31 Jahre ist die deutsche Wiedervereinigung nun her. Und an jedem 3. Oktober 1990 wurde auch die Sportsysteme vom Bundesrepublik und DDR zusammengelegt. Vor allem die BRD habe gehofft, durch das Athletenpotential des Ostens in den Medaillenspiegeln nach vorne zu kommen, sagte Sporthistorikerin Jutta Braun im Dlf. "Und es schien sich ja auch dadurch zu bewahrheiten, als bei den ersten gesamtdeutschen Winterspielen in Albertville 1992, die Bundesrepublik es zum ersten Mal überhaupt schaffte, sich auf Platz eins der Medaillenliste zu setzen. Und das führte natürlich dann zu der Überlegung, ob man nicht auch Bausteine des DDR-Sports adaptieren könnte."
Geklappt hat das nicht. Zwar sehe man laut Braun noch "Spuren des DDR-Sports im bundesdeutschen Sportsystem". Allerdings habe sich das "insgesamt nicht imitieren" lassen.
"Sport hat kulturell einen anderen Stellenwert"
Bei den Olympischen Spielen in Tokio hat die deutsche Mannschaft nun so schlecht abgeschnitten wie noch nie nach der Wiedervereinigung. Sportlich gebe es laut Braun zwar den Ehrgeiz, wieder auf das Niveau von 1992 zu kommen, jedoch habe sich der Stellenwert der Olympischen Spiele verändert. "Früher war es ganz klar eine Bühne des Ost-West-Konflikts, nicht nur Bundesrepublik und DDR, sondern natürlich auch Sowjetunion und die USA. Das ist weggefallen", sagte sie. "Heutzutage machen sich die Menschen eher Gedanken um Fragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. Also ich glaube, dass sich Sport kulturell einfach der Stellenwert der verändert hat."
Die deutsch-deutsche Sportgeschichte hat dabei auch problematische Facetten. In der DDR gab es staatlich organisiertes Doping. Auch in der Bundesrepublik wurde mit System gedopt. Das alles ist bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet. Es gebe jedoch noch andere Folgen der Sporteinheit, die noch weniger beachtet würden, sagte Braun. "Ich darf mal erinnern an den goldenen Plan Ost, mit dem 15 Jahre lang die Sportstätten in der ehemaligen DDR saniert wurden. 17 Milliarden sind ausgegeben worden, um einfach auszugleichen, dass die DDR eben erheblich weniger Mittel in den Breitensport gesteckt hatte."
"Fußball-Vereine erlebten Transformationsschock"
Von großen Fehlern bei der Sportvereinigung wollte Braun aber nicht sprechen. "Vielleicht ist es besser, von falschen Erwartungen zu sprechen. Also im olympischen Sport hatte man gehofft, die Sportdiktatur in Einzelteilen übernehmen zu können. Das hat nicht geklappt, weil man das eben nicht einfach so übernehmen kann", sagte sie. "Ganz anders ist es im Fußball. Da erlebten die Vereine einen richtigen Transformationsschock. Die mussten von Staatssport und Betriebssport plötzlich auf Eigenfinanzierung umstellen, auf Kommerzialisierung, auf Selbstorganisation. Und es ist ja vielen auch nicht geglückt. Also das waren weniger Fehler, sondern einfach Entwicklungen der deutschen Einheit, wie man sie auch in anderen Bereichen gesehen hat und die es natürlich sehr schwierig machten, im vereinten deutschen Sport anzukommen."
Ob in Zukunft eine Angleichung der Verhältnisse zwischen Ost und West im Sport hergestellt werden kann, bezweifelt Braun. "Ich verweise zum Beispiel mal auf den Organisationsgrad, der im Osten immer noch deutlich niedriger ist als in den alten Bundesländern. Und es ist umstritten, weshalb das so ist. Es ist aber auch eine offene Frage, ob es hier eine hundertprozentige Angleichung überhaupt geben muss oder ob man nicht auch eine Differenz in der Einheit aushalten kann."