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"Wiedersehen mit Brundibár"
Jugendliche bringen KZ-Kinderoper wieder auf die Bühne

Die Kinderoper "Brundibár" stammt vom jüdischen Komponisten Hans Krása. Mehr als 50 Mal wurde sie im KZ Theresienstadt aufgeführt - von Kindern für Kinder. Benachteiligte Jugendliche haben sie jetzt wieder auf die Berliner Schaubühne gebracht. Ein Film dokumentiert das Projekt.

Von Matthias Bertsch |
    Blick durch Stacheldraht auf die Gebäude des 1941 von der SS errichteten Konzentrationslagers im tschechischen Theresienstadt.
    Im KZ Theresienstadt wurde die Kinderoper Brundibár wiederholt aufgeführt. (picture alliance / dpa)
    Ikra: "Ich hatte das über Jahre lang in der Schule, und es war halt ein unangenehmes Thema."
    David: "Da sind Juden gestorben, und Adolf Hitler hat das gemacht, und da hat der Krieg angefangen, und es ist so da rein und da raus."
    Annika: "Ich find nicht, dass die Lehrer das einfühlsam erklärt haben."
    Wie lassen sich Jugendliche, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen, dafür gewinnen sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen? Und welche Lehren sollen sie aus der Geschichte ziehen? Für die Theaterpädagogin Uta Plate, die "Die Zwiefachen" vor 15 Jahren gegründet hat, stellen sich bei diesen Fragen die Nackenhaare auf
    "Das ist genau das, was in der Schule so verdammt daneben läuft: Es ist eine Mischung von Lernvorgaben und Betroffenheitszwang. Ich finde es viel interessanter, zusammen zu forschen und nicht zu wissen, was man entdecken wird. Nicht zu wissen, was man entdeckt, das ist eigentlich das Risiko; und das macht auch jedes Mal total viel Angst, wenn man nicht weiß, oh Gott, werden wir es schaffen, eine Premiere hinzukriegen? Aber das ist ja der Grund, warum man Theater macht."
    Begegnungen mit der Zeitzeugin Greta Klingsberg
    "Wiedersehen mit Brundibár" zeigt, wie die Jugendlichen versuchen, sich der Kinderoper und ihrem Thema, der Kraft der Solidarität, anzunähern. Und auch, wie sie langsam mit der für sie so ungewohnten Kunstform "Oper" vertraut werden. Im Mittelpunkt des Filmes stehen aber nicht die Proben für die Aufführung oder die Gespräche, die "Die Zwiefachen" mit ihren Großeltern geführt haben, sondern die Lebenswege der Jugendlichen und vor allem: ihre Begegnungen mit Greta Klingsberg. Die 85-Jährige spielte die Hauptrolle in der Kinderoper, später wurde sie nach Auschwitz deportiert. Seit bald 70 Jahren lebt sie in Israel. Doch als sie von den "Zwiefachen" um Unterstützung bei dem Theaterprojekt gebeten wurde, hat sie sofort zugesagt. Dass die Jugendlichen zunächst keine Lust auf das Thema Holocaust hatten, verwundert sie nicht.
    "Auch unsere Kinder haben genug von der Shoa, wenn jedes Jahr, man kann nicht auf den Knopf drücken und jetzt, heute ist Yom Hashoah, also der Tag des Holocaust, oder jetzt muss ich traurig sein, das ist nicht so leicht zu machen. Ich weiß nicht, wie man das machen soll, aber solange wir noch da sind, die es erlebt haben, glaube ich, ist es doch das Beste, wenn man direkt mit den Leuten spricht."
    Als Holocaust-Überlebende hat Greta Klingsberg bereits mit Hunderten von Schülern gesprochen. Durch ihren engen Kontakt mit den "Zwiefachen" wird sie für Jugendliche wie David schnell mehr als eine bloße Zeitzeugin.
    "Ich kann Greta gar nicht als Person sehen, die zu meinen Großeltern gehören könnte, sondern sie wirkt halt wie eine Freundin. Sie ist sehr offen und sehr herzlich, und kommt auf einen zu, und das ist tatsächlich eine sehr gute Mischung aus familiärer und freundschaftlicher Beziehung."
    Und Theaterpädagogin Uta Plate: "In dem Moment, wo wir über das Leben von Greta Klingsberg auf der Bühne gesprochen haben, ohne zu wissen, wer sie ist, klang das wahnsinnig heilig und zitatenhaft. Als wir sie dann kennengelernt hatten in ihrer herzlichen, schwarz-humorigen, kecken Art, da konnte man über Greta auf der Bühne sprechen wie man über eine Freundin spricht. Das zieht das Ganze ganz doll ran, wenn man einfach sagt: Greta hat mir erzählt, dass das und das war.
    Und Greta Klingsberg kann erzählen davon, dass die Rollen in Brundibár immer wieder neu besetzt werden mussten, weil Kinder starben. Und doch sind die Erinnerungen an die Kinderoper für sie wertvoll, macht sie bei der Premiere des Filmes in der Berliner Schaubühne deutlich.
    "Ich glaube, es waren die einzigen und wenigen Momente einer normalen Kindheit, weil man vollkommen entrückt war, was rundherum geschah, wenn man in den Proben war und singen konnte. Da konnte man alles, als Kind, vergessen, was es rund um einen gab. Das war es, glaube ich, was einem sehr viel half über die Zeit hinweg zu gehen."
    Eine Erfahrung, die bei den "Zwiefachen" auch viele gemacht haben, sagt Annika, die Gretas Rolle in der Neuinszenierung der Kinderoper spielt.
    "Dass wir die Möglichkeit hatten, uns in einer extrem belastenden und eigentlich unaushaltbaren Situation oder Lebensphase was zu holen, was uns Kraft gibt! Für Greta war das Brundibár, für uns: 'Die Zwiefachen'. Man kann es ja nicht so ganz vergleichen, wir leben ja nicht im Nationalsozialismus, aber es gibt eben trotzdem Sachen, die einem das Leben sehr schwer machen können, zum Beispiel halt, wenn man keinen Kontakt zu seiner Familie hat. Da muss man einfach Sachen finden, die einem Kraft geben, ja."
    Und die Theaterpädagogin ergänzt:
    "Es ist ein Geschenk, wenn Greta mit ihrem Lachen, mit ihrer Kraft, mit ihrer Ehrlichkeit uns so viel heller gemacht hat in dieser Auseinandersetzung und den Jugendlichen, die selber krisenhafte Umstände haben, einfach gezeigt hat: Okay, wenn jemand diesen Tunnel gegangen ist und jetzt uns so anlacht, dann werde ich das auch schaffen."
    Dokumentarfilm ohne moralischen Zeigefinger
    Und genau das ist die Stärke von "Wiedersehen mit Brundibár". Regisseur Douglas Wolfsperger ist ein Dokumentarfilm gelungen, der weder den moralischen Zeigefinger braucht noch auf fragwürdige Analogien setzt - sondern auf die Kraft der Protagonisten und ihrer Begegnungen. Theaterpädagogin Uta Plate.
    "Die Jugendlichen Annika, Ikra und David, Greta Klingsberg als Zeitzeugin, alle sind verdammt bei sich und verdammt ehrlich, und wenn da ein Kontakt entstand zwischen denen vor der Kamera, dann war der einfach mal da und war, und das ist, glaube ich, das Berührende."