Das Video hat keinen Ton, trotzdem wirkt es spannend. Zwei Leute, verkleidet als Ärzte im grünen OP-Outfit, kommen in einen gekachelten Raum. Gleich werden sie eine Operation beginnen. Die Fliesen sind auffallend schön. Sie erinnern so gar nicht an einen nüchternen OP-Saal - Sonja Stummerer erklärt warum.
"Es gab die Anfrage vom Museum, dass wir Videos produzieren, auf denen wir in speziellen Situationen essen. Und es war die Vorgabe, dass das in Räumlichkeiten des Museums gedreht wird. Und eine dieser Locations, die wir ausgesucht haben, ist eben ein viktorianisches WC, das extra für den Besuch der Queen Victoria gebaut wurde, mit Fliesen mit ihrem Emblem drinnen."
Emsig beginnen die beiden Ärzte ihr Werk. Ihre Aufmerksamkeit gilt einem Sandwich, das im Vordergrund liegt. Mit dem Skalpell öffnen sie das Brot, spreizen es auf – und entfernen etwas Schinken. Dafür setzen sie Gurken ein, verschließen und vernähen das Brot.
Essen als Statement
"Hintergrund ist natürlich der Zusammenhang zwischen Essen, Hygiene, Gesundheit – Essen hat ja immer starken Symbolgehalt, früher mit dem Thema des Vergiftens, was kann ich überhaupt essen, heute mit der Frage der Gesundheit und des Abnehmens, mit Diäten, was verleib ich mir ein?!"
Gemüse statt Fleisch: Was wir essen, wirkt nicht nur auf unseren Körper, es wirkt auch auf die Welt, erklärt Martin Hablesreiter:
"Wir als Chirurgen verkleidet symbolisieren natürlich auch die enorme Schwierigkeit dieser Operation, die Gesellschaft in eine Nachhaltigere zu verwandeln, oder das Bewusstsein der Gesellschaft zu verändern, dass Nachhaltigkeit, also fleischloser oder mit weniger Fleisch zu leben, dass das gar nicht so einfach ist."
Immerhin wurde in der Nachkriegszeit der Fleischkonsum zum Ausdruck von Wohlstand und gutem Leben, quasi ein Kulturgut des Wirtschaftswunders. Die Berge von Fleisch, die heute in Europa und anderswo täglich verbraucht und am Wochenende weggegrillt werden, erfordern eine industrielle Fleischproduktion mit gewaltigem Ressourcenverbrauch.
Insgesamt verursacht die weltweite Nahrungsmittelproduktion derzeit 30 Prozent der Treibhausgasemissionen und verbraucht 70 Prozent des Frischwassers. Auch der Transport ist aufwendig, darauf verweist ein anderes Video: Während eine feine Dame an einem Tisch speist, tragen Lakaien unentwegt Tabletts mit Erde durchs historistische Stiegenhaus. Abgesehen von Fisch kommt ja alle Nahrung aus der Erde.
Über Rituale rund ums Essen nachdenken
Martin Hablesreiter: "Wir tragen Erde durch das Museum, um zu symbolisieren, dass wir ständig Essen rund um den Globus transportieren. Wenn wir in der EU Brot kaufen, ist darin wahrscheinlich Weizen aus 30 verschiedenen Ländern, die nicht nur aus der EU sind."
Wo kommt die Nahrung her? Wie wird die Natur respektive das Essen zum Produkt? Dazu gestalteten Martin Hablesreiter und Sonja Stummerer 2007 die Ausstellung Food Design. Danach lag es nahe, über Utensilien, Manieren und Rituale rund ums Essen nachzudenken. Es gilt: Du bist, was du isst – und wie du isst.
Wir nennen unsere Arbeit "Food Rules Tomorrow", das hat einerseits damit zu tun dass wir beim Essen von ganz vielen Regeln umgeben sind, an die wir uns im Regelfall mehr halten als an die Straßenverkehrsordnung. Andererseits ist auch die Essensproduktion der schlimmste Klimakiller, den wir haben. Die konventionelle Landwirtschaft produziert an Klimagasen schon einiges, und darüber muss man reden. Unser Essverhalten definiert unsere Zukunft, das wollte wir thematisieren…
Aber wie erreicht man die Menschen? In der kulturellen Praxis liegt der Schlüssel zur Veränderung. Im Video manners sitzen Dame und Herr am fein gedeckten Tisch. Mit korrekter Haltung des Essbestecks trennen sie das Fett vom Schinken – und tupfen sich die Wangen damit. Auch die Gurke wird umständlich geschält, zwecks weiterer Hautpflege. Alles wird verwertet.
Etwas, das für meine Großmutter völlig normal war, wirkt plötzlich zynisch – wenn man sich mit einer Gurkenschale im Museumscafe das Gesicht bedeckt, schaut das aus wie von Monty Python.
Absurde Komik, die im Hals steckenbleibt
Es muss diese Kombination sein aus Ästhetisch-positiv-ansprechend, und am zweiten Blick muss einem doch im Hals steckenbleiben, was man da sieht. Es muss positiv und negativ berühren, sonst kann man Menschen schwer ansprechen.
Nur den Verzicht zu fordern, wird niemanden überzeugen. In ihren Inszenierungen als Honey & Bunny arrangieren Hablesreiter und Stummerer das Gewohnte deshalb neu. Speiserituale und Nahrungssymbolik entwickeln eine absurde Komik, die spielerisch zum Umdenken anregt.