Barenberg: Einigen Staub hat sie aufgewirbelt, die Attacke von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf die sogenannte Rentengarantie: Der FDP-Politiker möchte gerne wieder rückgängig machen, was die Große Koalition aus SPD und CDU vor gerade einem Jahr versprochen hat: dass die Renten niemals sinken werden, auch dann nicht, wenn die Löhne sinken. Die SPD hat den Vorstoß bisher mit Häme bedacht mit Ausnahme eines der Beteiligten: Peer Steinbrück, damals Finanzminister. Er hält die Rentengarantie inzwischen für eine Fehlentscheidung.
Peer Steinbrück: Einer meiner schwersten Fehler. Ich hätte nicht mitmachen dürfen. Das war ein Tabubruch. Da hat die Politik etwas gemacht, was ich unter dem Gesichtspunkt der Generationsgerechtigkeit mit schweren Schmerzen vollzogen habe, aber ich habe letztlich mitgestimmt am Kabinetttisch. Das lief darauf hinaus, dass die 1957 glaube ich eingeführte dynamische Rente, das heißt, ihr Schwanken mit der Entwicklung der Löhne und Gehälter, aufgekündigt wurde in Form einer Rentengarantie, und das halte ich aus dem Nachhinein im Sinne einer Generationsgerechtigkeit für eine falsche Entscheidung.
Jasper Barenberg: Der SPD-Politiker Peer Steinbrück gestern Abend im ARD-Fernsehen. Und was sagen die Jüngeren bei den Sozialdemokraten? Wir fragen gleich den Juso-Vorsitzenden Sascha Vogt.
Steigen die Löhne, dann steigen auch die Renten, sinken die Löhne, dann müssen auch die Renten sinken. Zu diesem Grundsatz will Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am liebsten zurück, auch wenn die Kanzlerin abwinkt, auch wenn Gewerkschaften und Sozialverbände protestieren, auch wenn aus der Union nur eine Handvoll Politiker dem Liberalen zur Seite springt, darunter der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Und die SPD, die spricht von einer Verunsicherung der Rentner und verteidigt das Versprechen. Einzig Peer Steinbrück, wie gehört, hält die Entscheidung im Rückblick für falsch mit Blick auf die Generationengerechtigkeit. Am Telefon ist jetzt der neue Vorsitzende der Jungsozialisten. Guten Morgen, Sascha Vogt!
Sascha Vogt: Einen schönen guten Morgen!
Barenberg: Herr Vogt, die Rentengarantie – aus Ihrer Sicht auch im Rückblick ein Fehler?
Vogt: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, das war ja damals die richtige Entscheidung. Es war aber eine besondere Situation im vergangenen Jahr, als wirklich einmal massiv die Löhne sanken und es war eine wichtige Entscheidung, um Rentnerinnen und Rentnern Sicherheit zu geben, die ja aber zuvor auch schon durch verschiedene Faktoren von der Lohnentwicklung abgekoppelt wurden, und zwar im negativen Sinne.
Barenberg: Eine besondere Situation, sagen Sie – gemeint ist natürlich die Krise und ihre Folgen. In der Folge jetzt sollte also auch der Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Löhnen und den Renten aufgegeben werden als Prinzip?
Vogt: Dieser Zusammenhang besteht natürlich weiterhin. Es geht ja nur um absolute Ausnahmesituationen, dann, wenn die Löhne massiv fallen, dann gibt es eine Garantie, dass die Renten auf dem Status quo bleiben. Das ist jetzt ja kein Bruch mit dem grundsätzlichen Prinzip, sondern das ist im Prinzip ein automatischer Stabilisator. Der gibt auf der einen Seite den Rentnerinnen und Rentnern eine gewisse Sicherheit, dass sie sich auf ein gewisses Einkommen verlassen können, auf der anderen Seite halte ich das auch wirtschaftlich für sinnvoll, um die Nachfrage zu stabilisieren in solchen Krisenzeiten.
Barenberg: Eine solche Rentengarantie gibt Sicherheit den Rentnern, sagen Sie. Auf der anderen Seite ist diese Regelung ja so, dass, was in einem Jahr nicht gekürzt wurde, den Rentnern dann in den kommenden Jahren, wenn die Lage sich verbessert hat, wieder genommen wird. Ist es nicht in Wahrheit also eine Mogelpackung?
Vogt: Ich glaube, es ist keine Mogelpackung, sondern es bejaht ja im Prinzip diesen Grundsatz, dass mittelfristig die Entwicklung der Löhne mit der Entwicklung der Renten gekoppelt ist. Ich halte im Übrigen die ganze Diskussion über diese Rentengarantie für eine typische Sommerlochdiskussion, die entscheidende Frage auch in Bezug auf die Renten ist doch: Wie ist die allgemeine Lohnentwicklung? Und ich glaube, da muss Deutschland in der nächsten Zeit deutlich nachlegen.
Barenberg: Was schlagen Sie da vor?
Vogt: Ich unterstütze zum einen die Gewerkschaften darin, dass sie sagen, die Lohnzurückhaltung muss jetzt aufgegeben werden, wir brauchen deutlich höhere Tarifabschlüsse, denn gerade in der Zeit vor der Krise haben ja nicht die normalen Beschäftigten von dem damaligen Aufschwung profitiert, sondern es haben diejenigen davon profitiert, die schon über hohe Einkommen und Vermögen verfügen. Und das muss man auch politisch flankieren, indem man zum Beispiel die Regelungen zur Leiharbeit wieder rereguliert, indem man einen Mindestlohn einführt und viele weitere Sachen mehr.
Barenberg: Sie sprechen also gewissermaßen von einer Einkommensverteilung oder -umverteilung, und nicht so sehr von einer Generationenfrage. Aber bewirkt nicht die Rentengarantie – und die anderen Faktoren, die Sie angesprochen haben – letztlich eine milliardenschwere Umverteilung von jung nach alt?
Vogt: Überhaupt nicht. Ich halte es halt für eine Verteilungsfrage und eben für keine Generationenfrage. Die entscheidende Frage ist doch nicht, wie hoch ist mein Rentenbeitrag in der Zukunft, sondern die entscheidende Frage ist doch, was für ein Einkommen habe ich in der Zukunft? Wenn ich 1000 Euro verdiene und davon 20 Prozent abgebe, sind das 200 Euro. Wenn ich 10.000 Euro verdiene und davon 25 bezahle, habe ich ja unter dem Strich immer noch deutlich mehr. Deswegen halte ich das, wie gesagt, für eine Alibidiskussion. Die entscheidende Frage für die junge Generation ist doch: Wie können wir morgen arbeiten und leben, wie ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und werden heute die entscheidenden Investitionen zum Beispiel in Bildung getätigt?
Barenberg: Nun kostet diese Rentengarantie allerdings auch einiges, zehn Milliarden Euro bis 2016, so Schätzungen, das entspricht ungefähr 60 Euro bei einem Durchschnittsverdiener. Spielt das keine Rolle?
Vogt: Natürlich spielt das eine Rolle, aber auch das ist doch wieder keine Generationenfrage, sondern es ist doch auch eine Frage, wie man diese 60 Milliarden Euro aufbringt. Das kann man tun, indem man die Beiträge entsprechend anpasst, wo dann die Beschäftigten aber auch die Unternehmen zu gleichen Teilen das zahlen müssen. Man könnte das aber auch über einen höheren Steuerzuschuss finanzieren. Es gibt ja schon große Steuerzuschüsse für den Bereich der Rentenversicherung, es gibt also immer noch sogenannte versicherungsfremde Leistungen in Milliardenhöhe, sodass es auch, sage ich mal, ordnungspolitisch einen Grund geben würde, die Steuerzuschüsse noch mal zu erhöhen. Und wenn man Steuerzuschüsse erhöht, dann muss man natürlich auch schauen: Woher nimmt man das Geld? Und wir schlagen da zum Beispiel vor, dass man eine Vermögenssteuer einführen kann, dass man eine Finanztransaktionssteuer einführen kann.
Barenberg: Wenn allerdings die Beiträge angepasst werden oder wenn die Steuerzuschüsse erhöht werden, dann geht das doch auch zulasten der jetzt arbeitenden Generation?
Vogt: Das ist eine ökonomische Binsenweisheit, dass immer die arbeitende Generation die nicht arbeitende Generation finanzieren muss.
Barenberg: Und eben deswegen ist es doch eine Generationenfrage und nicht nur eine Verteilungsfrage?
Vogt: Es ist dementsprechend schon eine Verteilungsfrage, weil, es findet immer eine Umverteilung zwischen Arm und Reich statt in diesem Land und nicht zwischen Generationen. Es gibt Rentnerinnen und Rentner beziehungsweise ältere Mitmenschen, die haben über ... die verfügen über ausreichende Vermögen, die müssen sich keine Sorgen drum machen, es gibt Ärmere, die sind auf Renten angewiesen, und genauso ist es in der jungen Generation. Deswegen muss man für eine vernünftige Verteilung zwischen Arm und Reich in diesem Land sorgen.
Barenberg: Mit all den Riester-Faktoren, Nachhaltigkeitsfaktoren und der Rentengarantie stellen Sie sich dann auch darauf ein, dass Sie nur noch einen Bruchteil der Rente beziehen werden, die die jetzige Rentengeneration erhält?
Vogt: Ich bin da eigentlich verhalten optimistisch, was die Entwicklung der Rente angeht. Wenn man jetzt die richtigen Reformen angeht, wenn man schaut, wie man das System nachhaltig entwickeln kann, dann, glaube ich, kann auch die junge Generation in Zukunft noch von einer vernünftigen Rente profitieren. Ich glaube, die entscheidende Frage ist, wie gerade schon gesagt: Wie ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, das heißt, was können wir denn in der Zukunft erwirtschaften, was steht dann an Verteilungsmasse zur Verfügung gesamtwirtschaftlich? Und man muss natürlich auch ganz konkret im Bereich der Rentenpolitik zum Beispiel schauen: Wie kann man andere Einkommensarten mit in die Rente einbeziehen?
Barenberg: Ist es Zeit, das Rentensystem grundsätzlich zu hinterfragen? Sie haben es ein bisschen angedeutet – denn es muss ja eine Antwort geben auf die demografische Entwicklung, die da lautet: Immer weniger Leute zahlen ein, immer mehr erhalten aus dem System Geld.
Vogt: Man muss das System glaube ich nicht grundlegend in Frage stellen. Ich glaube, man muss an der einen oder anderen Stelle das System erweitern und anpassen. Man muss, wie gerade schon gesagt, schauen, dass die Lohnquote in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken ist, da gilt es natürlich zum einen nachzusteuern, dass die Lohnquote wieder erhöht wird. Man muss darauf dann aber auch so reagieren, dass man eben, wie gesagt, andere Einkommensarten mit einbezieht. Aber ich glaube, das kann man im jetzigen System alles mit einpflegen und ich glaube, die Umlage ist besser als ihr Ruf. Auch das hat die Krise im Übrigen gezeigt, dass kapitalgedeckte Systeme doch immer sehr risikoreiche Systeme sind.
Barenberg: Mit anderen Worten: Sie setzen auf das Prinzip Hoffnung, denn das funktioniert ja nur, wenn wir tatsächlich stabiles, dauerhaftes Wachstum haben, nur dann steigen die Löhne, nur dann können auch die Renten weiter steigen.
Vogt: Ich setze auf das Prinzip vernünftige Politik, die dafür sorgt, dass es nachhaltiges Wachstum gibt, die dafür sorgt, dass es eine entsprechende Lohnentwicklung gibt. Dafür kann man heute was tun, dafür muss man in Zukunft was tun und dafür machen auch wir Jusos uns stark.
Barenberg: Zu einem anderen heiklen Punkt, der diskutiert wird in der SPD in diesem Zusammenhang: zur Rente mit 67. Manche in der Partei wollen zurück zur früheren Altersgrenze von 65, die Diskussion ist in vollem Gange. Im Herbst wird darüber auch auf dem Parteitag diskutiert. Was ist Ihre Antwort?
Vogt: Ich glaube, der Parteitag muss deutlich zeigen, dass die Rente mit 67 ein schwerer Fehler war. Wir haben das jetzt auch noch mal in Diskussionen innerhalb der SPD festgestellt, dass das das Thema war, das uns letztlich bei der Bundestagswahl das Genick gebrochen hat, und ich glaube auch, die entscheidende Frage, die entscheidende Problematik in der derzeitigen rentenpolitischen Debatte ist doch: Wie schaffen wir es überhaupt, dass ältere Beschäftigte überhaupt länger am Erwerbsleben teilhaben können? Wenn man heute sich anschaut, die über 60-Jährigen können nur zu rund einem Fünftel überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dann haben wir da das fundamentale Problem. Das löse ich nicht, indem ich das gesetzliche Renteneintrittsalter erhöhe, sondern indem wir schauen: Wie können wir das faktische Renteneintrittsalter erhöhen? Und von daher ist meine Forderung für den Bundesparteitag ganz klar: Wir brauchen eine Abkehr von der Rente mit 67.
Barenberg: Und mit welchen Maßnahmen wollen Sie die faktische Arbeitsfähigkeit sozusagen erhöhen?
Vogt: Da gibt es eben nicht die eine, eine einfache Antwort, die man immer so gerne hört. Das muss ein Bündel von Maßnahmen sein. Ich denke da zum einen an Gesundheitspolitik in den Betrieben, das heißt, Arbeitsplätze müssen so ausgestaltet sein, dass man überhaupt länger am Erwerbsleben partizipieren kann. Dann denke ich an so etwas wie Weiterbildungsmöglichkeiten – wenn man heute mit Mitte 50 seinen Job verliert, dann ist es sehr, sehr schwer, überhaupt noch eine Weiterbildungsmöglichkeit zu finden, obwohl man ja theoretisch noch zehn oder jetzt im Moment eben zwölf Jahre am Erwerbsleben teilhaben kann. Das sind so zwei Ansatzpunkte, mit denen man schauen kann: Wie kann man ganz konkret auf den demografischen Wandel reagieren, wie können wir auch das Potenzial von älteren Beschäftigten noch besser nutzen?
Barenberg: Der Vorsitzende der Jusos heute Morgen im Deutschlandfunk, danke schön für das Gespräch, Sascha Vogt!
Vogt: Danke auch!
Peer Steinbrück: Einer meiner schwersten Fehler. Ich hätte nicht mitmachen dürfen. Das war ein Tabubruch. Da hat die Politik etwas gemacht, was ich unter dem Gesichtspunkt der Generationsgerechtigkeit mit schweren Schmerzen vollzogen habe, aber ich habe letztlich mitgestimmt am Kabinetttisch. Das lief darauf hinaus, dass die 1957 glaube ich eingeführte dynamische Rente, das heißt, ihr Schwanken mit der Entwicklung der Löhne und Gehälter, aufgekündigt wurde in Form einer Rentengarantie, und das halte ich aus dem Nachhinein im Sinne einer Generationsgerechtigkeit für eine falsche Entscheidung.
Jasper Barenberg: Der SPD-Politiker Peer Steinbrück gestern Abend im ARD-Fernsehen. Und was sagen die Jüngeren bei den Sozialdemokraten? Wir fragen gleich den Juso-Vorsitzenden Sascha Vogt.
Steigen die Löhne, dann steigen auch die Renten, sinken die Löhne, dann müssen auch die Renten sinken. Zu diesem Grundsatz will Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am liebsten zurück, auch wenn die Kanzlerin abwinkt, auch wenn Gewerkschaften und Sozialverbände protestieren, auch wenn aus der Union nur eine Handvoll Politiker dem Liberalen zur Seite springt, darunter der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Und die SPD, die spricht von einer Verunsicherung der Rentner und verteidigt das Versprechen. Einzig Peer Steinbrück, wie gehört, hält die Entscheidung im Rückblick für falsch mit Blick auf die Generationengerechtigkeit. Am Telefon ist jetzt der neue Vorsitzende der Jungsozialisten. Guten Morgen, Sascha Vogt!
Sascha Vogt: Einen schönen guten Morgen!
Barenberg: Herr Vogt, die Rentengarantie – aus Ihrer Sicht auch im Rückblick ein Fehler?
Vogt: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, das war ja damals die richtige Entscheidung. Es war aber eine besondere Situation im vergangenen Jahr, als wirklich einmal massiv die Löhne sanken und es war eine wichtige Entscheidung, um Rentnerinnen und Rentnern Sicherheit zu geben, die ja aber zuvor auch schon durch verschiedene Faktoren von der Lohnentwicklung abgekoppelt wurden, und zwar im negativen Sinne.
Barenberg: Eine besondere Situation, sagen Sie – gemeint ist natürlich die Krise und ihre Folgen. In der Folge jetzt sollte also auch der Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Löhnen und den Renten aufgegeben werden als Prinzip?
Vogt: Dieser Zusammenhang besteht natürlich weiterhin. Es geht ja nur um absolute Ausnahmesituationen, dann, wenn die Löhne massiv fallen, dann gibt es eine Garantie, dass die Renten auf dem Status quo bleiben. Das ist jetzt ja kein Bruch mit dem grundsätzlichen Prinzip, sondern das ist im Prinzip ein automatischer Stabilisator. Der gibt auf der einen Seite den Rentnerinnen und Rentnern eine gewisse Sicherheit, dass sie sich auf ein gewisses Einkommen verlassen können, auf der anderen Seite halte ich das auch wirtschaftlich für sinnvoll, um die Nachfrage zu stabilisieren in solchen Krisenzeiten.
Barenberg: Eine solche Rentengarantie gibt Sicherheit den Rentnern, sagen Sie. Auf der anderen Seite ist diese Regelung ja so, dass, was in einem Jahr nicht gekürzt wurde, den Rentnern dann in den kommenden Jahren, wenn die Lage sich verbessert hat, wieder genommen wird. Ist es nicht in Wahrheit also eine Mogelpackung?
Vogt: Ich glaube, es ist keine Mogelpackung, sondern es bejaht ja im Prinzip diesen Grundsatz, dass mittelfristig die Entwicklung der Löhne mit der Entwicklung der Renten gekoppelt ist. Ich halte im Übrigen die ganze Diskussion über diese Rentengarantie für eine typische Sommerlochdiskussion, die entscheidende Frage auch in Bezug auf die Renten ist doch: Wie ist die allgemeine Lohnentwicklung? Und ich glaube, da muss Deutschland in der nächsten Zeit deutlich nachlegen.
Barenberg: Was schlagen Sie da vor?
Vogt: Ich unterstütze zum einen die Gewerkschaften darin, dass sie sagen, die Lohnzurückhaltung muss jetzt aufgegeben werden, wir brauchen deutlich höhere Tarifabschlüsse, denn gerade in der Zeit vor der Krise haben ja nicht die normalen Beschäftigten von dem damaligen Aufschwung profitiert, sondern es haben diejenigen davon profitiert, die schon über hohe Einkommen und Vermögen verfügen. Und das muss man auch politisch flankieren, indem man zum Beispiel die Regelungen zur Leiharbeit wieder rereguliert, indem man einen Mindestlohn einführt und viele weitere Sachen mehr.
Barenberg: Sie sprechen also gewissermaßen von einer Einkommensverteilung oder -umverteilung, und nicht so sehr von einer Generationenfrage. Aber bewirkt nicht die Rentengarantie – und die anderen Faktoren, die Sie angesprochen haben – letztlich eine milliardenschwere Umverteilung von jung nach alt?
Vogt: Überhaupt nicht. Ich halte es halt für eine Verteilungsfrage und eben für keine Generationenfrage. Die entscheidende Frage ist doch nicht, wie hoch ist mein Rentenbeitrag in der Zukunft, sondern die entscheidende Frage ist doch, was für ein Einkommen habe ich in der Zukunft? Wenn ich 1000 Euro verdiene und davon 20 Prozent abgebe, sind das 200 Euro. Wenn ich 10.000 Euro verdiene und davon 25 bezahle, habe ich ja unter dem Strich immer noch deutlich mehr. Deswegen halte ich das, wie gesagt, für eine Alibidiskussion. Die entscheidende Frage für die junge Generation ist doch: Wie können wir morgen arbeiten und leben, wie ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und werden heute die entscheidenden Investitionen zum Beispiel in Bildung getätigt?
Barenberg: Nun kostet diese Rentengarantie allerdings auch einiges, zehn Milliarden Euro bis 2016, so Schätzungen, das entspricht ungefähr 60 Euro bei einem Durchschnittsverdiener. Spielt das keine Rolle?
Vogt: Natürlich spielt das eine Rolle, aber auch das ist doch wieder keine Generationenfrage, sondern es ist doch auch eine Frage, wie man diese 60 Milliarden Euro aufbringt. Das kann man tun, indem man die Beiträge entsprechend anpasst, wo dann die Beschäftigten aber auch die Unternehmen zu gleichen Teilen das zahlen müssen. Man könnte das aber auch über einen höheren Steuerzuschuss finanzieren. Es gibt ja schon große Steuerzuschüsse für den Bereich der Rentenversicherung, es gibt also immer noch sogenannte versicherungsfremde Leistungen in Milliardenhöhe, sodass es auch, sage ich mal, ordnungspolitisch einen Grund geben würde, die Steuerzuschüsse noch mal zu erhöhen. Und wenn man Steuerzuschüsse erhöht, dann muss man natürlich auch schauen: Woher nimmt man das Geld? Und wir schlagen da zum Beispiel vor, dass man eine Vermögenssteuer einführen kann, dass man eine Finanztransaktionssteuer einführen kann.
Barenberg: Wenn allerdings die Beiträge angepasst werden oder wenn die Steuerzuschüsse erhöht werden, dann geht das doch auch zulasten der jetzt arbeitenden Generation?
Vogt: Das ist eine ökonomische Binsenweisheit, dass immer die arbeitende Generation die nicht arbeitende Generation finanzieren muss.
Barenberg: Und eben deswegen ist es doch eine Generationenfrage und nicht nur eine Verteilungsfrage?
Vogt: Es ist dementsprechend schon eine Verteilungsfrage, weil, es findet immer eine Umverteilung zwischen Arm und Reich statt in diesem Land und nicht zwischen Generationen. Es gibt Rentnerinnen und Rentner beziehungsweise ältere Mitmenschen, die haben über ... die verfügen über ausreichende Vermögen, die müssen sich keine Sorgen drum machen, es gibt Ärmere, die sind auf Renten angewiesen, und genauso ist es in der jungen Generation. Deswegen muss man für eine vernünftige Verteilung zwischen Arm und Reich in diesem Land sorgen.
Barenberg: Mit all den Riester-Faktoren, Nachhaltigkeitsfaktoren und der Rentengarantie stellen Sie sich dann auch darauf ein, dass Sie nur noch einen Bruchteil der Rente beziehen werden, die die jetzige Rentengeneration erhält?
Vogt: Ich bin da eigentlich verhalten optimistisch, was die Entwicklung der Rente angeht. Wenn man jetzt die richtigen Reformen angeht, wenn man schaut, wie man das System nachhaltig entwickeln kann, dann, glaube ich, kann auch die junge Generation in Zukunft noch von einer vernünftigen Rente profitieren. Ich glaube, die entscheidende Frage ist, wie gerade schon gesagt: Wie ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, das heißt, was können wir denn in der Zukunft erwirtschaften, was steht dann an Verteilungsmasse zur Verfügung gesamtwirtschaftlich? Und man muss natürlich auch ganz konkret im Bereich der Rentenpolitik zum Beispiel schauen: Wie kann man andere Einkommensarten mit in die Rente einbeziehen?
Barenberg: Ist es Zeit, das Rentensystem grundsätzlich zu hinterfragen? Sie haben es ein bisschen angedeutet – denn es muss ja eine Antwort geben auf die demografische Entwicklung, die da lautet: Immer weniger Leute zahlen ein, immer mehr erhalten aus dem System Geld.
Vogt: Man muss das System glaube ich nicht grundlegend in Frage stellen. Ich glaube, man muss an der einen oder anderen Stelle das System erweitern und anpassen. Man muss, wie gerade schon gesagt, schauen, dass die Lohnquote in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken ist, da gilt es natürlich zum einen nachzusteuern, dass die Lohnquote wieder erhöht wird. Man muss darauf dann aber auch so reagieren, dass man eben, wie gesagt, andere Einkommensarten mit einbezieht. Aber ich glaube, das kann man im jetzigen System alles mit einpflegen und ich glaube, die Umlage ist besser als ihr Ruf. Auch das hat die Krise im Übrigen gezeigt, dass kapitalgedeckte Systeme doch immer sehr risikoreiche Systeme sind.
Barenberg: Mit anderen Worten: Sie setzen auf das Prinzip Hoffnung, denn das funktioniert ja nur, wenn wir tatsächlich stabiles, dauerhaftes Wachstum haben, nur dann steigen die Löhne, nur dann können auch die Renten weiter steigen.
Vogt: Ich setze auf das Prinzip vernünftige Politik, die dafür sorgt, dass es nachhaltiges Wachstum gibt, die dafür sorgt, dass es eine entsprechende Lohnentwicklung gibt. Dafür kann man heute was tun, dafür muss man in Zukunft was tun und dafür machen auch wir Jusos uns stark.
Barenberg: Zu einem anderen heiklen Punkt, der diskutiert wird in der SPD in diesem Zusammenhang: zur Rente mit 67. Manche in der Partei wollen zurück zur früheren Altersgrenze von 65, die Diskussion ist in vollem Gange. Im Herbst wird darüber auch auf dem Parteitag diskutiert. Was ist Ihre Antwort?
Vogt: Ich glaube, der Parteitag muss deutlich zeigen, dass die Rente mit 67 ein schwerer Fehler war. Wir haben das jetzt auch noch mal in Diskussionen innerhalb der SPD festgestellt, dass das das Thema war, das uns letztlich bei der Bundestagswahl das Genick gebrochen hat, und ich glaube auch, die entscheidende Frage, die entscheidende Problematik in der derzeitigen rentenpolitischen Debatte ist doch: Wie schaffen wir es überhaupt, dass ältere Beschäftigte überhaupt länger am Erwerbsleben teilhaben können? Wenn man heute sich anschaut, die über 60-Jährigen können nur zu rund einem Fünftel überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dann haben wir da das fundamentale Problem. Das löse ich nicht, indem ich das gesetzliche Renteneintrittsalter erhöhe, sondern indem wir schauen: Wie können wir das faktische Renteneintrittsalter erhöhen? Und von daher ist meine Forderung für den Bundesparteitag ganz klar: Wir brauchen eine Abkehr von der Rente mit 67.
Barenberg: Und mit welchen Maßnahmen wollen Sie die faktische Arbeitsfähigkeit sozusagen erhöhen?
Vogt: Da gibt es eben nicht die eine, eine einfache Antwort, die man immer so gerne hört. Das muss ein Bündel von Maßnahmen sein. Ich denke da zum einen an Gesundheitspolitik in den Betrieben, das heißt, Arbeitsplätze müssen so ausgestaltet sein, dass man überhaupt länger am Erwerbsleben partizipieren kann. Dann denke ich an so etwas wie Weiterbildungsmöglichkeiten – wenn man heute mit Mitte 50 seinen Job verliert, dann ist es sehr, sehr schwer, überhaupt noch eine Weiterbildungsmöglichkeit zu finden, obwohl man ja theoretisch noch zehn oder jetzt im Moment eben zwölf Jahre am Erwerbsleben teilhaben kann. Das sind so zwei Ansatzpunkte, mit denen man schauen kann: Wie kann man ganz konkret auf den demografischen Wandel reagieren, wie können wir auch das Potenzial von älteren Beschäftigten noch besser nutzen?
Barenberg: Der Vorsitzende der Jusos heute Morgen im Deutschlandfunk, danke schön für das Gespräch, Sascha Vogt!
Vogt: Danke auch!