Vom Antrag bis zur tatsächlichen Vertrauensfrage
Den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen regelt der Artikel 68 des Grundgesetzes. Zwischen der formalen Einreichung des Antrags, dem amtierenden Kanzler oder der Kanzlerin das Vertrauen auszusprechen, und der tatsächlichen Abstimmung müssen demnach mindestens 48 Stunden liegen. Die 48-Stunden-Regel wird in diesem Fall deutlich eingehalten, denn geplant ist das Votum erst für Montag, den 16. Dezember.
Grüne wollen sich bei Abstimmung enthalten
Scholz ist nach dem Bruch der Ampel-Koalition Chef einer Minderheitsregierung von SPD und Grünen. Die beiden Parteien verfügen zusammen über 324 von 733 Mandaten im Bundestag. Es ist davon auszugehen, dass der Kanzler die absolute Mehrheit von 367 Stimmen verfehlen und die Vertrauensfrage verlieren wird.
Die Grünen wollen sich bei der Abstimmung am Montag im Bundestag enthalten. Das kündigten die Fraktionsvorsitzenden Haßelmann und Dröge an. Die Minister und Ministerinnen der Grünen sollen im Amt bleiben. "Gleichzeitig bleiben wir bis zur Wahl in der Regierungsverantwortung und werden alles tun, um in dieser Übergangszeit pragmatische Lösungen für die drängenden Herausforderungen unseres Landes einzubringen", hieß es.
Auflösung des Parlaments und mögliche Alternativen
Im Anschluss kann Scholz Bundespräsident Steinmeier die Auflösung des Parlaments vorschlagen. Steinmeier muss darüber binnen 21 Tagen entscheiden. Stimmt er zu, muss innerhalb von 60 Tagen die Neuwahl des Bundestags angesetzt werden. Als Wahltermin war im Vorfeld bereits der 23. Februar abgesprochen worden.
Alternativ könnte der Bundespräsident die Auflösung des Bundestages verweigern oder die Parlamentsmehrheit könnte jemand anderen zum Bundeskanzler wählen. Beide Varianten scheinen aber in der aktuellen Lage ausgeschlossen.
Sollte die Vertrauensfrage zur Parlamentsauflösung dienen?
Über diese Frage wird immer wieder diskutiert. Denn eigentlich sollte die Vertrauensfrage - wie der Name schon sagt - dem amtierenden Kanzler oder der Kanzlerin den Rücken stärken. Das Grundgesetz sieht aber kein Selbstauflösungsrecht des Bundestages vor. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Organstreitverfahren entschieden, dass eine "auflösungsgerichtete" Vertrauensfrage zulässig ist, wenn sie dazu dient, eine ausreichend parlamentarisch verankerte Bundesregierung wiederherzustellen. Dies kann demnach der Fall sein, wenn der aktuelle Kanzler über keine ausreichende Mehrheit mehr im Bundestag verfügt und die Regierung damit nicht mehr wirklich handlungsfähig ist - so wie in der aktuellen Situation.
Wie viele Vertrauensfragen gab es bereits?
In der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Vertrauensfrage bisher fünf Mal gestellt: von Willy Brandt (SPD, 1972), Helmut Schmidt (SPD, 1982), kurz darauf auch von Helmut Kohl (CDU, 1982) und zweimal von Gerhard Schröder (SPD, 2001 und 2005). Brandt, Kohl und Schröder (2005) führten damit absichtlich Neuwahlen herbei.
Hörtipp
Diese Nachricht wurde am 11.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.