Aufgrund der Flut von Mails im Berufsalltag ist die Handschrift sehr in den Hintergrund geraten. Dabei haben wir das eigene Schreiben alle in der Schule erlernt und eingeübt. Für Sandra Richter ist diese Entwicklung bedauerlich: "Gerade Briefe oder in kleinerem Format auch Postkarten sind doch eine Möglichkeit, die zwischenmenschlichen Beziehungen in neuer Weise anzusprechen", so die Direktorin des Deutschen Literaturarchivs. "Das Schreiben von Briefen könnte eine Art Praxis der Achtsamkeit sein." Wenn es also darum gehe, "nicht nur Informationen auszutauschen, sondern sich über das zu verständigen, was der andere bedeutet", dann sei die Briefform perfekt.
"Vorgang der Entschleunigung"
Richter zufolge sollte man in Briefen etwas vorfinden, was andernorts in Medien nicht vorkommt. Um einen guten Brief zu schreiben, sei es ratsam, ihn sich laut vorzulesen. Dann höre man auch, ob das eine oder andere Wort darin noch klappere: "Das ist eine hohe Kunst, und die will geübt sein." Natürlich wirke das Briefeschreiben in Zeiten von Social Media etwas antiquiert und langatmig. Für Richter aber liegt genau darin ein "Vorgang der Entschleunigung, der sehr schön sein kann".
Medium mit eigener Ausdrucksweise
Im Deutschen Literaturarchiv in Marbach finden sich viele Formen des Sich-Mitteilens - auch aus vergangenen Jahrhunderten. So sei Goethe ein "Meister der kurzen Notizen" gewesen. In Marbach sind auch Telegramme von Marlene Dietrich archiviert, die darin nur kurz mitteilte, was sie beschäftigt hat. "Jedes Medium scheint seine eigene Ausdrucksweise mit sich zu bringen", so Richter.