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Wiener Kolorit an der Semperoper

Einen Bruder der Wiener Philharmoniker nennt Christian Thielemann die Sächsische Staatskapelle. Mit dem Paradestück der Wiener, dem "Rosenkavalier", hat er jetzt seinen grandiosen Opern-Einstand in Dresden gegeben. Die Sächsische Staatskapelle begeistert mit Farben- und Nuancenreichtum.

Von Kirsten Liese |
    Einen Bruder der Wiener Philharmoniker nennt Christian Thielemann die Sächsische Staatskapelle. Der Rosenkavalier ist in dieser Hinsicht ein besonderer Prüfstein. Mit seinem eingeschriebenen Wiener Kolorit ist er gewissermaßen das Paradestück der Wiener, die schon allein die beliebte Walzermelodie unnachahmlich schwelgerisch musizieren. Ob seliger Walzertaumel, leidenschaftliche Glut, burleskes Poltern oder zarteste Poesie: Die Sächsische Staatskapelle begeistert mit einem schier unerschöpflichen Reichtum an Farben und Nuancen. Sie schwört sich ganz ein auf die Finessen ihres Dirigenten, der den Straussschen Klangreichtum der Wiener Philharmoniker verinnerlicht hat wie kein Zweiter.

    Auf der Bühne versammeln sich keine glamourösen Stars, aber bis in kleinste Rollen vorzügliche Interpreten. Daniela Sindram, die demnächst auch an der Met debütiert und offenbar kurz vor ihrem internationalen Durchbruch steht, lässt als Titelheld mit einem warm blühenden Mezzo aufhorchen. Daniela Fally nimmt als Sophie mit silbernen Soprantönen für sich ein, als Baron Ochs bewegt sich Wolfgang Bankl mit dem nötigen Schalk souverän bis in die tiefsten Regionen seiner Basspartie. Angeführt aber wird das Ensemble von der wunderbaren Soile Isokoski als erfahrene Marschallin. Sie singt kultiviert, mit warmem Timbre, allen geforderten Ausdrucksnuancen und herrlich-schönen Kopftönen.

    Dass Thielemann bei seinem grandiosen Dresdner Operneinstand auf eine Neuproduktion zugunsten einer bewährten Inszenierung verzichtet, ist vielleicht ein weiteres Glück dieser Aufführung. Zumal die Regisseure – Tankred, Dorst, Christof Loy oder auch Jan Philipp Gloger, mit denen er in jüngerer Zeit in Bayreuth und Salzburg gemeinsam auf eine Premiere hinarbeitete dem musikalisch hohen Niveau nicht
    entsprechen konnten. Die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg ist mittlerweile 12 Jahre alt. Sie besticht mit einer sehr intimen Personenführung und verbindet wie die Musik kunstvoll unterschiedliche Stilelemente. In einem Pressegespräch hat sich Thielemann dafür ausgesprochen, dass er auch in Zukunft gerne solche handwerklich soliden, ästhetisch ansprechenden Inszenierungen dirigieren will:

    "Dresden ist die Stadt eines Hoftheaters und eine Residenzstadt, aber ganz wichtig ist, dass die Werte des Bürgertums propagiert werden und man sich nicht versteckt und meint, man müsste einer Inszenierung applaudieren, die man gar nicht versteht."

    Die Musikdramen von Richard Strauss und Richard Wagner werden auch künftig das Kernrepertoire in Dresden bilden. Daneben aber will Thielemann das große italienische Repertoire pflegen. Einen Anfang in diese Richtung hatte er 2004 als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin mit Puccinis "Mädchen aus dem Goldenen Westen" gemacht. "Manon Lescaut" sollte folgen, doch dazu kam es nicht mehr. Noch im selben Jahr verließ Thielemann im Streit mit der Berliner Kulturpolitik das Haus und ging nach München.

    Jetzt rücken die Italiener wieder stärker in sein Visier. Bei seinem nächsten Konzert mit den Berliner Philharmonikern Anfang Dezember stehen schon einmal Auszüge aus Verdis Opern und dessen vier Pezzi Sacri auf dem Programm. Und Puccinis "Manon Lescaut" holt Thielemann in Dresden nach. Im März 2013 ist Premiere, Regie führt Stefan Herheim.