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Neil Young droht mit Boykott
Spotify als Plattform für Coronaleugner?

Musiklegende Neil Young will seine Songs von der Plattform Spotify nehmen, wenn dort gleichzeitig der Coronaleugner Joe Rogan seinen Podcast veröffentlicht. Spotify zeige bislang wenig Verantwortung für seine Inhalte, sagt Journalist Martin Fehrensen.

Text: Nina Magoley | Martin Fehrensen im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Der kanadische Musiker Neil Young und die Band Carzy Horse stehen am 02.06.2013 in der Waldbühne in Berlin auf der Bühne.
Verärgert über Spotify: Der kanadische Musiker Neil Young (picture alliance / dpa | Britta Pedersen)
"They can have Rogan or Young. Not both" - man könne Rogan haben oder ihn, aber nicht beide. Das hatte Neil Young in einem offenen Brief am Montagabend an sein Management und an sein Plattenlabel Warner Music geschrieben. Den Brief hat er mittlerweile wieder von seiner Homepage genommen, doch mehrere Medien hatten darüber berichtet - und die Diskussion ist in der Welt.
Der US-Amerikaner Joe Rogan ist erklärter Coronaleugner und Impfgegner. Sein Podcast gehört derzeit zu den am meisten abgerufenen auf der schwedischen Streamingplattform Spotify. Geschätzte elf Millionen Menschen lauschen jeder einzelnen Folge. 2020 soll sich Spotify für rund 100 Millionen Dollar die Exklusivrechte dafür bei Rogan gekauft haben.

Young: "Noch heute handeln"

Neil Young begründete seinen Protest damit, dass Spotify "Falschinformationen über die Impfung verbreitet" und damit "potenziell den Tod derjenigen verantwortet, die diese Desinformationen glauben". Spotify trage Verantwortung dafür, dass auf der Plattform keine Falschinformationen verbreitet werden. Der 76-Jährige forderte den Dienst auf, "noch heute" zu handeln.
Bislang sind Youngs Songs weiterhin auf Spotify abrufbar - mit rund sechs Millionen Klicks monatlich.

Wer trägt Verantwortung?

Einmal mehr stellt sich die Frage, welche Verantwortung Soziale Medien im Netz tragen, welchen Schaden sie mit Inhalten anrichten können und wie diese kontrolliert werden. Facebook ist dafür schon viele Male im Kreuzfeuer gewesen, Unternehmenschef Mark Zuckerberg musste bereits diverse Zugeständnisse machen und löscht mittlerweile auch schonmal Nutzerkonten.
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Mobile phone display with social media apps, in Prague, Czech Republic, November 9, 2021. (CTK Photo/Martin Macak Gregor) (picture alliance/dpa/CTK)
Ebenso Twitter - prominentestes Beispiel war der damalige US-Präsident Donald Trump, der nach wie vor weder auf Facebook noch auf Twitter unter seinem Namen publizieren kann. Im Sommer 2021 aber kündigte zumindest Facebook an, seine Regularien für Politiker wieder zu lockern. 

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Spotify bislang eher unter dem Radar

Spotify dagegen stand bislang weniger im Fokus der Kritik - viele verbinden den Anbieter hauptsächlich mit Musikangeboten. Doch das Spotify-Universum geht längst weit darüber hinaus. Auch Hörbücher, Videos und eben Podcasts können hier gestreamt werden.
Und Joe Rogan ist nicht der einzige fragwürdige Inhalt auf Spotify. Neben den Liedern deutschsprachiger Neonazi-Bands oder Playlists mit dem Titel "Rechtsrock" finden sich dort auch Podcasts rechtsextremer Gruppierungen.
Mit ihrem Podcast "Lagebesprechung" beispielsweise meldet sich die Partei "Ein Prozent" regelmäßig - sie steht der rechtsextremen Identitären Bewegung nahe und wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Als Gesprächs-Gäste waren so auf Spotify schon Köpfe wie der rechtsextreme, thüringische AfD-Chef Björn Höcke zu hören oder der ehemalige österreichische Innenminister Herbert Kickl.
Einen detaillierten Blick auf diese rechten Nischen bei Spotify wirft Belltower, eine Plattform der Amadeu Antonio Stiftung, die Rechtsextremismus im Netz beobachtet, in einem ausführlichen Onlinebeitrag mit dem Titel "Auf Spotify sind Rechtsrock-Bands weiterhin aktiv".
Auch die Stimmen von deutschen Coronaleugnern und Verschwörungstheoretikern sind auf Spotify einfach zu finden: Etwa der Podcast des selbsternannten "Corona-Ausschuss" oder der mit dem Titel "Die dicke fette Coronalüge".

Kontrolle würde Umsatz schmälern

Tatsächlich habe Spotify die Diskussion um die Kontrolle von Inhalten bislang erfolgreich ausgesessen, sagt Martin Fehrensen von der Gruppe Social Media Watchblog. Firmenchef Daniel Ek habe immer argumentiert, dass Podcaster mit Rappern zu vergleichen seien, denen man ja auch nicht vorschreibe, was in ihren Songs stattfinden darf.
Slush 2016
Vergleicht Podcasts mit Rapsongs: Spotify Co-Chef Daniel Ek (picture alliance / dpa)
Und während andere Social-Media-Plattformen, wie Facebook oder Youtube, ihre Community-Regeln auch im Lauf der Pandemie immer wieder angepasst hätten, um Falschinformationen zum Coronavirus zu verhindern, habe Spotify das bislang nicht getan.
Allerdings sei bei Podcasts die Moderation der Inhalte auch wesentlich komplizierter, als bei geschriebenen Postings. "Da sträubt sich Ek offenbar, entsprechendes Geld in die Hand zu nehmen - denn das würde Millionen bedeuten, und damit einen deutlich geringeren Umsatz für Spotify."

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Effekt erst durch Reaktion der Nutzer

Die EU arbeite zwar sehr daran, strengere Regularien für Facebook, Youtube, Instagram und Co. zu schaffen - allerdings seien die immer auf Rückmeldung der Nutzer angewiesen, die fragliche Inhalte melden. "Die Haftung beginnt also immer erst, nachdem Inhalte bereits auf die Plattformen geladen wurden."
Mehr Effekt könne dagegen Druck aus der Öffentlichkeit haben, meint Fehrensen. Als lukrative Werbekunden aus Protest gegen die lasche Aufsicht bei Facebook einen Monat lang ihre Anzeigen aussetzten, habe Facebook tatsächlich reagiert. Vielleicht, so hofft er, könne das ja einst auch bei Spotify der Fall sein - etwa, wenn Musiker wie jetzt Neil Young damit drohen, ihre Musik von der Plattform zu nehmen.
Ende Dezember schrieben 150 US-amerikanische Ärztinnen und Ärzte einen offenen Brief an Spotify, in dem sie das Unternehmen mit Bezug auf den Rogan-Podcast aufforderten, "unverzüglich" klare Regeln aufzustellen, über die Falschinformationen auf der Plattform moderiert werden können.
Auf Nachfrage von @mediasres, wie Spotify mit dem Ansinnen Neil Youngs umgehen werde, antwortet der Deutschland-Sprecher des Unternehmens mit einem knappen Satz: Da der Blogpost von Neil Young nicht mehr abrufbar sei, bitte man "um Verständnis, dass wir zu Ihren Fragen aktuell keinen Kommentar abgeben".