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Wiedergewählter Juso-Chef
Kühnert verteidigt Kandidatur für SPD-Spitze

Der wiedergewählte Juso-Chef Kevin Kühnert hat Kritik an seiner Kandidatur für einen Posten im Bundesvorstand zurückgewiesen. "Ich finde es völlig vereinbar, Juso-Vorsitzender zu sein und in der SPD-Spitze Verantwortung zu übernehmen", sagte er im Dlf.

Kevin Kühnert im Gespräch mit Rainer Brandes |
Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, spricht am 22. November 2019 auf dem Bundeskongress in Schwerin.
Juso-Chef Kühnert ist für weitere zwei Jahre zum Vorsitzenden der SPD-Nachwuchsorganisation gewählt worden. (dpa)
Er habe seine Entscheidung bewusst vor seiner Wiederwahl als Juso-Vorsitzender bekanntgegeben, so Kühnert weiter. Er habe es als seine Verantwortung gegenüber den Juso-Delegierten empfunden, "ihnen vor meiner Wiederwahl zu sagen, auf was sie sich eigentlich einlassen, wenn sie für mich wählen." Die SPD werde seinen Schritt schon überleben. "Wir müssen da nicht immer so ein Drama draus machen."
Auch wies Kühnert Kritik an seiner Empfehlung für das Duo Norbert Walter-Borjans/Saskia Esken als neue SPD-Spitze zurück. "Jeder hat die Möglichkeit, Empfehlungen zu geben und für sein Team zu werben." Der Juso-Vorstand habe sich einstimmig dafür entschieden, dieses Duo zu empfehlen. "Wir hätten das nicht gemacht, wenn das keinen Rückhalt gehabt hätte." Die freie Entscheidung der anderen SPD-Mitglieder sei dadurch "kein bisschen beeinflusst", so der 30-Jährige.

Rainer Brandes: Das war ein sehr gutes Ergebnis für Juso-Chef Kevin Kühnert gestern Abend beim Juso-Bundeskongress in Schwerin – 88,6 Prozent hat er erhalten und wird also weitere zwei Jahre im Amt bleiben als Juso-Chef. Guten Morgen, Herr Kühnert, nach Schwerin!
Kevin Kühnert: Einen schönen guten Morgen!
Brandes: Herr Kühnert, haben Sie gut gefeiert?
Kühnert: Ja, das sicherlich, wobei die eigentliche Party ist traditionell bei uns immer am zweiten Tag, das ist heute Abend, aber sicherlich hat es gestern auch ein Bierchen gegeben, na klar.
Brandes: Gut, dann haben Sie da noch was vor. Von diesem Ergebnis, das Sie gestern erzählt haben, da können ja die beiden Duos, die für den SPD-Vorsitz gerade in der Stichwahl sind, wahrscheinlich nur träumen. Bereuen Sie inzwischen, dass Sie nicht das Angebot von Gesine Schwan angenommen haben, mit Ihr für den SPD-Vorsitz anzutreten?
Kühnert: Das war ja nicht wirklich ein Angebot. Das hat sie ja dann später auch noch mal relativiert, aber auch generell, nein, ich bereue das nicht.
Brandes: Aber na ja, es hätte ja schon ein paar Leute gegeben, die das gut gefunden hätten, oder?
Kühnert: Das stimmt, aber am Ende entscheiden das dann schon noch die gefragten Personen selbst, ob sie das machen. Nein, und ich bereue das nicht, weil das war eine gut überlegte Entscheidung, unabhängig auch von Gesine Schwan im Sommer, und es wäre ein bisschen komisch, jetzt zwei Monate später dann schon wieder nervöse Zuckungen zu bekommen. Nein, ich bin da völlig im Reinen, und es gibt ja auch ein Team, was wir als Jusos jetzt unterstützen. Insofern sind wir ja sozusagen selbst noch im Rennen, wenn Sie so möchten.
"Jeder hat die Möglichkeit, für sein Team zu werben"
Brandes: Richtig, weil Sie es gerade ansprechen: Sie haben sich ja auch offen für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken ausgesprochen. Steht das denn einem Juso-Vorsitzenden zu, da so klar Stellung zu beziehen?
Kühnert: Ja klar, und es steht jedem anderen Parteimitglied auch zu, sich dazu zu äußern. Ich finde das eine etwas merkwürdige Auffassung von demokratischer Willensbildung, wenn jetzt einige sagen, das würde die freie Entscheidung der Mitglieder beeinflussen. So war das ja gelegentlich zu hören. Die freie Entscheidung der Mitglieder ist kein bisschen beeinflusst, denn die sitzen jetzt in diesen Tagen alle zu Hause entweder vor dem PC oder vor ihren Abstimmungsunterlagen und machen nur mit sich selbst aus, wo sie ankreuzen. Aber im Vorfeld hat natürlich jeder die Möglichkeit, Empfehlungen zu geben, für sein Team zu werben. Das habe ich auch gemacht, so wie das ganz viele Mitglieder in ihren Ortsvereinen und im persönlichen Gespräch machen, und so wie bei jeder Bundestagswahl Plakate an den Laternenmasten hängen. Das ist letzten Endes auch nichts anderes als der Versuch, Menschen in die gewünschte Richtung zu bringen, aber die entscheiden selber, ob sie das dann machen.
Olaf Scholz, Klara Geywitz, Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans stehen nebeneinander.
Rennen um SPD-Vorsitz: Stichwahl hat begonnen
Finales Duell bei der Chefsuche der Sozialdemokraten: bis zum 29. November können die SPD-Mitglieder zwischen zwei Kandidatenteams entscheiden, dann hat ein Parteitag das letzte Wort.
Brandes: Aber Sie sind ja jetzt nicht irgendwie so ein Parteimitglied, sondern Sie repräsentieren alle Jusos, und da gibt es ja schon auch in Ihren Reihen Anhänger von Olaf Scholz und Klara Geywitz, die finden das vielleicht nicht so lustig, wenn Sie sich gegen deren Kandidaten aussprechen.
Kühnert: Ja, absolut gibt es die bei uns auch. Mir ist da auch sehr transparenter Kommunikation gelegen. Ich würde niemals behaupten, alle Jusos unterstützen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, aber die Jusos haben sich einen Vorstand gewählt, und wie jeder Vorstand in einer politischen Organisation ist er dafür da, politische Führung auch zu geben, und das machen wir. Und wir haben einstimmig in diesem Vorstand entschieden, dass wir diese Kandidatur unterstützen. Das haben wir nicht ausgewürfelt, sondern wir können davon ausgehen, dass wir vor so einer Entscheidung Rücksprache mit unseren Landesverbänden halten und natürlich auch mal ein bisschen in die Stimmungen in unserem Verband reinhorchen.
Wir haben diese Nominierung gemacht, nachdem schon einige der Regionalkonferenzen gelaufen waren, sodass wir auch sehen konnten, wie reagieren unsere Mitglieder auch vor Ort auf die verschiedenen Kandidierenden. Dann haben wir uns dazu entschieden. Wir hätten das nicht gemacht, wenn das keinen Rückhalt gehabt hätte, denn wie Sie ja selbst gesagt haben, wir haben gerade Bundeskongress, wollen gerne wiedergewählt werden, und wer gegen die Interessen seiner Mitglieder handelt, der wird schlicht nicht wiedergewählt.
"Wir wollen und müssen auch nicht immer alles organisieren"
Brandes: Sie haben ja übrigens gerade in diesen Tagen ziemlich viel Kritik einstecken müssen, weil Sie angekündigt haben im Dezember auf dem Parteitag, für einen Vizeposten im Parteivorstand zu kandidieren, vielleicht sogar als stellvertretender Parteichef. Unter anderem der aktuelle Parteivize Ralf Stegner hat Sie dafür scharf kritisiert. Wäre es nicht tatsächlich fairer gewesen, erst mal den Mitgliederentscheid um den Parteivorsitz abzuwarten?
Kühnert: Dazu muss man sich noch mal die zeitlichen Abläufe angucken. Nächste Woche Samstag, also in genau sieben Tagen, kommt das Ergebnis zum Mitgliedervotum. Dann haben wir noch fünf volle Tage, und dann beginnt der Parteitag. Wenn wir jetzt alle die Füße stillhalten und keiner vorher sagt, was er oder sie eigentlich vorhat, dann haben wir genau fünf Tage Zeit, um alle weiteren Fragen zu diesem Parteitag zu klären.
Ich finde das nicht verantwortlich, und vor allem hätte ich es übrigens auch nicht verantwortlich gegenüber den Delegierten bei den Jusos empfunden, ihnen nicht vor meiner Wiederwahl zu sagen, auf was sie sich eigentlich einlassen, wenn sie für mich wählen. Ich persönlich finde es völlig vereinbar, Juso-Vorsitzender zu sein und auch in der SPD-Spitze Verantwortung zu übernehmen, aber das mögen ja vielleicht manche Delegierte anders sehen. Dann sollen die auch vorher wissen, was sie sich einkaufen.
Ehrlicherweise, Sie sehen ja jetzt im Nachhinein andere, Malu Dreyer hat sich jetzt auch positioniert, indirekt zumindest, in den letzten Tagen, scheint das ja auch zum Anlass genommen zu haben, um zu sagen, ja, dann kann doch jetzt einfach auch jeder mal sagen, worum es geht. Wir müssen doch auch nicht immer so ein Drama draus machen. In den vergangenen Jahren sind alle dann immer ein bisschen nervös geworden, 'Mensch, jetzt werden die Posten schon verteilt, wir haben es doch noch gar nicht organisiert.' Nein, wir wollen und müssen auch nicht immer alles organisieren, und wenn jetzt am Ende am Parteitag rauskommt, wo vielleicht auf einem Platz auch mal zwei Leute kandidieren, na dann ist das so, und die SPD wird es überleben.
Brandes: Ist das eigentlich auch ein Versuch, vielleicht die SPD dann doch noch raus aus der Großen Koalition zu bringen, weil dafür stehen Sie ja ganz klar. Angenommen, jetzt würde Olaf Scholz und Klara Geywitz gewählt werden, klare GroKo-Befürworter, dass sie dann so ein Gegengewicht da bilden?
Kühnert: Also zur Frage der Großen Koalition gibt es eine Absprache, und die ist sogar festgeschrieben im Koalitionsvertrag. Die Zustimmung zu dieser Koalition ist auch deshalb vor anderthalb Jahren zustande gekommen, weil es das Zugeständnis gab, dass wir eine Halbzeitbilanz machen, und wenn Sie sich die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag anschauen, dann steht da drin, sinngemäß, wir bewerten die Arbeit, und wir gucken, ob durch die Änderung von äußeren Umständen es notwendig ist, neue Vereinbarungen miteinander zu treffen.
Brandes: Aber die Bilanz fiel ja ganz gut aus. Sie haben ja einiges durchgesetzt.
Kühnert: Ja, also die Bilanz, das ist jetzt erst mal das, was die Bundesregierung sich selber als Zeugnis ausgestellt hat. Die Bilanz einer Partei muss schon auch eine politische Bilanz sein. Natürlich muss die SPD auch bewerten, warum sie eigentlich trotz der ganz soliden Abarbeitung des Koalitionsvertrages bei 14, 15 Prozent eingefroren ist und nicht von der Stelle kommt. Wenn ich akkurat meine Themen abarbeite und trotzdem keinen großen Widerhall in der Bevölkerung finde, dann habe ich entweder ein massives Kommunikationsproblem oder die Vereinbarungen, die ich mit der Union getroffen habe, sind vielleicht einfach ein bisschen zu klein, um den Wünschen der Menschen heute entsprechen zu können.
Ich glaube, es geht eher darum, aber genau darum ringen wir im Moment in der SPD. Da gibt es Arbeitsgruppentreffen, da wird es am Ende einen Vorschlag an den Parteitag geben. Ich finde es ganz amüsant zumindest, dass ausgerechnet diejenigen, die mir und den Jusos jetzt immer vorgeworfen haben, ihr wollt nur raus, raus, raus aus der Koalition, dass das genau diejenigen sind, die sich jetzt eigentlich schon festgelegt haben, nur halt in die andere Richtung, die Koalition muss auf jeden Fall weitergehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.