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Wie Hase und Igel

Medizin. - Schon seit Jahren warnen Experten vor Gendoping, doch die künstliche Ertüchtigung der Sportlergene wird immer mehr zu einer realen Gefahr. Ob bei den Winterspielen in Vancouver aber tatsächlich schon genetisch hochgerüstete Athleten antreten ist allerdings unklar.

Von Volkart Wildermuth | 12.02.2010
    Hochleistungsathleten per Genmanipulation: das ist längst Realität, allerdings nur in den wissenschaftlichen Mäuseställen. Mark Frankel, Gendopingexperte bei der American Association for the Advancement of Science in Washington.

    "Das ist wirklich beeindruckend, diese genetisch veränderten Mäuse bauen vier oder fünfmal so viel Muskelmasse auf wie normale Mäuse. Und was die Ausdauer betrifft: Kalifornische Forscher haben mit einem Medikament ein Ausdauergen aktiviert und die Mäuse hörten gar nicht mehr auf zu rennen. Wenn man sie nicht stoppt, laufen sie und laufen und laufen."

    Myostatin, Actin 3 oder PPAR δ heißen die Gene, die den Körper zum Teil sogar ohne jedes Training stählen. Kein Wunder, dass der Sport langsam neugierig wird. So erkundigte sich der deutsche Leichtathletiktrainer Thomas Springstein 2006 nach Repoxygen. Dieses Mittel soll zusätzliche Epo-Gene über ein Virus in den Körper schleusen. Patienten mit einer Blutarmut würden dieses blutbildende Hormon dann in größeren Mengen aber quasi auf natürlichem Weg produzieren. Mit klassischen Dopingtests ist so eine Manipulation der körpereigenen Genmaschinerie praktisch nicht zu entdecken. Die Übertragung von zusätzlichen Genen ist allerdings nicht ganz ungefährlich. Frankel:

    "Wir sind besorgt, weil das Gesundheitsrisiko viel größer ist, als bei Anabolika. Da kann viel schiefgehen. Bei einer Gentherapiestudie in Frankreich haben sie zwar die Krankheit geheilt, aber vier Kindern entwickelten Blutkrebs. Die Sicherheit ist ein großes Problem."

    Der Einstieg in das Gendoping dürfte deshalb nicht in der Übertragung zusätzlicher Gene liegen, sondern in der gezielten Manipulation der schon im Körper der Athleten vorhandenen Erbanlagen. Letztlich führen natürlich auch klassische Dopingmittel wie Anabolika zu Veränderungen in der Aktivität von Tausenden von Genen. Die moderne Forschung hat aber Wirkstoffe identifiziert, die gezielt etwa das Hauptgen für die Bildung besonders ausdauernder Muskelzellen ansprechen. Zwei dieser Substanzen befinden sich schon auf der schwarzen Liste der Welt Anti-Doping Agentur Wada. Auch ihr Einsatz ist kaum nachzuweisen, schließlich verstärken sie nur das natürliche Potenzial des Sportlers. Dieses Problem lässt sich umgehen, so Mark Frankel, indem man nicht nach dem Genaktivator selbst fahndet, sondern nach auffälligen Veränderungen im Stoffwechsel.


    "Jedes Mal, wenn Sie ein Gen beeinflussen hat das Auswirkungen auf den Energieumsatz, den Stoffwechsel und so weiter. Wir wollen molekulare Signaturen aus vielen Messwerten entwickeln, die auf genetische Manipulationen hindeuten. Das wäre kein eindeutiger Test, aber es würde Fragen aufwerfen, die man in einer genaueren Untersuchung klären könnte."

    Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist die erste Athletin, die wegen eines solch indirekten Hinweises auf Doping gesperrt wurde. Bei ihr war ein einzelner Blutwert auffällig. In Zukunft sollen in regelmäßigen Abständen neun Blutwerte bestimmt werden. Das hat die Wada im Dezember beschlossen. Zeigt der Blutpass eines Athleten auffällige Abweichungen, dann prüfen die Dopingfahnder, ob es sich um eine natürliche Genvariante eines von der Natur besonders begünstigten Sportlers handelt, um einen bloßen Trainingseffekt oder tatsächlich um eine unerlaubte Manipulation. Mark Frankel geht davon aus, dass dieser Blutpass im Lauf der Zeit weiter verfeinert werden muss, dass etwa zusätzlich Genaktivitäten bestimmt werden. Der Aufwand ist groß, aber nicht zu vermeiden, denn das Gendoping ist dabei, von einer theoretischen Möglichkeit zu einer Realität zu werden.