Teichrohrsänger sind erstaunliche Vögel: Obwohl sie noch nicht einmal so lang sind wie eine Hand und weniger wiegen als ein Teelöffel, ziehen sie im Spätsommer und Herbst aus ihren Brutgebieten in Europa über 6.000 Kilometer hinweg in ihre Winterquartiere südlich der Sahara:
„Im Frühjahr darauf ziehen sie wieder – und sie kehren fast an denselben Ort zurück, den sie im Vorjahr verlassen haben.“ Joe Wynn vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven untersucht, wie die kleinen Vögel dies schaffen, zusammen mit Kollegen von der University of Oxford.
Teichrohrsänger perfekt für Studie
Die Teichrohrsänger hat das Team aus vor allem einem Grund ausgewählt: „Sie sind für unsere Studien perfekt, weil sie sehr oft beringt werden. Wird ein Vogel später wieder eingefangen, kann man ihn identifizieren und alle möglichen coolen Dinge ableiten: über ihre Demografie, ihr Alter, aber auch über ihre Wanderungen.“
Beringungsorte wie Fundorte werden für ganz Europa zentral erfasst, sodass die Daten von rund 18.000 Vögeln in die Untersuchung eingeflossen sind. Teichrohrsänger ziehen nachts. Und weil nur die wenigsten zwei Jahre alt werden, muss der Weg ins Winterquartier genetisch einprogrammiert sein.
Erstaunliche Präzision bei der Rückkehr
Doch für den Ort, an den sie zurückkehren, sieht das anders aus, sagt Joe Wynn: „Sie finden mit so erstaunlicher Präzision wieder zurück an den Ort, an dem sie geschlüpft sind, dass sie weitere Informationen gelernt haben müssen, um sie dann auf ihrem Heimweg nutzen.“
Der Verdacht: Sie nutzen das Erdmagnetfeld. Wie Vögel dieses Magnetfeld wahrnehmen, wird derzeit intensiv erforscht. Die Ornithologen verfolgen die Theorie, dass Vögel Magnetfeldlinien mithilfe spezieller Moleküle im Auge registrieren – und dass die Tiere diese Fähigkeit nutzen, um ihre Flugrichtung und auch ihren Aufenthaltsort zu bestimmen. Also analysierten die Forscher parallel zu den Beringungsdaten noch die des Erdmagnetfelds.
Neigungswinkel des Erdmagnetfeldes
„Es gibt mehrere Parameter, von denen wir glauben, dass Vögel darauf achten können. Einmal ist es die Inklination, der Winkel zwischen den Magnetfeldlinien und der Erdoberfläche. Am Äquator verlaufen sie nahezu parallel, an den Polen senkrecht. Ein anderer Faktor ist die Stärke des Erdmagnetfeldes. Und schließlich ist da noch der Winkel zwischen dem magnetischen und dem geografischen Nordpol. Wenn sich die Vögel an solche Hinweise erinnern können, dürfte ihnen das den Weg nach Hause weisen.“
Allerdings ist das Erdmagnetfeld nicht statisch, sondern verschiebt sich von Jahr zu Jahr um ein paar Kilometer. Daher untersuchten die Forscher, ob sich mit dem Magnetfeld auch der Brutplatz der Vögel verlagerte. Und tatsächlich: „Die Vögel scheinen für Inklination des Magnetfelds empfänglich zu sein, also für den Winkel zwischen den Magnetfeldlinien und der Erdoberfläche. Sie verlagerten ihren Brutplatz entsprechend," erklärt Ornithologe Joe Wynn.
Brutplatz so fast genau vorherzusagen
"Dass sie auf die beiden anderen Faktoren reagieren, darauf fanden wir vielleicht überraschenderweise keine Hinweise.“ Genauer: Als die Forscher den Winkel zwischen Feldlinien und Erdoberfläche in ihre Analysen einbezogen, konnten sie den Brutplatz mit einer statistischen Abweichung von etwas mehr als einem Kilometer vorhersagen. Bei den beiden anderen Parametern waren die Abweichungen mit 20 bis 200 Kilometern deutlich größer.
Die Teichrohrsänger scheinen die magnetische Inklination also wie ein Stoppschild einzusetzen: Sobald dieser Winkel einen bestimmten Wert erreicht, hören sie auf zu fliegen und suchen einen Nistplatz. Ein Beweis seien ihre Befunde aber nicht, betont der Forscher. Dazu brauche es noch Experimente und Analysen bei anderen Zugvögeln.