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Wiederaufbau in Tschetschenien
Estragon-Limo mit deutscher Technik

Politisch ruhiggestellt, wirtschaftlich am Boden: Kaum ein internationaler Investor traut sich, im ehemaligen Bürgerkriegsland Tschetschenien Geschäfte zu machen. Doch es gibt Ausnahmen: Eine Getränkefabrik in Sernowodsk wird gerade modernisiert - und zwar mit deutscher Technik.

Von Gesine Dornblüth |
    Die Mineralwasserfabrik "Tschetschenische Mineralwaesser" in Sernowodsk
    Von der Plastikflasche bis zum Saftkonzentrat: In der Getränkefabrik in Sernowodsk wird alles aus Deutschland importiert. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Zwei Produktionslinien stehen in der Halle, eine für kohlensäurehaltige Getränke und stilles Wasser, die andere für Säfte und Eistees. Gerade wird eine Linie gereinigt. Dampf steigt auf. Der deutsche Hersteller KHS hat die Anlagen nach Tschetschenien geliefert. Egor Ponomarew ist einer von drei Ingenieuren, die zur Montage aus Deutschland angereist sind. Derzeit führen sie die letzten Probeläufe durch.
    "Das ist hier schon auf einem sehr sehr hohen Standard. Auch die ganzen Komponenten, die hier verwendet werden. Die Säfte, die hier abgefüllt worden sind vor einigen Wochen und Monaten, das kann man trinken."
    Eine deutsche Konkurrenzfirma hatte den Auftrag abgelehnt – zu unsicher, hieß es. Vor zehn Jahren war in Tschetschenien noch Krieg. Die deutsche Botschaft warnt vor Reisen in die Region. Ponomarew findet es eher langweilig in Tschetschenien. Die Fabrik steht in einem Kurort, in Sernowodsk.
    "Okay, wie ich her gekommen bin, im Dezember, war ein Anschlag in Grosny, aber sonst, für uns junge Leute ist es hier langweilig. Hier ist nichts. Hier ist ein Sanatorium, das ist alles Ü70 oder Ü60, hier kann man halt nicht viel machen, aber gut, auch in solchen Ländern – irgendjemand muss ja hier hin."
    "Alles, was wir verarbeiten, kommt aus Deutschland"
    Gegründet wurde das Unternehmen "Tschetschenische Mineralwässer" bereits 2008. Die Produktion lief zunächst mit alter Technik an. 3.000 Flaschen Tafel- und Heilwasser füllten sie in einer Stunde ab. Mit den neuen Anlagen verzehnfacht sich die Kapazität auf 150 Millionen Flaschen im Jahr. Auch die Produktpalette wurde erweitert.
    Lokaltypische Getränke wie Tarchun, Estragon-Limonade, und Kwas sind ebenso dabei wie international bekannte Mixgetränke wie Mochito. Auch eine eigene, tschetschenische Cola stellen sie her. Alle Zutaten werden importiert. Deshalb macht ihnen die Rubelkrise besonders zu schaffen, bemerkt Generaldirektor Alichan Dergizow:
    "Alles, was wir verarbeiten, kommt aus Deutschland. Die Rohstoffe, die Plastikflaschen, das Saftkonzentrat. Wir arbeiten seit 2008 mit deutschen Firmen zusammen. Die verkaufen natürlich alles in Euro. Aber der Euro ist jetzt viel teurer. Die Krise macht uns wirklich das Leben schwer."
    Die Mineralwasserfabrik "Tschetschenische Mineralwaesser" in Sernowodsk
    In fünf Jahren soll die Getränkefabrik in Sernowodsk Gewinne abwerfen. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Dazu kommt noch eine starke regionale Konkurrenz. Im Kaukasus gibt es sehr viele Mineralwasserquellen und dementsprechend viele Hersteller. Generaldirektor Dergizow setzt in dieser Situation auf Expansion. Er ist erst 30 Jahre alt und hat Schwung.
    "Wir arbeiten einfach mehr. Noch mehr. Wir haben auch die Preise etwas erhöht und den Absatz gesteigert. Das ist der einzige Ausweg. Einige Unternehmen werden während der Krise sterben. Wir wollen gestärkt aus ihr hervorgehen."
    Kampf um qualifiziertes Personal
    Sie hätten Personal eingestellt, statt es zu entlassen, sagt Dergizow. Derzeit arbeiten 250 Menschen in dem Betrieb. Qualifiziertes Personal zu bekommen, sei allerdings schwer. Denn auch Russen kämen nicht gern nach Tschetschenien. Der Monteur Egor Ponomarew berichtet noch von einem anderen Problem: Stromausfälle.
    "So ne aseptische Linie muss vorher sterilisiert werden. Wenn dann ne Unterbrechung da ist, kein Strom da ist, wird sie unsteril. Das heißt, man muss den ganzen Prozess von vorn machen, man muss reinigen, sterilisieren, das dauert schon mal sechs Stunden. Es kommt mal im Monat gar nicht vor, manchmal kommt das dreimal am Tag."
    Geht es nach Generaldirektor Dergizow, soll das Unternehmen in fünf Jahren Gewinne abwerfen. Wer das Geld investiert hat, will er nicht verraten, nur so viel: Der Staat sei nicht beteiligt. Wenn man sich aber in Tschetschenien umhört, wer denn die modernste Fabrik Tschetscheniens kontrolliere, nennen alle einen Namen: Ramsan Kadyrow. Er ist der Chef der Republik.