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European Space Conference
Wie es um Europas unabhängigen Zugang zum Weltall steht

Europa hat ein Raketenproblem. Für Ariane 6 ist immer noch kein konkreter Starttermin in Sicht, Fehler und Abhängigkeiten von russischen Raketen sorgen für Schwierigkeiten. Zudem endete der zweite Flug der neuen Vega C Rakete in einer Katastrophe.

von Karl Urban |
Liftoff! Die Vega-C-Rakete hebt von der Startrampe ab
Die Vega C Rakete startet auf ihren ersten Flug. Der zweite endet in einer Katastrophe. (ESA/S. Corvaja)
Am 21. Dezember hebt die Vega C vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Südamerika ab. Es ist gerade der zweite Flug dieser neuen Rakete. Zwei Minuten und 24 Sekunden ist noch alles normal, die Steuerung verläuft ruhig.

Aber dann lässt der Druck im Triebwerk nach, die Rakete steigt nicht mehr, sondern beginnt zu sinken und muss wenige Minuten später notgesprengt werden. Die zwei Erdbeobachtungssatelliten an Bord werden zerstört.

Hoffnungen auf Vega C und der russische Angriffskrieg

Europa besitzt nun außer der betagten Ariane 5, die nur noch zweimal starten soll, keine eigene flugfähige Rakete mehr. "2022 - ich kann nicht sagen, dass es ein schlechtes Jahr war, weil es gut begonnen hat", sagt Stefano Bianchi, der bei der ESA für die Flugprogramme zuständig ist. Zwar war die neue Ariane 6 schon damals hoffnungslos verzögert, aber die russische Sojus-Rakete schien den Engpass damals teilweise überbrücken zu können.

Jetzt, ein knappes Jahr, nachdem Russland den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, ist die Lage deutlich kritischer, sagt der Generaldirektor der ESA, Josef Aschbacher: "Derzeit ist es natürlich kritisch, dass wir demnächst keinen eigenen Zugang zum Weltraum haben werden, nachdem die Ariane 5 den letzten Flug gemacht haben wird. Das wird im Juni sein. Die Frage ist natürlich: Wann kommt Vega C wieder zurück zum Start?"

Dazu kommt: Russische Raketen starten wegen gegenseitiger Sanktionen nicht mehr aus Kourou und die Ariane 6 ist noch immer nicht startbereit. Der Absturz der Vega C macht nun weitere Sorgen: Weil es in den letzten vier Jahren bereits der dritte Fehlstart einer Vega-Rakete ist, sind auch organisatorische Fehler bei der Herstellung nicht ausgeschlossen.

Vega-C-Erststufe hatte kein Problem

Daniel Neuenschwander, Direktor für Weltraumtransport bei der ESA, sieht aber auch eine positive Seite. Die erste Stufe der Vega C namens P120 habe tadellos funktioniert und diese Raketenstufe werde auch in der Ariane 6 zum Einsatz kommen. Deren Auftragsbücher sind schon gut gefüllt.
Aber es stehen noch letzte Tests aus, die noch mehrere Monaten dauern werden. Dabei werden die neuen Triebwerke am Boden mit wachsender Laufzeit gezündet. Nur wenn dabei keine Überraschungen auftreten, kann die Ariane 6 noch vor Jahresende abheben. Vor allem aber, das betont auch Stefano Bianchi, muss dieser Start ein Erfolg werden: "Es ist kritisch. Aber wir tun alles, um dieses Ziel zu erreichen."

Hoffnung auf neue Kleinraketen aus Europa

Mittelfristig könnten auch kleinere kommerzielle Raketen zur Hilfe kommen, die derzeit von mehreren Unternehmen in Europa entwickelt werden und die allesamt noch dieses Jahr ihren Erststart versuchen wollen. Deren Nutzlast liegt zwar nur bei gut einer Tonne oder darunter, zumindest ein kleinerer Teil der geplanten ESA-Satelliten könnte damit aber in den Orbit gelangen.
Josef Aschbacher möchte diese Entwicklung jetzt beschleunigen: "Da will ich ein Rennen aufmachen, um diese Micro Launchers wirklich zu unterstützen und auch zu animieren, relativ schnell und natürlich sicher auf die Startrampe zu kommen. Mein Plan ist, diese Verträge vor dem Erststart abzuschließen, um ihnen auch die Sicherheit zu geben, dass wir als Kunde da sind, wenn die Raketen dann bereit sind, zu starten."

Krise als Chance

Die meisten Satelliten aber, zur Erdbeobachtung, zur Navigation oder zur kosmischen Forschung, sind zu schwer und können deshalb in Europa vorerst nur von der Ariane oder zum Teil von der Vega C geschultert werden. Stefano Bianchi sieht deren Krise aber auch als Chance. Denn schon vor 20 Jahren war die europäische Raketenflotte nach einem Fehlstart der damals noch neuen Ariane 5 in einer misslichen Lage, aus der Europa sich am Ende befreien konnte.
"Nach dem Fehlstart gab es 83 erfolgreiche Flüge der Ariane 5 in Folge. Wie wir das geschafft haben? Mit gemeinsamer harter Arbeit."