Was passiert in Haiti?
Seit Tagen überziehen bewaffnete Banden das Land mit Gewalt. Sie haben Polizeiwachen angegriffen und Gefängnisse gestürmt. Dabei konnten Hunderte Gefangene fliehen, darunter schwere Verbrecher. Auch am Flughafen fielen Schüsse, nach Medienberichten sollen die Banden auch mehrere Regierungsgebäude angegriffen haben.
Schätzungen zufolge werden 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince von Gangs kontrolliert. Die haitianische Regierung hat für einen Monat den Ausnahmezustand ausgerufen. Bis Montag gilt eine nächtliche Ausgangssperre.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von Haiti, Mesidor, befüchtet einen Bürgerkrieg. Die Polizei sei machtlos gegenüber den Banden, und in einigen Regionen hätten sich bewaffnete Bürgerwehren gebildet, um die Gangs zu bekämpfen.
Wie ist die humanitäre Lage in Haiti?
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration fehlt es an Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung. Das Gesundheitssystem stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Die Menschen hätten praktisch keine Möglichkeit mehr, sich frei zu bewegen, weil sie überall von Gewalt bedroht seien, sagte ein Mediziner von "Ärzte ohne Grenzen" der Nachrichtenagentur KNA. Besonders für Mädchen und Frauen werde die Situation immer katastrophaler. "Ihnen droht Vergewaltigung, wenn sie nur auf die Straße gehen."
Was sind die Gründe für den Gewaltausbruch?
Die Gewalt ist mit Beginn einer Auslandsreise von Ministerpräsident Henry eskaliert. Zwei der wichtigsten bewaffneten Gruppen haben sich zusammengeschlossen und den wichtigsten Flughafen belagert, um die Rückkehr des Regierungschefs zu verhindern. Sie fordern Henrys Rücktritt.
Henry sollte eigentlich Anfang Februar aus dem Amt scheiden, hat sich jedoch mit der Opposition darauf verständigt, bis zu Neuwahlen innerhalb von zwölf Monaten gemeinsam zu regieren.
Welche Verantwortung tragen die USA für die Situation?
Ministerpräsident Henry übernahm die Regierungsgeschäfte im Jahr 2021 nach dem Ermordung des haitianischen Präsidenten Moïse. Die Bevölkerung war dagegen, doch die Regierung von US-Präsident Biden unterstützte Henry. Der frühere US-Botschafter in Haiti, Foley, hat scharfe Kritik an dem Vorgehen der USA geübt. "Sie haben es total vermasselt", sagte Foley über den Rückhalt der US-Regierung für Henry.
Auch die haitianische Autorin Monique Clesca sieht die USA in der Verantwortung. Die Krise gehe weitgehend auf die hartnäckige Unterstützung der USA für Henry zurück. Clesca gehört einer Gruppe von Vertretern aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik an, die sich dafür einsetzen, Henry durch ein Aufsichtsgremium aus unpolitischen Technokraten zu ersetzen. Doch bislang zeigt Henry keine Bereitschaft, seine Macht abzugeben, und die US-Regierung steht Henry weiterhin zur Seite.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Die Vereinten Nationen planen eine internationale Polizeimission für Haiti unter der Führung Kenias. Kenia soll 1.000 Polizisten nach Haiti senden. Ministerpräsident Henry war auch deshalb nach Kenia gereist, um diese Mission vorzubereiten.
Auch die USA haben Henry aufgefordert, die Voraussetzungen für den Einsatz einer internationalen Mission in Haiti zu schaffen. Diese soll den Weg zu freien und fairen Wahlen ebnen.
Diese Nachricht wurde am 11.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.