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Wiederbewaffnung der Bundesrepublik

Dass es kurze Zeit nach der totalen militärischen Niederlage des NS-Regimes wieder bewaffnete deutsche Streitkräfte geben sollte, erschien vielen Bürgern und Politikern der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 50er Jahre unvorstellbar. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs lehnten sie es ab, erneut eine Waffe in die Hand zu nehmen. Aber der Koreakrieg und der sich zuspitzende Ost-West-Konflikt veränderten die Debatte.

Von Otto Langels |
    "Der künftige militärische Führer wird seinen jungen Soldaten nur dann Beispiel eines Staatsbürgers in Uniform sein können, wenn er mehr ist als nur ein militärischer Fachmann."

    Den Rat gab Bundesverteidigungsminister Theodor Blank, als er in der Bonner Ermekeilkaserne am 12. November 1955 die ersten 101 Offiziere und Soldaten der Bundeswehr ernannte. Darunter waren die Generalleutnants Adolf Heusinger und Hans Speidel sowie 18 Oberstleutnants und 30 Majore.

    Dem Aufbau der Bundeswehr waren jahrelange heftige politische Debatten vorausgegangen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang der Wehrmacht dachte in Westdeutschland zunächst kaum jemand über eigene neue Streitkräfte nach. Doch der Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950 machte die Gefahr aus dem Osten zum beherrschenden politischen Thema.

    Bundeskanzler Konrad Adenauer erklärte auf dem CDU-Parteitag im Oktober 1950:

    "Deutschland steht unmittelbar der sowjetrussischen Macht gegenüber. Im Falle einer russischen Aggression wären wir das erste Opfer. Der Kalte Krieg wird mit aller Kraft gegen uns geführt."

    Als einer der ersten forderte der britische Oppositionsführer Winston Churchill, gegen die Bedrohung aus dem Osten eine westdeutsche Armee aufzustellen. Konrad Adenauer griff die Churchill-Initiative auf, nicht zuletzt, weil er der Bundesrepublik über den Weg einer eigenen Armee einen gleichberechtigten Status in einer westeuropäischen Allianz verschaffen wollte.

    Gegen die Wiederbewaffnung protestierten Pazifisten und Kirchenvertreter, Gewerkschafter und Sozialdemokraten. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 1952 lehnten drei Viertel der Bundesbürger deutsche Soldaten ab. Dahinter standen eine verbreitete "Ohne-mich"-Stimmung, aber auch deutschlandpolitische Motive. Viele sahen durch Wiederbewaffnung und Westintegration der Bundesrepublik das Ziel eines vereinten Deutschlands in weite Ferne gerückt.

    Einer der profiliertesten Sprecher der Opposition war der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann. 1950 war er aus Protest gegen Adenauers Wehrpolitik als Bundesinnenminister zurückgetreten. Auf einer Kundgebung in der Frankfurter Paulskirche im Januar 1955 sagte Heinemann:

    "Die westdeutsche Aufrüstung ist kein Weg zur Wiedervereinigung und zur Gestaltung Europas. Wer die Deutschlandfrage lösen und damit auch Europa helfen will, muss der Tatsache Rechnung tragen, dass kein Nachbar, also auch der östliche nicht, erneut eine militärische Gefahr von Deutschland her erleben will. "

    Doch letztlich setzte sich Adenauers Politik der Stärke durch. 1955 begann der Aufbau der Streitkräfte. Im Juni wurde Theodor Blank erster Verteidigungsminister der Bundesrepublik.

    "Wir stehen vor einer neuen und schweren Aufgabe. Wir müssen Streitkräfte aus dem Nichts heraus aus neu aufbauen, ohne jede Anknüpfung an bestehende Truppeneinheiten. Wir bauen sie zudem in einem Staat auf, der an einer kaum bewältigten Vergangenheit zu tragen hat, in einer jungen Demokratie, die um ihr Ansehen oft noch im eigenen Volk zu ringen hat."
    Blank betonte den Neuanfang der Streitkräfte, um jede Kontinuität zur Wehrmacht zu vermeiden. Die beiden höchsten Offiziere der Bundeswehr, Adolf Heusinger und Hans Speidel, hatten Adolf Hitler als oberstem Kriegsherren gedient, zugleich jedoch den Attentätern des 20. Juli nahe gestanden.

    Von den Verbrechen der Wehrmacht, wie sie vor wenigen Jahren die gleichnamige Ausstellung enthüllt hat, war damals noch nicht die Rede.

    "Der deutsche Soldat hat tapfer, treu und gehorsam seine Pflicht getan. Er durfte dabei glauben, sie für das Vaterland zu erfüllen. Er wurde missbraucht durch eine verbrecherische Staatsführung."

    Im ersten Jahr meldeten sich mehr als 150.000 Freiwillige für die Bundeswehr. 101 von ihnen, vom Generalleutnant bis zum Oberfeldwebel, begrüßte Verteidigungsminister Blank am 12. November 1955.


    "Als gleichberechtigtes Glied der staatlichen Ordnung bejaht der Soldat die Unterordnung unter die politische Führung, wie dies auch in gleicher Weise für alle anderen Zweige der staatlichen Exekutive gilt."