeskanzlerin angetreten ist als Vertreterin einer anderen Klimapolitik. Wir haben sie dabei unterstützt, wir haben uns gefreut, dass sie das propagiert hat. Sie ist jetzt aber in Gefahr einzuknicken und den wirtschaftlichen Interessen nachzugeben. Deswegen fordern wir sie auf, bei ihrer ursprünglichen Linie zu bleiben."

    Danach sieht es aber nicht aus. Finanzkrise, Rezession - die Lage habe sich grundlegend verändert, argumentiert Angela Merkel. Der "Bild-Zeitung" sagte sie, beim EU-Gipfel würden keine Beschlüsse gefasst, die in Deutschland Arbeitsplätze gefährden könnten. Dann müsse die Kanzlerin für forcierten Klimaschutz eintreten, so Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz. Denn Investitionen in den Klimaschutz seien Investitionen in Arbeitsplätze,

    "Von daher ist die Aussage der Bundeskanzlerin, dass durch den Klimaschutz Arbeitsplätze verloren gehen, absurd und absolut falsch. Denn gerade der unterlassene Klimaschutz gefährdet Arbeitsplätze, "

    sagt BUND-Chef Weiger mit Blick auf die quasi bankrotte US-Automobil-Industrie.