"So gesund ist unser Kölsch" - schon der Aufmacher des Kölner Anzeigenblatts "Express, die Woche" (mit einer gedruckten Auflage von gut 520.000) verspricht, was die Faktenlage kaum halten kann. Im Artikel heißt es dann: Das Robert-Koch-Institut empfehle einen täglichen Reinalkohol-Höchstwert für Männer von 24 Gramm, für Frauen von 12 Gramm.
"Wer das befolgt, könne beinahe täglich bis zu 0,5 Liter Kölsch trinken und tut etwas Gutes für seinen Körper", so steht es wörtlich in der Boulevardzeitung des Verlags Dumont Schauberg. Weiter wird erklärt, welche positiven Effekte das Bier haben soll: von den Nährstoffen der Gerste bis hin zur Aussage, Kölsch sei fast wie eine Wellness-Anwendung.
RKI: Irreführende Aussage und falsche Grenzwerte
Die hier genannten Grenzwerte sind allerdings falsch. Das Robert-Koch-Institut schreibt auf Nachfrage des Deutschlandfunks: "Die Aussage in der Berichterstattung ist in dieser Formulierung irreführend und auch hinsichtlich der Grenzwerte falsch. In den Veröffentlichungen des RKI wird ausdrücklich auf die Risiken des Alkoholkonsums hingewiesen. Ein Nutzen wird nicht angeführt." Die Grenzwerte für riskante Alkoholtrinkmengen liegt laut RKI bei mehr als 10 g pro Tag für Frauen und 20 g für Männer.
Die fehlerhaften Grenzwerte werde man in der nächsten Ausgabe klarstellen, erklärte eine Sprecherin von Dumont gegenüber dem Deutschlandfunk. Der Verlag weist den Vorwurf einer irreführenden Berichterstattung allerdings zurück. Man habe zu Beginn des Artikels auf einen maßvollen Konsum hingewiesen. Dort heißt es: "Aber nur wenn es in Maßen getrunken wird, versteht sich."
Trotz ungesunder Folgen ist die öffentliche Wahrnehmung positiv
"Regelmäßiger Konsum von Alkohol ist ungesund. Das umzudrehen, ist falsch und verdreht Fakten", sagt Klaus Hurrelmann. Der Soziologe beschäftigt sich mit Fragen der Gesundheit und ihrer Kommunikation. Trotz wissenschaftlichem Konsens, dass regelmäßiger Konsum von Alkohol ungesund sei, sei die öffentliche Wahrnehmung von Alkohol dennoch weiterhin insgesamt positiv, stellt er gegenüber dem Deutschlandfunk fest.
Das spiegele sich auch bei der Berichterstattung über Alkoholkonsum wider. Diese sei oft alltagsfern und thematisiere besonders schlimme Fälle von Alkoholsucht und ihre Folgen. "Nach dem Motto: Das ist so extrem, das hat nichts mit mir und meinem Alltag zu tun", so Hurrelmann. Auf der anderen Seite werde in Filmen und Serien sehr sympathisierend über Alkoholkonsum gesprochen.
"Da ist Trinken cool und kontrollierbar", beobachtet auch die Suchttherapeutin Stefanie Bötsch. "Die Schattenseiten werden in Serien und Filmen selten dargestellt."
Suchttherapeutin: "Alkohol ist ein glorifiziertes Kulturgut"
Aber auch in journalistischen Beiträgen werde Alkohol verharmlost. Ein Beispiel: Der Film "30 Tage Challenge: So schwierig war es, keinen Alkohol zu trinken!" vom Y-Kollektiv, der auf FUNK erschienen ist. Die Journalistin Carolin von der Groeben macht darin einen Selbsttest: "Ich weiß, dass 30 Tage nichts trinken für viele keine Herausforderung ist. Für mich aber schon. In diesem Film geht es nicht um Alkoholiker, sondern Menschen wie mich, die gerne trinken und die Frage, bin ich wirklich frei von der Flasche?" Ihr Fazit: "Ja, die 30 Tage haben mir zwar die Augen für so manches Problem mit Alkohol geöffnet. Aber, insgesamt habe ich meinen alten Lebenswandel vermisst."
"Alkohol ist ein glorifiziertes Kulturgut", sagt Bötsch, die in ihrem Podcast "Psychoaktiv" regelmäßig die Gefahren von Alkohol und Drogen thematisiert.
Inwiefern soziale Medien den Alkoholkonsum beeinflussen konnten erste Studien noch nicht klären. Insgesamt ist der regelmäßige Alkoholkonsum zumindest bei Jugendlichen in Deutschland zurückgegangen. Unter den 12- bis 17-Jährigen tranken 2018 8,7 Prozent mindestens einmal pro Woche. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung waren es 2004 noch 21,2 Prozent. "Die Generation der Unterdreißigjährigen steht Alkoholkonsum skeptischer gegenüber", so Klaus Hurrelmann.