Tobias Armbrüster: Es ist ein Verhandlungs-Marathon erster Güte, der da heute in Washington beginnen soll. Vertreter aus Europa und den USA treffen sich dort für erste Gespräche über ein transatlantisches Freihandelsabkommen. Dieses Abkommen soll einmal Millionen von Arbeitsplätzen schaffen, außerdem natürlich den Handel zwischen der EU und den USA deutlich erleichtern. Überschattet werden diese Gespräche allerdings von der anhaltenden Kontroverse um die Spähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA.
Wir haben es gerade gehört: In Washington beginnen heute die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Und wie ebenfalls angeklungen, bleiben diese Gespräche überschattet vom Streit um die verschiedenen geheimen amerikanischen Überwachungsprogramme. Am Telefon ist jetzt der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Schönen guten Morgen.
Dieter Wiefelspütz: Guten Morgen! – Nicht Sprecher, nur Experte.
Armbrüster: Experte – schön, dass wir das klargestellt haben. – Herr Wiefelspütz, wir lesen heute im "Spiegel", dass deutsche Behörden seit Jahren von den Spähprogrammen der Amerikaner wussten. War Ihnen das auch lange bekannt?
Wiefelspütz: Ich bin seit vielen Jahren Sicherheitsexperte, mir sind solche Details nicht bekannt. Es ist klar, dass die Sicherheitsbehörden Deutschlands mit anderen Rechtsstaaten, auch mit den USA zusammenarbeiten. Wir haben Zusammenarbeit bei der Justiz, wir haben Zusammenarbeit bei der Polizei, wir haben selbstverständlich auch Zusammenarbeit bei den Nachrichtendiensten. Aber diese Zusammenarbeit muss im Rahmen rechtsstaatlicher Regeln ablaufen. Dadurch darf nicht unser Grundgesetz ausgehöhlt werden. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Armbrüster: Fragt man denn da als Innenpolitiker oder auch als Sicherheitsexperte manchmal lieber nicht ein bisschen zu genau nach, so nach dem Motto, was ich nicht weiß, das kann mir hinterher auch nicht angehängt werden?
Wiefelspütz: Das wäre mir zu einfach. Sehen Sie, ich fahre jedes Jahr in die USA. Ich besuche Nachrichtendienste, Polizei, Regierungsstellen, alles Mögliche. Aber ich kann doch nicht akzeptieren, dass Zusammenarbeit gleichgesetzt wird mit Bruch unseres Grundgesetzes. Das heißt, die Zusammenarbeit muss immer im Rahmen des Rechtes ablaufen. Wir schützen hier in Deutschland die Freiheit, das Grundgesetz verbürgt Telekommunikationsfreiheit, wir haben das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wir haben das Grundrecht der Integrität unserer Computer, alles geschützt durch unser Grundgesetz, überwacht durch das Bundesverfassungsgericht. Und Nachrichtendienste aus den USA oder auch aus Großbritannien kommen durch die Hintertür und räumen das ab, das können wir nicht akzeptieren. Das kann auch natürlich gar nicht über irgendeine Art der Zusammenarbeit akzeptiert werden. Ich glaube, das sind völlig verschiedene Paar Schuhe. Das muss aufgeklärt werden, was da passiert ist, und es muss abgestellt werden.
Für den Bundesnachrichtendienst, unseren Auslands-Aufklärungsdienst, sind die USA Tabu. Ebenso ist Großbritannien Tabu. Und umgekehrt kann es nicht richtig sein und ist abzulehnen, dass amerikanische Nachrichtendienste in Deutschland operieren und die Grundrechte unserer Bürger beeinträchtigen. Das ist einfach nicht akzeptabel und da kann man nicht unterstellen oder jedenfalls mir nicht und anderen nicht unterstellen, das gewusst zu haben. Dass wir zusammenarbeiten, ist eine Selbstverständlichkeit, aber doch bitte schön im Rahmen des Rechtes und nicht durch die Hintertür unser Grundgesetz abräumen.
Armbrüster: Ganz konkret: Würden Sie denn sagen, dürfen deutsche Geheimdienstler Zugriff haben auf solche Daten, die möglicherweise aus solchen umstrittenen Spähprogrammen herausgekommen sind?
Wiefelspütz: Wenn wir Nachrichten bekommen aus dem Ausland, mit denen wir Anschläge verhindern können, würde ich die immer nutzen.
Armbrüster: Egal, ob die nun legal oder illegal zustande gekommen sind?
Wiefelspütz: Das weiß ich ja in aller Regel gar nicht mal, weil uns das auch gar nicht gesagt wird. Aber ich bitte sehr um Verständnis, ich bin ein glühender Rechtsstaatler. Das kann doch nicht heißen, dass wir akzeptieren, dass andere Leute foltern, illegale Sachen machen oder Ähnliches – ich sage das mal jetzt sehr plastisch und sehr zugespitzt, ohne irgendwas zu unterstellen. Das heißt, wir sind an Recht und Gesetz gebunden überall, wo wir operieren in Deutschland. Das Grundgesetz ist nicht eine Sache nur für sonntags, sondern auch für die gesamte Woche sozusagen, für den Alltag. Und Geheimdienste sind nicht sozusagen dazu da, dass man gleichsam durch die Hintertür unser Grundgesetz abräumt. Das gilt für alle und das gilt auch für befreundete Nachrichtendienste.
Armbrüster: Herr Wiefelspütz, ganz kurz noch. Wir haben leider nicht mehr viel Zeit, noch eine halbe Minute. Nur dieser eine Punkt noch: Der Innenminister, Hans-Peter Friedrich, reist diese Woche nach Washington, um über diesen Streit auch mit den Vertretern der US-Seite zu sprechen. Kann so ein Besuch mehr sein als Augenwischerei?
Wiefelspütz: Das wäre fatal, wenn es das wäre. Wir brauchen klare Regeln im Umgang miteinander. Wir reden mit Freunden auf einer Augenhöhe und die Regeln, die für uns gelten, gelten für andere auch. Das muss geklärt werden. Ich fürchte nur, oder ich würde es mal so formulieren: Wir werden da noch, weil es so wichtig ist, die Sache nicht mit einem Besuch abräumen können. Das muss ein Top-Thema der deutschen Innenpolitik bleiben.
Armbrüster: Dieter Wiefelspütz, Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, live hier heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch.
Wiefelspütz: Danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wir haben es gerade gehört: In Washington beginnen heute die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Und wie ebenfalls angeklungen, bleiben diese Gespräche überschattet vom Streit um die verschiedenen geheimen amerikanischen Überwachungsprogramme. Am Telefon ist jetzt der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Schönen guten Morgen.
Dieter Wiefelspütz: Guten Morgen! – Nicht Sprecher, nur Experte.
Armbrüster: Experte – schön, dass wir das klargestellt haben. – Herr Wiefelspütz, wir lesen heute im "Spiegel", dass deutsche Behörden seit Jahren von den Spähprogrammen der Amerikaner wussten. War Ihnen das auch lange bekannt?
Wiefelspütz: Ich bin seit vielen Jahren Sicherheitsexperte, mir sind solche Details nicht bekannt. Es ist klar, dass die Sicherheitsbehörden Deutschlands mit anderen Rechtsstaaten, auch mit den USA zusammenarbeiten. Wir haben Zusammenarbeit bei der Justiz, wir haben Zusammenarbeit bei der Polizei, wir haben selbstverständlich auch Zusammenarbeit bei den Nachrichtendiensten. Aber diese Zusammenarbeit muss im Rahmen rechtsstaatlicher Regeln ablaufen. Dadurch darf nicht unser Grundgesetz ausgehöhlt werden. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Armbrüster: Fragt man denn da als Innenpolitiker oder auch als Sicherheitsexperte manchmal lieber nicht ein bisschen zu genau nach, so nach dem Motto, was ich nicht weiß, das kann mir hinterher auch nicht angehängt werden?
Wiefelspütz: Das wäre mir zu einfach. Sehen Sie, ich fahre jedes Jahr in die USA. Ich besuche Nachrichtendienste, Polizei, Regierungsstellen, alles Mögliche. Aber ich kann doch nicht akzeptieren, dass Zusammenarbeit gleichgesetzt wird mit Bruch unseres Grundgesetzes. Das heißt, die Zusammenarbeit muss immer im Rahmen des Rechtes ablaufen. Wir schützen hier in Deutschland die Freiheit, das Grundgesetz verbürgt Telekommunikationsfreiheit, wir haben das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wir haben das Grundrecht der Integrität unserer Computer, alles geschützt durch unser Grundgesetz, überwacht durch das Bundesverfassungsgericht. Und Nachrichtendienste aus den USA oder auch aus Großbritannien kommen durch die Hintertür und räumen das ab, das können wir nicht akzeptieren. Das kann auch natürlich gar nicht über irgendeine Art der Zusammenarbeit akzeptiert werden. Ich glaube, das sind völlig verschiedene Paar Schuhe. Das muss aufgeklärt werden, was da passiert ist, und es muss abgestellt werden.
Für den Bundesnachrichtendienst, unseren Auslands-Aufklärungsdienst, sind die USA Tabu. Ebenso ist Großbritannien Tabu. Und umgekehrt kann es nicht richtig sein und ist abzulehnen, dass amerikanische Nachrichtendienste in Deutschland operieren und die Grundrechte unserer Bürger beeinträchtigen. Das ist einfach nicht akzeptabel und da kann man nicht unterstellen oder jedenfalls mir nicht und anderen nicht unterstellen, das gewusst zu haben. Dass wir zusammenarbeiten, ist eine Selbstverständlichkeit, aber doch bitte schön im Rahmen des Rechtes und nicht durch die Hintertür unser Grundgesetz abräumen.
Armbrüster: Ganz konkret: Würden Sie denn sagen, dürfen deutsche Geheimdienstler Zugriff haben auf solche Daten, die möglicherweise aus solchen umstrittenen Spähprogrammen herausgekommen sind?
Wiefelspütz: Wenn wir Nachrichten bekommen aus dem Ausland, mit denen wir Anschläge verhindern können, würde ich die immer nutzen.
Armbrüster: Egal, ob die nun legal oder illegal zustande gekommen sind?
Wiefelspütz: Das weiß ich ja in aller Regel gar nicht mal, weil uns das auch gar nicht gesagt wird. Aber ich bitte sehr um Verständnis, ich bin ein glühender Rechtsstaatler. Das kann doch nicht heißen, dass wir akzeptieren, dass andere Leute foltern, illegale Sachen machen oder Ähnliches – ich sage das mal jetzt sehr plastisch und sehr zugespitzt, ohne irgendwas zu unterstellen. Das heißt, wir sind an Recht und Gesetz gebunden überall, wo wir operieren in Deutschland. Das Grundgesetz ist nicht eine Sache nur für sonntags, sondern auch für die gesamte Woche sozusagen, für den Alltag. Und Geheimdienste sind nicht sozusagen dazu da, dass man gleichsam durch die Hintertür unser Grundgesetz abräumt. Das gilt für alle und das gilt auch für befreundete Nachrichtendienste.
Armbrüster: Herr Wiefelspütz, ganz kurz noch. Wir haben leider nicht mehr viel Zeit, noch eine halbe Minute. Nur dieser eine Punkt noch: Der Innenminister, Hans-Peter Friedrich, reist diese Woche nach Washington, um über diesen Streit auch mit den Vertretern der US-Seite zu sprechen. Kann so ein Besuch mehr sein als Augenwischerei?
Wiefelspütz: Das wäre fatal, wenn es das wäre. Wir brauchen klare Regeln im Umgang miteinander. Wir reden mit Freunden auf einer Augenhöhe und die Regeln, die für uns gelten, gelten für andere auch. Das muss geklärt werden. Ich fürchte nur, oder ich würde es mal so formulieren: Wir werden da noch, weil es so wichtig ist, die Sache nicht mit einem Besuch abräumen können. Das muss ein Top-Thema der deutschen Innenpolitik bleiben.
Armbrüster: Dieter Wiefelspütz, Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, live hier heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch.
Wiefelspütz: Danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.