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Wiener Burgtheater
Intendant Matthias Hartmann gefeuert

Kritiker hatte Matthias Hartmann schon immer viele. Der eigensinnige Intendant des Wiener Burgtheaters hat nur wenige mit seinen Inszenierungen überzeugt. Und seine arrogante Art brachte ihn schon bei seinem vorigen Arbeitgeber Ärger ein. Den größten Schaden des Skandals trägt die Theaterlandschaft.

Von Christoph Leibold |
    Der Direktor des Burgtheaters, Matthias Hartmann, während einer Pressekonferenz
    Matthias Hartmann, bisher Direktor des Wiener Burgtheaters, muss sich einen neuen Arbeitsplatz suchen. (dpa picture alliance/ Herbert Pfarrhofer)
    Im vergangenen Herbst schien die Welt noch in Ordnung. Da warf die Glücksfee Fortuna das Geld zum offenen Fenster hinaus. Matthias Hartmann zeigte zur Spielzeiteröffnung an der Wiener Burg seine Inszenierung von Nestroys Zauberposse "Lumpazivagabundus". Fortuna sah darin aus wie Angela Merkel, was so ziemlich alles über diese Inszenierung sagt, die den Gag dem Gedanken jederzeit vorzog. So funktionierten allzu viele Hartmann-Inszenierungen: schönes Blendwerk. Glänzende Fassade, aber keine Brillanz dahinter. Dafür gern starbesetzt und opulent ausgestattet. Und das ist keine Erkenntnis, die sich jetzt erst einstellt und die man sich nun erst zu sagen trauen darf, da Matthias Hartmann, der hoch Aufgestiegene und nun umso tiefer Gefallene, am Boden liegt, und es natürlich ein Leichtes ist, auf ihn einzutreten.
    Im Gegenteil: die verbreitete und keineswegs verheimlichte Meinung vieler Fachleute ist schon lange, dass Hartmann selbst ganz ähnlich funktioniert wie seine Inszenierungen. Gernegroßes Auftreten, aber eher ein künstlerisches Kleinkaliber. Hartmann begegnete der zunehmenden Zahl seiner Kritiker, die nicht erst jetzt auf den Plan treten, mit proportional wachsender Arroganz. Denen, die zu ihm hielten, trat er jovial bis gönnerhaft entgegen, wo er aber Gegenwind witterte, reagierte er garstig. Schon aus Zürich, wo er bis 2009 das Schauspielhaus führte, ehe er nach Wien wechselte, schied er im Unfrieden. Es ging um eine bulgarisches Kindermädchen, das er angeblich ohne Arbeitsgenehmigung beschäftige, eine protzige Villa am Zürichsee und, wie im Zuge der Burg-Krise offenbar wurde, auch dort um ein mögliches Defizit, das Hartmann hinterlassen haben soll.
    Wien hätte gewarnt sein müssen
    Wien hätte also gewarnt sein müssen. Aber die Walzerstadt, in der sich die Hautevolee das Kulturleben gern als einen einzigen, immerwährenden Opernball vorstellt, hatte an Hartmann einen Narren gefressen. Sein Hochglanztheater lieferte Glamour und Gloria, nach dem sich die Stadt sehnte, und der Intendant schien seinerseits endlich am richtigen Ort angekommen, wo die Mittel üppig genug waren, um sich auszutoben. Dass Hartmanns Ausstattungs- und Startheater daran schuld ist, dass für die vergangene Spielzeit ein Minus von 8,3 Millionen Euro zu Buche steht, ist in dieser simplen Logik natürlich nicht haltbar. Die parvenühafte Unbekümmertheit aber, mit der er zu Anfang der aktuellen Krise verkündete, seine Aufgabe als Künstler sei es nicht zu überlegen, was seine Inszenierungen kosten, das müssten ihm schon andere sagen, passt ins Bild von Hartmann, das sich über die Jahre verfestigt hat. Wer rein rechtlich schuld hat am dubiosen Finanzgebaren an der Burg trägt, ob die bereits im Dezember entlassen Vizedirektorin Silvia Stantejsky oder sonst wer, also möglicherweise auch Hartmann, mögen nun die Juristen klären. Die Schamlosigkeit aber, mit der Hartmann moralische Mitverantwortung ablehnt, ist auch ohne Richterspruch schwer erträglich.
    Als Matthias Hartmann vor knapp fünf Jahren Zürich im Zorn verließ, um so einer möglichen Entlassung zuvorzukommen, rechnete er ab, das dortige Schauspielhaus habe in 23 Jahren sieben Intendanten verschlissen, die Wiener Burg sei in derselben Zeit mit nur zwei ausgekommen. Dass er nun der erste Direktor überhaupt ist, der dort fliegt, ist eine bittere Pointe. Schadenfreude indessen ist nicht angebracht. Denn den Schaden trägt die deutschsprachige Theaterlandschaft davon. Das Defizit der Burg ist höher als der Gesamtetat vieler Stadttheater. Politiker spielen nur äußerst selten Fortuna und verteilen das Geld mit vollen Händen. Eher kürzen sie Budgets, wo sie Verschwendung und Verantwortungslosigkeit vermuten. Und das ist weit schlimmer, als wenn ein Theatermann einen Kopf kürzer gemacht wird, der den Kulturkaputtsparern durch sein Treiben Argumente liefert.