"Ich bin jetzt auf dem Weg zu meiner Pagode. Ich werde meine Bücher und meine Unterlagen aus meinem Zimmer abholen." – "Ich bin schon in der Pagode." - "Oh ja, sehr gut!"
Loun Savath ist vorsichtig geworden. Vor seinen öffentlichen Aktionen ruft er immer die Presse an. Journalisten, so hofft er, werden die Behörden abschrecken und sie davon abhalten, gegen ihn vorzugehen.
Savath ist ein buddhistischer Mönch. Er ist Anfang Dreißig, trägt eine Safran-farbene Robe und eine runde Brille. Immer hat er mindestens zwei Handys bei sich. Gerade ist er auf dem Weg zu seinem ehemaligen buddhistischen Kloster im Zentrum von Phnom Penh. Ein Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation fährt ihn dorthin. Dort möchte Savath sein ehemaliges Studienzimmer ausräumen. Seit etwa einem halben Jahr hat er dort Hausverbot.
Loun Savath hat sich die Mächtigen in Kambodscha zu Feinden gemacht. Denn er ist – und das ist für einen Mönch in Kambodscha sehr ungewöhnlich – zugleich ein politischer Aktivist. Savath setzt sich für Menschen ein, die unter dem Deckmantel der Entwicklung von ihrem Land vertrieben werden. Mehr als eine Millionen Kambodschaner sind davon betroffen. Die Profiteure dieses Landraubes sind nicht selten hohe Beamte und Politiker.
Daher versuchen die Behörden, den Aktivisten-Mönch zu stoppen. Mehrmals wurde Savath in den vergangenen Wochen vorübergehend festgenommen. Seit April darf er nicht mehr in den Pagoden des Landes übernachten.
Als Loun Savath in seinem früheren Kloster eintrifft, atmet er auf. Die Polizei, nach der er während der Fahrt Ausschau gehalten hat, ist nicht da. Er tritt vor die Journalisten.
"Ich bin heute zum letzten Mal in die Pagode gekommen, um all meine Bücher und Notizen aus dem Raum abzuholen, in dem ich gelebt habe."
Während der Mönch Bücher und Unterlagen aus seinem ehemaligen Zimmer räumt, tauchen Aktivistinnen aus dem Boeung Kak-Viertel der Stadt auf. Sie schreien und weinen.
Denn auch für sie hat sich der Mönch eingesetzt. Dass die religiösen und politischen Anführer Kambodschas gegen ihren Beschützer so drastisch vorgehen, können sie nicht verstehen.
Als die Frauen einige Zeit später die Unterlagen und Bücher des Mönchs aus dem Kloster tragen, macht eine von ihnen ihrer Wut Luft.
"Das ist wieder wie unter Pol Pot. Auch damals sind die Mönche aus den Pagoden vertrieben worden. Es ist genau wie unter Pol Pot!"
Boeung Kak ist ein besonders perfides Beispiel dafür, wie der Landraub funktioniert. Der Stadtteil liegt an einem großen See im Zentrum von Phnom Penh. Vor einigen Jahren hat die Regierung den See und das umliegende Gebiet an die Firma Shukaku verpachtet. Sie gehört Lao Meng Khin, einem Senator der Regierungspartei und engen Vertrauten von Premierminister Hun Sen. Ein chinesischer Konzern soll hier Luxus-Wohnungen und ein modernes Geschäftsviertel bauen.
Kurz, nachdem die Verträge unterschrieben waren, begann Shukaku damit, den See mit Sand zuzuschütten und die umliegenden Wohnviertel gewaltsam zu räumen.
Heute ist der See beinahe verschwunden. Kinder und Jugendliche spielen auf der riesigen Sandfläche, die durch die Zuschüttung entstanden ist, Fußball. Ringsum liegen die Trümmer von Häusern, die zerstört worden sind.
Die Vertriebenen haben eine Abfindung in Höhe von 8500 Dollar erhalten, angesichts der inzwischen sehr hohen Landpreise in Phnom Penh ein äußerst geringer Betrag. Viele von ihnen sind in Auffanglager weit außerhalb der Stadt gezogen oder haben sich Land in Vierteln gekauft, die vermutlich auch bald geräumt werden. Von den einst über 4000 Familien, die in Boeung Kak gelebt haben, sind bereits mehr als 3200 vertrieben worden.
Dabei hat die Weltbank, einer der wichtigsten Geldgeber der kambodschanischen Regierung, jahrelang Warnungen von Menschenrechts-Organisationen ignoriert, wonach einige ihrer Projekte die Vertreibungen beschleunigen. Vor einigen Wochen hat die Organisation jedoch die Notbremse gezogen. Wegen der brutalen Vertreibungen mitten in Phnom Penh hat die Weltbank alle neuen Zahlungen gestoppt.
Die lapidare Antwort der Regierung: Die Bank sei "keine angemessene Hilfe", um Kambodscha bei seinem "Anliegen für Entwicklung" zu helfen.
Doch um Geld braucht sich Kambodschas Regierung derzeit eher keine Sorgen machen. Denn Großkonzerne aus China, Thailand und Vietnam investieren Milliardenbeträge in Kambodscha. Und auch die Europäische Union fördert indirekt den Landraub: Denn viele Produkte, die auf den neuen, riesigen kommerziellen Agrarflächen angebaut werden, kann Kambodscha zollfrei in die EU exportieren, zum Beispiel Zucker. Was als Entwicklungshilfe gedacht war, schafft in Wirklichkeit einen weiteren Anreiz dafür, Menschen von ihrem Land zu vertreiben.
Ou Virak, Leiter der Organisation "Cambodian Commission for Human Rights", fasst das Problem zusammen:
"Landkonflikte sind heute bei Weitem der größte Streitpunkt in Kambodscha. Sie betreffen mindestens eine Million Menschen. Dabei versagt die Justiz bei der Aufgabe, die Armen zu beschützen, komplett. Von dieser Gesellschaft profitieren die Mächtigen, Leute mit Waffen, Leute, die gute Kontakte haben und Geschäftsleute, die sich Einfluss kaufen können."
Das Problem mit dem Landraub ist eine der vielen Folgen des Regimes der Roten Khmer. Diese haben während ihrer Herrschaft in den Jahren 1975 und 79 beinahe alle Grundbucheinträge des Landes vernichtet. Ein Gesetz aus dem Jahr 2001 sollte Abhilfe schaffen: Jeder Kambodschaner sollte demzufolge das Besitzrecht für sein Land erhalten, wenn er dort mindestens fünf Jahre lang gelebt hat.
Das gilt jedoch nur dann, wenn die Regierung das Land nicht als "gewerbliches" oder "öffentliches" Land gekennzeichnet hat – was seit einigen Jahren willkürlich geschieht. Ganze Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht, das Land wird an Investoren verkauft oder verpachtet.
Wer noch nicht vertrieben wurde, lebt in Angst. So wie Thoung Nheim und seine Frau Heng Mom. Das Ehepaar lebt seit 1993 am Boeung Kak-See im Zentrum von Phnom Penh. Neben dem Haus der Familie liegen die Trümmer von Häusern, die in den vergangenen Wochen abgerissen worden sind.
Beiden Ehepartnern ist der große Druck, unter dem sie stehen, anzumerken. Denn gerade hat die Regierung – offenbar als Reaktion auf den Protest der Weltbank – erklärt, dass die meisten Anwohner des Viertels, die noch nicht vertrieben worden sind, bleiben dürfen. Thoung Nheim und Heng Mom sind jedoch nicht dabei. Mom, die Frau, wischt sich Tränen aus dem Gesicht.
"Als ich unseren Namen nicht auf der Liste gesehen habe, war ich entsetzt. Es hat sich angefühlt, als hätten wir in diesem Moment alles verloren. Denn man braucht doch ein Zuhause. Wenn wir hier nicht mehr leben und woanders hinziehen müssen, werden unsere Kinder nicht mehr ihre alte Schule besuchen können und ihre Freunde verlieren. Es wir ein großer Rückschlag für ihre Ausbildung sein.”"
Nur drei Tage später geschieht das, wovor sich die beiden am meisten gefürchtet haben.
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen filmen, wie Polizisten das Haus des Ehepaares umstellen. Anschließend, so ist es auf den Aufnahmen zu sehen, fahren Bauarbeiter zwei Bagger neben das Gebäude. Dann beginnen sie, das Haus abzureißen.
Für die ehemaligen Bewohner und ihre Nachbarn ist es ein Schock. Sie schreien vor Entsetzen und Wut. Nach weniger als einer Stunde ist von Thoung Nheims und Heng Moms nur noch ein Trümmerfeld übrig. Und ein Ende der Vertreibungen ist nicht in Sicht.
Daher möchte Loun Savath, der Mönch, weitermachen. Von den Behörden des Landes möchte er sich nicht einschüchtern lassen.
""Obwohl ich aus meiner Pagode verbannt worden bin, setze ich meine Arbeit fort und helfe den Menschen bei ihrem Kampf für Gerechtigkeit. Denn die Menschen sind sehr glücklich, wenn sie sehen, dass sich ein Mönch für sie einsetzt. Es ermutigt sie. Die Regierung bedroht mich und sie möchte, dass ich aufhöre, mich für die Menschen und die Gesellschaft einzusetzen. Aber ich werde nicht aufhören, auch wenn sich mich schon viele Male festgenommen haben."
Loun Savath ist vorsichtig geworden. Vor seinen öffentlichen Aktionen ruft er immer die Presse an. Journalisten, so hofft er, werden die Behörden abschrecken und sie davon abhalten, gegen ihn vorzugehen.
Savath ist ein buddhistischer Mönch. Er ist Anfang Dreißig, trägt eine Safran-farbene Robe und eine runde Brille. Immer hat er mindestens zwei Handys bei sich. Gerade ist er auf dem Weg zu seinem ehemaligen buddhistischen Kloster im Zentrum von Phnom Penh. Ein Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation fährt ihn dorthin. Dort möchte Savath sein ehemaliges Studienzimmer ausräumen. Seit etwa einem halben Jahr hat er dort Hausverbot.
Loun Savath hat sich die Mächtigen in Kambodscha zu Feinden gemacht. Denn er ist – und das ist für einen Mönch in Kambodscha sehr ungewöhnlich – zugleich ein politischer Aktivist. Savath setzt sich für Menschen ein, die unter dem Deckmantel der Entwicklung von ihrem Land vertrieben werden. Mehr als eine Millionen Kambodschaner sind davon betroffen. Die Profiteure dieses Landraubes sind nicht selten hohe Beamte und Politiker.
Daher versuchen die Behörden, den Aktivisten-Mönch zu stoppen. Mehrmals wurde Savath in den vergangenen Wochen vorübergehend festgenommen. Seit April darf er nicht mehr in den Pagoden des Landes übernachten.
Als Loun Savath in seinem früheren Kloster eintrifft, atmet er auf. Die Polizei, nach der er während der Fahrt Ausschau gehalten hat, ist nicht da. Er tritt vor die Journalisten.
"Ich bin heute zum letzten Mal in die Pagode gekommen, um all meine Bücher und Notizen aus dem Raum abzuholen, in dem ich gelebt habe."
Während der Mönch Bücher und Unterlagen aus seinem ehemaligen Zimmer räumt, tauchen Aktivistinnen aus dem Boeung Kak-Viertel der Stadt auf. Sie schreien und weinen.
Denn auch für sie hat sich der Mönch eingesetzt. Dass die religiösen und politischen Anführer Kambodschas gegen ihren Beschützer so drastisch vorgehen, können sie nicht verstehen.
Als die Frauen einige Zeit später die Unterlagen und Bücher des Mönchs aus dem Kloster tragen, macht eine von ihnen ihrer Wut Luft.
"Das ist wieder wie unter Pol Pot. Auch damals sind die Mönche aus den Pagoden vertrieben worden. Es ist genau wie unter Pol Pot!"
Boeung Kak ist ein besonders perfides Beispiel dafür, wie der Landraub funktioniert. Der Stadtteil liegt an einem großen See im Zentrum von Phnom Penh. Vor einigen Jahren hat die Regierung den See und das umliegende Gebiet an die Firma Shukaku verpachtet. Sie gehört Lao Meng Khin, einem Senator der Regierungspartei und engen Vertrauten von Premierminister Hun Sen. Ein chinesischer Konzern soll hier Luxus-Wohnungen und ein modernes Geschäftsviertel bauen.
Kurz, nachdem die Verträge unterschrieben waren, begann Shukaku damit, den See mit Sand zuzuschütten und die umliegenden Wohnviertel gewaltsam zu räumen.
Heute ist der See beinahe verschwunden. Kinder und Jugendliche spielen auf der riesigen Sandfläche, die durch die Zuschüttung entstanden ist, Fußball. Ringsum liegen die Trümmer von Häusern, die zerstört worden sind.
Die Vertriebenen haben eine Abfindung in Höhe von 8500 Dollar erhalten, angesichts der inzwischen sehr hohen Landpreise in Phnom Penh ein äußerst geringer Betrag. Viele von ihnen sind in Auffanglager weit außerhalb der Stadt gezogen oder haben sich Land in Vierteln gekauft, die vermutlich auch bald geräumt werden. Von den einst über 4000 Familien, die in Boeung Kak gelebt haben, sind bereits mehr als 3200 vertrieben worden.
Dabei hat die Weltbank, einer der wichtigsten Geldgeber der kambodschanischen Regierung, jahrelang Warnungen von Menschenrechts-Organisationen ignoriert, wonach einige ihrer Projekte die Vertreibungen beschleunigen. Vor einigen Wochen hat die Organisation jedoch die Notbremse gezogen. Wegen der brutalen Vertreibungen mitten in Phnom Penh hat die Weltbank alle neuen Zahlungen gestoppt.
Die lapidare Antwort der Regierung: Die Bank sei "keine angemessene Hilfe", um Kambodscha bei seinem "Anliegen für Entwicklung" zu helfen.
Doch um Geld braucht sich Kambodschas Regierung derzeit eher keine Sorgen machen. Denn Großkonzerne aus China, Thailand und Vietnam investieren Milliardenbeträge in Kambodscha. Und auch die Europäische Union fördert indirekt den Landraub: Denn viele Produkte, die auf den neuen, riesigen kommerziellen Agrarflächen angebaut werden, kann Kambodscha zollfrei in die EU exportieren, zum Beispiel Zucker. Was als Entwicklungshilfe gedacht war, schafft in Wirklichkeit einen weiteren Anreiz dafür, Menschen von ihrem Land zu vertreiben.
Ou Virak, Leiter der Organisation "Cambodian Commission for Human Rights", fasst das Problem zusammen:
"Landkonflikte sind heute bei Weitem der größte Streitpunkt in Kambodscha. Sie betreffen mindestens eine Million Menschen. Dabei versagt die Justiz bei der Aufgabe, die Armen zu beschützen, komplett. Von dieser Gesellschaft profitieren die Mächtigen, Leute mit Waffen, Leute, die gute Kontakte haben und Geschäftsleute, die sich Einfluss kaufen können."
Das Problem mit dem Landraub ist eine der vielen Folgen des Regimes der Roten Khmer. Diese haben während ihrer Herrschaft in den Jahren 1975 und 79 beinahe alle Grundbucheinträge des Landes vernichtet. Ein Gesetz aus dem Jahr 2001 sollte Abhilfe schaffen: Jeder Kambodschaner sollte demzufolge das Besitzrecht für sein Land erhalten, wenn er dort mindestens fünf Jahre lang gelebt hat.
Das gilt jedoch nur dann, wenn die Regierung das Land nicht als "gewerbliches" oder "öffentliches" Land gekennzeichnet hat – was seit einigen Jahren willkürlich geschieht. Ganze Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht, das Land wird an Investoren verkauft oder verpachtet.
Wer noch nicht vertrieben wurde, lebt in Angst. So wie Thoung Nheim und seine Frau Heng Mom. Das Ehepaar lebt seit 1993 am Boeung Kak-See im Zentrum von Phnom Penh. Neben dem Haus der Familie liegen die Trümmer von Häusern, die in den vergangenen Wochen abgerissen worden sind.
Beiden Ehepartnern ist der große Druck, unter dem sie stehen, anzumerken. Denn gerade hat die Regierung – offenbar als Reaktion auf den Protest der Weltbank – erklärt, dass die meisten Anwohner des Viertels, die noch nicht vertrieben worden sind, bleiben dürfen. Thoung Nheim und Heng Mom sind jedoch nicht dabei. Mom, die Frau, wischt sich Tränen aus dem Gesicht.
"Als ich unseren Namen nicht auf der Liste gesehen habe, war ich entsetzt. Es hat sich angefühlt, als hätten wir in diesem Moment alles verloren. Denn man braucht doch ein Zuhause. Wenn wir hier nicht mehr leben und woanders hinziehen müssen, werden unsere Kinder nicht mehr ihre alte Schule besuchen können und ihre Freunde verlieren. Es wir ein großer Rückschlag für ihre Ausbildung sein.”"
Nur drei Tage später geschieht das, wovor sich die beiden am meisten gefürchtet haben.
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen filmen, wie Polizisten das Haus des Ehepaares umstellen. Anschließend, so ist es auf den Aufnahmen zu sehen, fahren Bauarbeiter zwei Bagger neben das Gebäude. Dann beginnen sie, das Haus abzureißen.
Für die ehemaligen Bewohner und ihre Nachbarn ist es ein Schock. Sie schreien vor Entsetzen und Wut. Nach weniger als einer Stunde ist von Thoung Nheims und Heng Moms nur noch ein Trümmerfeld übrig. Und ein Ende der Vertreibungen ist nicht in Sicht.
Daher möchte Loun Savath, der Mönch, weitermachen. Von den Behörden des Landes möchte er sich nicht einschüchtern lassen.
""Obwohl ich aus meiner Pagode verbannt worden bin, setze ich meine Arbeit fort und helfe den Menschen bei ihrem Kampf für Gerechtigkeit. Denn die Menschen sind sehr glücklich, wenn sie sehen, dass sich ein Mönch für sie einsetzt. Es ermutigt sie. Die Regierung bedroht mich und sie möchte, dass ich aufhöre, mich für die Menschen und die Gesellschaft einzusetzen. Aber ich werde nicht aufhören, auch wenn sich mich schon viele Male festgenommen haben."