Die erste Wahl fällt, allein schon durch die geographische Nähe, auf Vietnam: Die Löhne sind niedrig, die Infrastruktur entwickelt sich schnell, das Land hat zahlreiche Freihandelsabkommen mit anderen Nationen.
Daher ist es zu einer regelrechten Überschwemmung von Neu-Ansiedlungen in Vietnams Industriegebieten gekommen, aber ob das auf lange Sicht etwas Gutes für das südostasiatische Land bedeutet? Das bezweifelt Le Hong Hiep vom Institut für Südostasienstudien in Singapur:
"Vietnam kann ja nicht über Nacht einen neuen Hafen oder einen neuen Industriepark bauen. Auch was die Arbeitskräfte angeht, ist es problematisch: So schnell können nicht genug Arbeiter und Techniker ausgebildet werden."
Das Entwicklungstempo ist also viel zu hoch für das Land, Investoren könnten ihm enttäuscht den Rücken kehren. Einige Firmen berichten schon von Engpässen in den Häfen - die sind noch zu klein, um den wachsenden Ansturm an Containerschiffen zu bewältigen.
Auch Vietnam drohen US-Zölle wegen Exportüberschusses
Der Verkehr nimmt zu schnell zu für die schmaleren Straßen; Stau, Baustellen und Verkehrschaos kosten viel Zeit. Das sind die Firmen aus Südchinas riesigen Industrieregionen mit ihren Hochgeschwindigkeitszügen und vielspurigen Straßen anders gewöhnt. Aber das ist noch nicht alles.
"Wenn die Firmen sich erfolgreich ansiedeln, wird das Vietnams Exporte in die USA steigern. Und das wird zum Risiko für Vietnam, denn die USA sehen Vietnam als eine der Hauptquellen des Handelsüberschusses gegenüber den USA. Präsident Trump und seine Regierung haben Vietnam schon gewarnt, dass sie die Abgaben auf vietnamesische Produkte erhöhen könnten."
Etwas, das die Regierung des Landes unbedingt vermeiden will. Sie ist darum gewillt, den USA entgegenzukommen: Sie betont beispielsweise, dass sie ihre Währung nicht manipuliert. Und, das ist den USA ebenfalls sehr wichtig:
"Vietnam versucht zu verhindern, dass chinesische Unternehmen ihre Produkte durch Vietnam exportieren, um Strafzölle zu vermeiden. Und es gab Fälle, in denen die Regierung gegen dieses illegale Handeln vorgegangen ist."
Vietnam wirbt um High-Tech-Industrie
Die Regierung des südostasiatischen Landes weiß, wie wichtig der Zuzug ausländischer Firmen ist. Ausländische Investments haben im ersten Quartal dieses Jahres um 86 Prozent zugenommen. Vietnams Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 7,1 Prozent gewachsen.
Das Land lässt personalaufwändige Industriezweige wie Kleidung oder Schuhproduktion gerne weiterziehen in andere südostasiatische Länder wie Malaysia oder Indonesien. Dort wächst die Industrieansiedlung - besonders auf der Insel Batam - stark, denn sie ist nahe am internationalen Hafen Singapur gelegen.
Vietnam dagegen wirbt besonders um die High-Tech-Unternehmen - und Samsung, Intel oder LG sind dem Ruf schon gefolgt. Politisch bewegt sich Vietnam dabei auf einem Feld zwischen seinem ehemaligen Kriegsgegner, den USA, und dem einschüchternden großen Nachbarn China
"Vietnam ist sehr pragmatisch in seinem Umgang mit beiden. Und ich denke, Vietnam sieht China als sehr wichtigen Partner, aber die beiden Länder liegen im Konflikt, was das Südchinesische Meer angeht."
Land könnte Beziehung zu China einschränken
Im Streit um das Südchinesische Meer lässt China mehr und mehr seine Muskeln spielen, etwas das Vietnam nach Einschätzung von Experte Le letztlich dazu bringen könnte, seine Wirtschaftsbeziehungen zu China einzuschränken.
Umso wichtiger sei die Orientierung zum Westen hin, zu Partnern wie den USA, Japan, Indien oder der EU. Er weiß, welche Seite er in diesem jetzigen Konflikt wählen würde:
"Mir scheint, China ist der Verlierer, die USA werden sich durchsetzen."