Morgens um neun Uhr in der Innenstadt von Nikosia-Nord, dem türkischen Sektor der geteilten Hauptstadt von Zypern. Der Berufsverkehr braust an drei älteren Damen vorbei, die mit Protestschildern an einer zentralen Kreuzung stehen. "Ein Volk, ein Vaterland", ist auf dem Schild zu lesen, das die 64-jährige Gülay Kaser vor sich trägt, auf ihrem Rücken prangt.
"Weg mit der Grenze auf Zypern". Seit 15 Monaten steht die pensionierte Beamtin hier jeden Morgen im Verkehr, gleich ob es stürmt oder regnet oder ob die Sonne sticht:
"Wir machen hier täglich 35 Minuten lang unsere Protestaktion, gegen die ausweglose Lage von Zypern und den Streit auf der Insel. Wir wollen von den beiden Volksgruppenführern endlich eine Lösung, wir sagen es reicht. Wir wollen vom Volk auf beiden Seiten, dass es Druck ausübt auf die Volksgruppenführer, damit sie sich bewegen."
Keine Partei und kein Verein organisiert diese Protestaktion der drei Zypriotinnen. Sie setzen sich hier auf eigene Faust für ihr Land und seine Zukunft ein. Gedankt werde es ihnen selten, sagen die Frauen:
"Wenn von hundert Leuten, die hier vorbeifahren, nur einer hupt oder winkt oder uns mit erhobenem Daumen zustimmt, dann reicht uns das. Es sind zwar nur wenige, aber es gibt sie doch. Wir werden auch beschimpft und bedroht. Aber wir lassen uns davon nicht beirren, denn irgendjemand muss ja noch für dieses Land geradestehen."
Seltene Hoffnung auf bessere Zukunft
Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist zur Seltenheit geworden in Nordzypern. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist es her, dass die Republik Zypern am Konflikt zwischen den Volksgruppen zerbrochen ist. Der Norden ist seit der türkischen Intervention isoliert und verarmt. Den Nordzyprern hat auch ihre Zustimmung zur UN-vermittelten Wiedervereinigung vor zehn Jahren nichts genützt, weil die Griechen im Süden dagegen waren. Kein Wunder also, dass viele Menschen hier den Glauben an eine gemeinsame Zukunft aufgegeben haben.
Einer der wenigen Zyperntürken, die daran festgehalten haben, ist Außenminister Özdil Nami, der erst seit fünf Monaten im Amt ist und in dieser Zeit entscheidend zur jetzigen Wiederaufnahme der Verhandlungen beigetragen hat. Es ist der Leidensdruck der Isolation, der ihn dazu anspornt, einen Konflikt anzupacken, der älter ist als er selbst, sagt der 46-Jährige:
"Ich habe den dringenden Wunsch, diese frustrierende Situation zu beenden und unseren Kindern eine bessere Zukunft zu eröffnen, damit sie nicht die gleichen Probleme erleiden müssen, die wir durchgemacht haben. Ich habe einen 18-jährigen Sohn, der hat leider ebenso wie ich in einem Land aufwachsen müssen, das von der Welt isoliert ist, während seine zyperngriechischen Altersgenossen frei mit der Welt verkehren können."
Wesentliche Eckpunkte einer Einigung sind bereits abgesteckt
Als Verhandlungsführer der Zyperntürken handelte Nami vor zehn Jahren schon mit den Zyperngriechen den sogenannten Annan-Plan zur Wiedervereinigung aus, der dann im letzten Moment am Referendum im Süden scheiterte. Als Außenminister hat er in den vergangenen fünf Monaten die Gespräche über die gemeinsame Erklärung unterstützt, mit der die beiden Volksgruppenführer heute die Grundlage für neue Verhandlungen legen wollen. In der Erklärung werden wesentliche Eckpunkte einer Einigung bereits abgesteckt – die Verhandlungen selbst sollen damit beschleunigt und erleichtert werden, sagt Nami:
"Die gemeinsame Erklärung betrifft den Kern des Zypern-Problems, es geht darin um die Regierungsgewalt und um die Macht in einem gemeinsamen Staat. Wenn das aus dem Weg ist, wird es viel leichter über die übrigen Probleme zu sprechen, also die Rückgabe von Eigentum, Gebietsansprüche und Garantien für Minderheitenrechte. Das sind zwar auch schwierige Fragen. Aber um vernünftig darüber verhandeln zu können, brauchten wir zunächst ein Einverständnis darüber, was für eine Republik wir wollen und wie wir die Macht darin teilen wollen."
Anlauf soll sich nicht mehr jahrelang hinziehen
Anders als bei früheren Einigungsversuchen sollen sich die Verhandlungen in diesem Anlauf nicht mehr jahrelang hinziehen, um dann schließlich doch zu scheitern, sagt Nami. Noch in diesem Jahr könnten die Verhandlungen abgeschlossen werden, hofft er. Dank der Vorarbeit der letzten Monate sei dies möglich:
"Wenn wir diese gemeinsame Erklärung abgeben, dann wird das ein historisches Dokument sein, in dem viele Streitfragen bereits geklärt sind. Auf dieser Grundlage können die Verhandlungen dann zügig vorankommen. Der Durchbruch ist zum Greifen nah - wir brauchen nur etwas politischen Mut auf beiden Seiten. Die Volksgruppenführer dazu zu ermutigen, das ist die Aufgabe des zyprischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft."