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Wiederaufbau von Palmyra
"Wir brauchen zunächst eine komplette Bestandsaufnahme"

Soll man vom Krieg zerstörte Kulturdenkmäler wieder aufbauen oder als Mahnmal belassen? Darüber sind sich Experten mit Blick auf das syrische Palmyra noch nicht sicher. Aber wie auch immer die Entscheidung ausfallen wird, Politik hat bei der Betreuung der Stätte nichts zu suchen, sagt Mechtild Rössler, Direktorin des UNESCO-Welterbezentrums im DLF.

Mechtild Rössler im Gespräch mit Änne Seidel |
    IS-Terroristen haben das berühmte Bauwerk gesprengt.
    IS-Terroristen haben das berühmte Bauwerk gesprengt. (AFP / STR)
    Änne Seidel: Ein Schutt- und Trümmerfeld, aus dem zwei klägliche Mauerstümpfe aufragen. Nein, das ist kein Bild von Palmyra; das ist eine Aufnahme der Dresdener Frauenkirche nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch in Deutschland musste man sich damals die Frage stellen, Wiederaufbau ja oder nein. Im Fall der Frauenkirche entschied man sich nach der Wende für die Rekonstruktion. Anders bei der Berliner Gedächtniskirche; sie thront bis heute als Anti-Kriegs-Mahnmal am Kurfürstendamm. Frauenkirche und Gedächtniskirche, diese Beispiele wurden in den vergangenen Tagen häufig zitiert, wenn es um Palmyra ging. Rekonstruktion oder Mahnmal, diese Frage diskutieren zurzeit Archäologen und Kunsthistoriker aus aller Welt mit Blick auf das zerstörte syrische Weltkulturerbe. Gestern Abend hat jetzt die UNESCO über das weitere Vorgehen in Palmyra beraten. Mit dabei war Mechtild Rössler, Direktorin des UNESCO-Welterbezentrums. Ich habe sie vorhin gefragt, was bei dem Treffen herausgekommen ist.
    Mechtild Rössler: Na ja. Wir haben gestern mit all den Staaten bei der UNESCO über die Situation allgemein in Syrien und Irak gesprochen und wie wir weiter dort vorgehen. Die Situation in Palmyra ist so, dass wir erst mal die Situation vor Ort untersuchen müssen, das heißt mit technischen Teams kommen, um zu sehen, wie weit die Zerstörungen gehen. Es gehen ja durch die Presse ganz viele unterschiedliche Annahmen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Stätte sehr groß ist, 113 Hektar, und durch die Presse ging natürlich die Zerstörung der berühmten Löwen-Statue oder des Bel-Tempels. Aber ein Großteil der Stätte wurde noch gar nicht untersucht. Das heißt, ungefähr 80 Prozent sind noch unter dem Sand.
    Seidel: Das heißt aber, im Prinzip tendieren auch Sie eher zu einem Wiederaufbau Palmyras. Richtig?
    Rössler: Das ist eine sehr komplexe Frage, weil Rekonstruktion eigentlich bei der Welterbeliste nicht erlaubt ist oder nur unter ganz außergewöhnlichen Bedingungen. Wenn Sie sich erinnern: Beim Bamiyan-Tal haben wir die Buddhas nicht wieder aufgebaut und in Timbuktu haben wir den Wiederaufbau der 14 Moscheen im Juli 2015 abgeschlossen. Das heißt, der Unterschied ist hier auch ein Unterschied im Material, ein Unterschied auch der Situation vor Ort. In Timbuktu war das die lokale Bevölkerung, jede Moschee ist im Besitz einer Familie, während die Buddha-Statuen, die sind natürlich aus Stein und wurden komplett gesprengt von den Taliban damals. Es ist eine andere Situation und ich denke, wir müssen mit unserem Kollegen von der Antikenbehörde vor Ort sehen: Im Einzelfall gibt es noch Stücke dieser Tempel, die gesprengt wurden, wie sieht die Situation aus, und auf keinen Fall wollen wir hier ein Disney Land konstruieren.
    Seidel: Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp plädiert ja für eine, wie er es nennt, kämpferische Reproduktion von Palmyra. Er möchte Palmyra wieder aufbauen, um damit ein Zeichen zu setzen gegen den IS und seine Zerstörung. Haben Sie diesen Vorschlag gestern auch diskutiert bei der Konferenz der UNESCO?
    Entminungsaktion auf dem Gebiet hat begonnen
    Rössler: Nein. Für uns geht es im Moment erst mal darum, eine komplette Bestandsaufnahme zu machen. Was wir gemacht haben: Wir haben eine Karte gezeigt, die die Gesamtsicht von Palmyra gibt zum jetzigen Standpunkt. Das heißt, wir haben gezeigt, wo gab es Explosionen und in welchen Bereichen können wir anfangen. Das heißt, Sie müssen ja auch wissen, dass das ganze Gebiet noch vermint ist. Jetzt finden Entminungsaktionen statt. Wir kennen die Situation bereits im Falle Angkor, wo wir in den 90er-Jahren Riesen-Entminungsaktionen gemacht haben, aber das war ein Gebiet von 200 Quadratkilometern und das dauerte über zehn Jahre. Das hoffe ich nicht, dass das der Fall ist in Palmyra, aber wie gesagt, es ist mit sehr großer Vorsicht anzugehen, dorthin überhaupt die Mission zu schicken.
    Seidel: Sie müssen dann jetzt natürlich auch eng mit den syrischen Behörden zusammenarbeiten, mit der syrischen Regierung. Haben Sie da gar keine Skrupel, denn so eine Zusammenarbeit könnte ja durchaus auch zur Rehabilitierung des Assad-Regimes beitragen?
    Rössler: Die UNESCO arbeitet mit der Antikenbehörde zusammen. Wir sind ja eine UN-spezialisierte Agency. Das heißt, wir arbeiten auf dem technischen Gebiet zusammen mit den Spezialisten vor Ort, das heißt mit Mamun Abdelkarim, dem Leiter der Antikenbehörde, und ich denke nicht, dass man Mamun da vorwerfen kann, dass er sich um den Erhalt von Palmyra und den anderen Stätten kümmert. Wir sind natürlich dabei. Wir schicken jetzt bereits Missionen nach Damaskus und zum Krak des Chevaliers. Dort haben erste Aufräumarbeiten bereits begonnen. Der Innenhof ist bereits von dem Debris befreit und Stabilisierungsmaßnahmen fanden statt und dann werden wir gemeinsam mit den Leuten vor Ort weiter diskutieren.
    Präsident Assad kann die UNESCO nicht politisch mißbrauchen
    Seidel: Trotzdem, Frau Rössler, werden Sie mir sicher zustimmen, besteht durchaus die Gefahr, dass der syrische Präsident, dass Assad den Wiederaufbau von Palmyra auch zu Propagandazwecken instrumentalisiert. Was kann die UNESCO tun, damit das eben nicht der Fall sein wird?
    Rössler: Was wir bereits 2014 gemacht haben, und ich habe damals die Sitzung geleitet über die Welterbestätten und andere Stätten, archäologische Stätten in Syrien: Wir hatten im gleichen Raum die Opposition und die Regierungsvertreter. Das heißt, wir haben gesagt, wir arbeiten nur technisch bei der UNESCO. Ich hatte natürlich auch Bodyguards und ich habe gesagt, der Erste, der mir hier über Politik redet, muss aus dem Raum raus.
    Seidel: Das ist eine klare Ansage. Die Politik muss draußen bleiben, wenn es um den Wiederaufbau von Palmyra geht. Herzlichen Dank, Mechtild Rössler, Direktorin des UNESCO-Welterbezentrums in Paris.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.