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Wiefelspütz: Union und SPD sind dicht beieinander

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hofft auf eine tragfähige Vereinbarung zum Bleiberecht für geduldete Ausländer bis Ende der Woche. Beide Koalitionsparteien seien guten Willens, sagte Wiefelspütz. Er plädierte vor allem im Interesse der in der Bundesrepublik geborenen und verwurzelten Kinder für eine großzügige Regelung. Die klarste Lösung wäre nach Ansicht des SPD-Politikers, den betroffenen Ausländern nach fünf oder sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland ein Bleiberecht mit Arbeitsmarktzugang einzuräumen.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Ohne Arbeit kein Pass; ohne Pass keine Arbeit. Das Dilemma des Hauptmanns von Köpenick. Ein Kreislauf, der auch heute in Deutschland noch aktuell ist. Fast 200.000 Menschen leben hierzulande meist schon jahrelang als geduldete Bürger. Ihr rechtlicher Status ist ungeklärt. Sie haben zwar kein Asyl, können aber aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden. Ein Job bleibt ihnen in der Regel so verwehrt.

    Nun wollen Bund und Länder endlich den ewigen Bleiberechtsstreit beenden. Doch etliche Punkte sind noch offen, so die Frage, ob ein fester Job für ein dauerhaftes Verweilen in Deutschland zwingend notwendig ist oder nicht. Ende der Woche soll die Innenministerkonferenz entscheiden. Schon jetzt gibt es vorentscheidende Gespräche innerhalb der Koalition und dazu begrüße ich jetzt am Telefon den innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dieter Wiefelspütz. Guten Morgen!

    Dieter Wiefelspütz: Guten Morgen!

    Heinlein: Herr Wiefelspütz, wird es künftig ein Hauptmann von Köpenick einfacher haben, in Deutschland zu leben und zu arbeiten?

    Wiefelspütz: Nein. So sehr ich auch gerne mal solche scherzhaften Debatten führe, das Thema ist zu ernst. Mit dem Hauptmann von Köpenick hat das nichts zu tun. Wir ringen um eine vernünftige Bleiberechtsregelung. Das war noch vor ein, zwei Jahren undenkbar in der politischen Landschaft Deutschlands. Jetzt ist eigentlich Konsens, dass wir eine Bleiberechtsregelung wollen. Über Einzelheiten wird noch gerungen. Das ist das normale Geschäft der Politik. Ich habe aber die Zuversicht, dass wir am Ende der Woche eine vernünftige, tragfähige Vereinbarung haben, die auch den Problemdruck deutlich reduziert in diesem Bereich. Ich habe auch die Hoffnung, dass wir eine großzügige Bleiberechtsregelung hinbekommen.

    Heinlein: Um welche Einzelheiten wird denn noch gerungen, Herr Wiefelspütz? Wie groß sind die Meinungsunterschiede innerhalb der Koalition?

    Wiefelspütz: Es hängt da vieles mit vielem zusammen. Wir reden ja nicht nur über Bleiberecht, sondern eigentlich über eine umfassende Überarbeitung unseres Ausländer- und Integrationsrechtes. Da kommen viele, viele Details hinzu. Aber das Bleiberecht ist ein großes, wichtiges Thema. Es wird auch sehr stark darum gehen, ob wir und wie wir den Arbeitsmarktzugang ermöglichen. Das Entscheidende ist aber - und da ist Konsens zwischen Union und SPD -, dass wir ein Bleiberecht haben wollen für diejenigen, die in Deutschland verwurzelt sind. Das betrifft insbesondere Menschen oder Familien mit Kindern. Kinder sind eigentlich der Schlüssel für eine Bleiberechtsregelung, denn Kinder, die hier geboren oder aufgewachsen sind, die haben ihre Wurzeln in Deutschland und nicht dort, wo möglicherweise ihre Eltern herkommen. Für diese Kinder brauchen wir eine gute, menschliche Lösung. Das hat also an dieser Stelle auch weniger etwas mit dem Arbeitsmarkt zu tun, sondern da geht es um schlichte Menschlichkeit.

    Heinlein: Das Thema Arbeitsmarkt, Herr Wiefelspütz, ist ja dennoch strittig und wenn ich es richtig verstehe, will Ihre Partei ja die Regel "wer bleiben darf, darf auch arbeiten". Die Union dagegen will es umgekehrt: "wer arbeitet, darf auch bleiben". Wie soll denn hier ein Kompromiss aussehen?

    Wiefelspütz: Darum ringen wir in den Tagen jetzt. Der Arbeitsmarkt ist natürlich nach wie vor hier in Deutschland sensibel. Wir haben über vier Millionen Arbeitslose und deswegen brauchen wir auch den klugen Rat des Bundesarbeitsministers Müntefering, der aber selber nachdrücklich immer für eine großzügige, vernünftige Bleiberechtsregelung geworben hat. Das Klarste wäre eigentlich zu sagen, wenn jemand fünf, sechs Jahre hier ist, in Deutschland ist, dann sollte er ein Bleiberecht bekommen und mit dem Bleiberecht ist dann auch der Arbeitsmarktzugang verbunden. Das wäre eigentlich die sauberste, klarste Regelung. Ob man die durchsetzen kann, wird man im Laufe der kommenden Tage sehen. Der gute Wille jedenfalls, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, ist erkennbar auf allen Seiten vorhanden.

    Heinlein: Werden Sie denn auf dieser Aussage bestehen, denn Herr Beckstein von der Union und andere sagen es ja ganz anders: die Voraussetzung für ein Bleiberecht ist Arbeit.

    Wiefelspütz: Wir müssen uns einfach mit den Realitäten auseinandersetzen und die Realität bedeutet, dass dieser Personenkreis gar nicht so einfach Arbeit bekommen kann und es ihnen ja auch erschwert worden ist in der Vergangenheit. Ob man dort Erleichterungen schaffen kann, genau das ist das Thema, worum wir ringen. Ich sage noch einmal: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einen größeren Teil dieser geduldeten Menschen - es handelt sich um einen Personenkreis von etwa 200.000 Leuten - in ein Bleiberecht bringen, mit Arbeitsmarktzugang selbstverständlich.

    Heinlein: Das ist ja in der Tat Teil des Dilemmas, Herr Wiefelspütz, dass viele der geduldeten Ausländer jahrelang zwar hier leben, aber nicht arbeiten können. Wie sollen sie plötzlich mit einem Stichtag dann Arbeit finden? Die Alternative ist ja entweder Abschiebung, oder eine Belastung unserer Sozialsysteme.

    Wiefelspütz: Ich sehe einfach die große Chance, dass wir uns jetzt darauf verständigen zu sagen, wer hier verwurzelt ist, bekommt ein Bleiberecht. Mit dem Bleiberecht ist der Arbeitsmarktzugang verbunden. Im Übrigen sollten wir diese Problematik nicht dogmatisch und schon gar nicht aus dem Blickwinkel der Stammtische diskutieren, denn der größere Teil derjenigen, die schon so lange hier sind, bleibt mit oder ohne Arbeitsplatz in Deutschland. Wir haben ja Fälle - ich glaube es gibt 2.000, 3.000 Menschen in Deutschland -, die sind über 20 Jahre hier und geduldet und haben immer noch kein Bleiberecht. Das ist doch absurd, abwegig ist das. Da meine ich kommt es gar nicht mal entscheidend darauf an, ob diese Menschen einen Arbeitsplatz haben oder nicht. Sie haben ein Recht, dann doch letztlich hier zu bleiben, und dann sollten wir uns kümmern, dass sie eine Chance am schwierigen Arbeitsmarkt haben. dass der Bundesarbeitsminister an dieser Stelle auch sagt, wir müssen ein bisschen schauen, dass wir unseren Arbeitsmarkt nicht in Unordnung bringen, das ist doch glaube ich das Selbstverständlichste von der Welt. Ich sage noch einmal: wir sind da nahe beieinander und ich hoffe sehr auf eine vernünftige Lösung.

    Heinlein: Was ist denn das Ziel dieser vernünftigen Lösung, dass möglichst viele dieser geduldeten Ausländer hier bleiben können, oder möglichst viele abgeschoben werden können? Das befürchten ja unter anderem Teile der Opposition, die Grünen, die Linken und viele Menschenrechtsgruppen.

    Wiefelspütz: Ich muss ganz freimütig sagen, diese Geduld sollten wir noch haben, diese zwei, drei, vier Tage, bis wir ein Ergebnis produzieren. Vor einem Jahr, vor eineinhalb Jahren war dieses Thema so kontrovers, dass wir es eigentlich immer ausgeklammert haben, weil völlig klar war, wir kriegen da keinen Konsens hin. Jetzt sind Union und SPD dicht beieinander. Erstmals haben wir seit Jahren wieder die Chance für eine konstruktive Politik auf diesem Sektor, für ein Bleiberecht und diese Chance sollten wir jetzt nicht zerreden und verspielen. Ich rechne eher mit einer großzügigen Regelung, die auch die Opposition befriedigen wird.

    Heinlein: Kurz noch die Frage: Ist das Ziel dieser Verhandlungen, dieser Gespräche eine bundeseinheitliche Regelung, oder könnte es Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern geben?

    Wiefelspütz: Wir wollen eine bundeseinheitliche Regelung, aber es mag in der Anwendung des Rechtes auch da und dort unterschiedliche Akzente geben. Das war in der Vergangenheit so, das wird auch in der Zukunft so sein.

    Heinlein: Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Wiefelspütz: Danke. Auf Wiederhören!