Lars Häfner: "Ja, für uns ist vor allem wichtig, auch mal sich im richtigen Leben zu sehen und nicht nur immer online austauschen zu müssen. Wenn all diese Editoren, Wikipedianer zusammenkommen, jeder hat so sein Steckenpferd, seinen Fachbereich und bringt seine Ideen mit, seine Storys und Erfahrungen, und so kann man sich wirklich die ganze vielfältige Welt der Wikipedia vertiefen und das ist doch sehr spannend."
Manfred Kloiber: Das war Lars Häfner über die WikiCon. WikiCon, das ist das jährliche Treffen der deutschsprachigen Online-Enzyklopädisten. Es findet in diesem Jahr erstmals in der Schweiz statt, nämlich in St. Gallen, unweit des Bodensees. Und dort ist auch mein Kollege Achim Killer. Achim, über zwei Millionen Artikel umfasst mittlerweile die deutschsprachige Ausgabe des Internet-Lexikons. Da steckt viel Arbeit drin. Wie viele Autoren sind denn vor Ort?
Achim Killer: Gerademal 300 - klingt wenig. Ist es aber nicht. Das ist quasi der harte Kern der Wikipedianer. Wenn man schon ein paar Mal über solche Treffen berichtet hat, dann erkennt man auch viele Gesichter wieder und vor allem natürlich die Nicknames, die Benutzernamen, unter denen viele in der Wikipedia unterwegs sind. Hier, auf der WikiCon, haben sie entsprechende Namensschilder umgehängt. Es gibt vielleicht 1.000 deutschsprachige Autoren, die jeden Tag oder fast jeden Tag aktiv sind. Also es sind bemerkenswert wenige, die den Großteil der Arbeit machen. Und es sind bemerkenswert viele davon da.
Jeder zusätzliche freie Helfer ist willkommen
Kloiber: Einer von denen, die da sind in St. Gallen, das ist Lars Häfner, unter Wikipedianern auch bekannt als Albinfo, und das das Alb – mit b und nicht mit p – weist Ihn nicht als Alpen-Experten sondern als Albanien-Spezialisten aus. Häfner ist einer der ganzen Aktiven in der Schweizer Community und hat bei der Organisation des Treffens mitgewirkt. Zu Beginn der WikiCon habe ich mit ihm über ein Problem gesprochen, das viele Mitstreiter umtreibt: Der Zustrom an Freiwilligen lässt nach:
Häfner: "Ja die Arbeit wird nie ausgehen. Es gibt noch sehr, sehr viel zu beschreiben. Jeder Artikel der geschrieben worden ist muss auch unterhalten werden. Insofern, ja jeder zusätzliche freie Helfer sei ein kleiner Beitrag ist natürlich sehr sehr willkommen. Für einen neuen Autor ist es nicht ganz einfach sich durch das ganze Regelwerk durchzukämpfen, sich da vertraut zu machen. Heute muss man wirklich eigentlich jeden Satz in die Bücher, in die Literatur, in die Quellen eintauchen, wirklich für jeden Satz eigentlich eine Quelle liefern. Und das ist natürlich schon viel viel aufwendiger als das früher war. Aber das ist auch sehr wichtig damit wir in der Wikipedia auch Qualität garantieren können."
Kloiber: Nun ist es so dass gerade im Moment im Zuge der Vergabe der Nobelpreise die Arbeit von Wikipedia etwas angegriffen wird. Dort ist ein Fehler unterlaufen, dass eben halt die Editoren, die zuständig sind für Physik und wichtige Physiker, offensichtlich die Nobelpreisträgerin Donna Strickland nicht für würdig empfunden haben, in die Wikipedia aufgenommen zu werden. Wie kann es eigentlich grundsätzlich passieren dass in der Wikipedia eben Personen oder auch Dinge, wichtige Erfindungen falsch eingeschätzt werden.
Häfner: "Wenn ich das richtig verstanden habe wollte dort nicht nur der Artikel inhaltlich bewertet sondern er auch qualitativ sehr schlecht war und dadurch auch nicht zum Ausdruck gekommen ist, wie die Bedeutung dieser Person ist. Und in dem Fall hat man sich anscheinend lieber für keinen Artikel also für einen schlechten Artikel entschieden. Ich kann auch einige Beispiele nennen wo gedruckte Enzyklopädien und Nachschlagewerke über Jahre Sachen nicht nachgeführt haben, veraltete Informationen lieferten oder auch falsche. Auch dort ist nicht immer für jedes Detail wirklich ein Experte vorhanden. Und ich denke vorauszusehen, wer wird der Nobelpreise kriegen, das ist schwer voraussehbar. Die deutsche Wikipedia ist da doch immer noch führend. Es gibt so eine Art Wettbewerb zwischen den Sprachen, welche Wikipedia hat schon wie viele der neuen Nobelpreisträger beschrieben. Und die deutsche Wikipedia ist da immer ganz vorne dabei. Zusammen mit der englischen auf dem ersten Platz. Und eben, wenn halt mal was passiert sei das jetzt irgendwo ein Erdbeben in Indonesien oder Brücken einen Sturz in Italien oder eine Nobelpreis-Vergabe: Was der Vorteil ist der Online-Enzyklopädie, wir können wirklich ganz rasch darauf reagieren und meistens dauert es keine Stunden und da haben wir dann schon vernünftiges Material das wir bieten können."
Vorträge zu technischen und praktischen Problemen
Kloiber: Lars Häfner war das, einer der Organisatoren der WikiCon in diesem Jahr. Ja, drei Tage lang tauschen sich dort die Macherinnen und Macher der Online-Enzykopädie aus, und es gibt nicht nur den klassischen Erfahrungsaustausch zwischen Gleichinteressierten, sondern auch jede Menge Vorträge zu technischen und praktischen Problemen. Achim, geben Sie uns doch einen Geschmack davon, was St. Gallen auf dem Programm steht.
Killer: Ja, zunächst einmal zu den Werkzeugen, die der Wikipedianer und die Wikipedianerin so brauchen. Da gibt's beispielsweise einen Vortrag, der ist überschrieben mi: "Welcher Blitz?" - Versteht man zunächst nicht. Gemeint ist aber tatsächlich: Welchen Fotoblitz verwendet man tunlichst, um schöne Bilder für Wikipedia zu knipsen. Solche Vorträge und Workshops zu sehr, sehr speziellen Themen bestimmen immer die Wikicon. Das ist ein Arbeitstreffen. Und diesmal steht dabei Wikidata im Mittelpunkt.
Kloiber: Die gemeinsame Datenbank für alle verschiedensprachigen Wikipedia-Ausgaben?
Killer: Genau. Die stellt eine gewaltige Arbeitserleichterung dar. Ich hab mir das von Charlie Kritschmar von Wikimedia Deutschland erklären lassen. Es gibt tatsächlich so an die 250 verschiedensprachige Artikel über Berlin, die deutsche Hauptstadt. Da steht 250 mal die Einwohnerzahl drin. Das sind 250 Möglichkeiten, sie falsch abzuschreiben. Und die Einwohnerzahl ändert sich dauernd und muss aktualisiert werden. Wieder 250 Fehlermöglichkeiten. Man kann aber die Einwohnerzahl auch in einer gemeinsamen Datenbank halten und pflegen.
Charlie Kritschmar: "Wenn man dann statt händisch diesen Wert in den Artikeln zu haben, eine Referenz auf das WikiData-Daten Objekt macht, dann ändert sich die Zahl automatisch mit. Das heißt, die, die sich für Berlin verantwortlich fühlen ändern Bei WikiData die Zahl und dann haben alle anderen Wikipedien diese Zahl bei sich drin, die aktualisierte, und müssen nicht mehr selber die gleiche Arbeit machen. Das heißt, sie können sich auf andere Sachen konzentrieren, wie Artikel schreiben zum Beispiel."
Killer: Ist aber ein bisschen kompliziert, der Umgang mit der Datenbank, mit Wikidata, und deshalb gibt's dazu Workshops. Und einige wollen mit Wikidata jetzt noch was anderes machen. Sie wollen semantische Wörterbuch-Informationen reinpacken. Also: Das deutsche Wort "Leiter" ist schwer, ins Englische zu übersetzen. Ist das Ding mit den Stufen gemeint, heißt's ladder. Der Chef heißt chief oder leader. Und das Material, durch das Strom fließt, heißt conductor. Also das hat was, das Konzept. Aber was damit anfangen für die Wikipedia? Wird sich finden, sagt Charlie Kritschmar.
Kritschmar: "Wir gehen davon aus, dass die Menschen ihre eigenen coolen Projekte haben, die sie damit umsetzen können. Das ist bei WikiData schon der Fall gewesen und das Hoffen wir für die lexikografischen Daten auch. Wir stellen sozusagen die Lego Bausteine bereit und die Leute bauen sich damit ihre Schlösser."
Mit natürlicher und nicht mit künstlicher Intelligenz
Kloiber: Spielt denn auch künstliche Intelligenz eine Rolle bei den Werkzeugen, die die Wikipedia-Community für sich entwickelt?
Killer: Also nicht in dem Sinne, dass Software-Roboter Artikel schreiben würden, hat mir Lukas Werkmeister von Wikimedia gesagt. Zumindest die deutschsprachige Community lehnt das strikt ab. Artikel schreiben ist das Höchste für einen Wikipedianer und sollte deshalb Menschen vorbehalten bleiben. Dieser Ansicht ist man hier. Und das geht auch, weil's realtiv viele Autoren gibt, die deutsch schreiben.
Lukas Werkmeiser: "Es gibt viele Wikipedien mit viel kleineren Sprachgemeinschaften, die sich über jede automatisierte Hilfe freuen. Und für die haben wir den Artikel-Placeholder entwickelt, der aus den Daten, die wir in WikiData haben, eine Sammlung von grundlegenden Informationen über einen Artikel zusammenstellt, kein vollständiger Artikel, aber vielleicht eine Basis aufgrund der jemand dann einen richtigen Artikel schreiben kann. Und sonst ist es auch schon nützlich für jemanden der Information sucht."
Killer: Also richtige Wikipedia-Artikel werden mit natürlicher und nicht mit künstlicher Intelligenz geschrieben. Aber Zeiten, in denen jedes Handy eigenständig vor sich hinplappert, die wären doch eigentlich reif dafür, dass man fragt und Wikipedia antwortet. Es ist zwar schön, einen guten Artikel von vorne bis hinten zu lesen. Aber manchmal will man halt bloß ein Detail wissen.
Lukas Werkmeiser: "Es gibt ein Projekt einer französischen Forschungsgruppe namens "Ask Platypus", was eine Frage in Textform entgegen nimmt und versucht zu beantworten mithilfe von WikiData. Was zu einem vollständigen Siri-System noch fehlen würde wäre dann eben die Spracherkennung. Aber da gibt es auch schon freie Ansätze."
Killer: Also sowas gibt's, aber es ist noch nicht sehr weit gediehen. Man kann es nicht einfach einsetzen wie Siri, Alexa oder Google-Home. Praktisch genutzt hingegen wird künstliche Intelligenz von den Leuten, die die Bearbeitungen checken, die in Wikipedia gemacht werden, also die überprüfen: Ist da was verbessert worden, oder ist im Gegenteil im Nachhinein aus Versehen etwas Falsches reingeschrieben worden oder will da sogar jemand mit Absicht Unsinn verbreiten. Wenn man sowas oft macht, dann lernt man, dann entwickelt man ein Gefühl für die Motive, die Leute haben, die was schreiben. Sowas Ähnliches kann künstliche Intelligenz auch. ORES heißt das Tool, das Wikipedia-Sichter und -Editoren einsetzen.
Lukas Werkmeiser: "Wir haben dieses System, wo die Wikimedia-Beitragenden erst einmal einordnen, verschiedene Bearbeitungen, ob die jetzt gut gemeint sind schlecht gemeint sind, gut durchgeführt sind schlecht durchgeführt, sind sie Vandalismus? Und das System kann daraus lernen, wie gute und schlechte Bearbeitung aussehen. Und das dann auch bei anderen Bearbeitungen anwenden und dem Nutzer schon sagen, diese Bearbeitung ist höchstwahrscheinlich Vandalismus, schauen Sie sich die mal genauer an. Und diese hier ist vermutlich in Ordnung."
Hauptbeschäftigung: Editieren
Killer: Die Entscheidung trifft der Editor, der Mensch. Aber künstliche Intelligenz, ein lernendes System, das bereitet sie vor.
Kloiber: Editieren ist die Hauptbeschäftigung der Wikipedianer. Artikel müssen aktualisiert, korrigiert und ergänzt werden. Und welche, in denen Unsinn steht, Verschwörungstheorien etwa, die werden gelöscht. Das führt zu Konflikten. Und Wikipedia wird denn auch in den sozialen Medien scharf attackiert - so wie Presse, der Staat und das ganze vermeintliche, sogenannte System. Einhergehend mit der allgemeinen politischen Entwicklung haben sich die Angriffe auf Wikipedia in jüngster Zeit verschäft:
"Wikipedia ist überall. Und jetzt haben die sozialen Netzwerke Facebook und Youtube begonnen, bei problematischen Clips und Postings zu den entsprechenden Wikipedia-Beiträgen zu verlinken. Sie tun dies, um Verschwörungstheorien Wissen entgegenzusetzen und um gegen Fake News vorzugehen.
Entsprechend findet die Auseinandersetzung um Wikipedia-Artikel nicht mehr nur auf den Seiten des Online-Lexikon statt, sondern überall im Netz. Der Ton ist meist unsachlich. Als "Lügenlexikon" etwa wird Wikipedia geschmäht in Anlehnung an den rechtspopulistischen Slogan von der "Lügenpresse." Einige Publikationen widmen sich fast ausschließlich dem Kampf gegen Wikipedia. Eine "Gruppe 42" publiziert die Video-Serie "Geschichten aus Wikihausen, was an den Lügenbaron Münchhausen erinnern soll. Und auch ein zweistündiger Film mit dem Titel "Die dunkle Seite der Wikipedia" ist bereits produziert worden.
Der Online-Enzyklopädie wird oft vorgeworfen, Teil einer "Transatlantik-Mafia" zu sein, oder etwas feiner formuliert: eines "transatlantischen Elite-Netzwerks". Die Anti-Wikipedia-Sites sind teils einschlägig wie etwa KenFM des umstrittenen Video-Bloggers Ken Jebsen oder die russische Auslandspublikation sputnik. Aber auch die kritisch-liberale Telepolis des Heise-Verlags und die Nachdenkseiten des ehemaligen Kanzlerberaters Albrecht Müller veröffentlichen bisweilen dezidiert Wikipedia feindliche Artikel.
Kloiber: Also, der Wind wird rauer. Wie reagiert denn die Wikipedia-Community auf die aktuellen Angriffe, Achim?
Killer: Also erstaunlicher Weise überhaupt nicht. Ich hab viel rumgefragt, bis ich auf den Nutzer Lantus gestoßen bin. Der hat vor kurzem Empörung auf Youtube ausgelöst, weil er einen Lexikon-Eintrag zu einer Sendereihe von Russia Today Deutschland gelöscht hat.
(Alias) LANTUS: "Das war einer von verschiedenen Artikeln die neu angelegt worden sind. In diesem Fall war das eine Sendung von Russia Today Deutschland und diese Sendung war nicht relevant nach den Kriterien von Wikimedia. Deswegen habe ich es zur Löschung vorgeschlagen. Und diese Löschung wurde dann einige Tage diskutiert und der wurde dann auch Folge geleistet von einem Administrator, also einem Benutzer mit erweiterten Rechten. Weil erkannt wurde, dass das keine Bedeutung für die deutschsprachige Wikipedia hat."
Aktuelle Aufregung zieht vorbei
Killer: Lantus sagt, sein Löschantrag habe mit Politik nichts zu tun gehabt. Über Russia Today gibt's einen Artikel in Wikipedia mit einem langen Abschnitt über den deutschen Ableger des Senders. Aber ein eigener Artikel über eine einzelne Sendereihe das sei halt doch etwas übertrieben. Also an den Wikipedianern geht die aktuelle Aufregung ziemlich vorbei. Es ist auch bezeichnend, dass ganz offenkundig weder Facebook, noch Youtube bei Jemanden von Wikipedia nachgefragt haben, ob sie Lexikon-Artikel gegen FakeNews und Verschwörungstheorien verwenden dürfen. Da muss auch niemand fragen. Das ist freies Wissen. Und damit kann jeder machen, was er will.
Kloiber: Und dieser Grundsatz – freies Wissen, mit dem jeder machen kann, was er will, der gehört mit zu den absolut unumstoßbaren Grundpfeilern des Wikipedia-Spirits. Doch andere Fragen, zum Beispiel ob die Webseite mit den vielen langen Artikeln das Kernelement der dieser Wissenssammlung sein wird oder ob in das Wissen über ganz andere Kanäle erschlossen wird, das ist eine von vielen Zukunftsfragen, die die Wikipedia-Gemeinde umtreibt. 2017 wurde deshalb ein Masterplan beschlossen, der beschreiben soll, wo Wikimedia, also die Organisation hinter der Wikipedia, hin will. Und in diesem Jahr sind die Gliederungen wie zum Beispiel die deutschsprachige Community aufgefordert, ihre Projekte und Idee zu diesem Zukunftsplan beizusteuern. Der Plan selbst heißt Wikimedia 2030 und mit Nicole Ebber von der Wikimedia Foundation habe ich über die Ziele darin gesprochen:
Nicole Ebber: "In diesem Projekt geht es darum, wie wir uns eigentlich Wikimedia im Jahr 2030 vorstellen, also das Wikimedia unsere Träume sozusagen. Wie würde das aussehen? Wie müssen wir uns verändern? Wie können wir uns aufstellen für unsere Zukunft? Also die strategische Ausrichtung für 2030. Wofür wollen wir im Jahr 2030 bekannt sein und was wollen wir alles gemeinsam aufbauen und erreicht haben? Diese Ausrichtung lautet, dass Wikimedia zur essenziellen Infrastruktur im Ökosystem des freien Wissens werden möchte. Und alle die unsere Vision teilen, sollen auch in der Lage sein uns anzupassen. Das ist das erste Mal, dass sich Wikimedia eigentlich auch dazu bekennt: Wir sind viel mehr als die Wikipedia oder die Projekte. Wir sind tatsächlich eine große Bewegung, die gemeinsam mit unserem Ökosystem, also mit unseren Partnern und den Communities und unterschiedlichen anderen Organisationen, die sich für freies Wissen einsetzen, eine gemeinsame Mission haben, die sie auch erfüllen möchten."
Kloiber: Bleiben wir mal bei dem, was 2030 von Wikipedia oder von Wikimedia also auch den anderen Projekten nach außen hin sichtbar sein soll. Womit soll denn Wikimedia 2030 von normalen Internet-Usern assoziiert werden?
Nicole Ebber: "Ja, das ist das, woran auch gerade noch gearbeitet wird, wo jetzt eben die Herausforderung besteht, was heißt das eigentlich? Wir wollen zur essenziellen Infrastruktur im Ökosystem des freien Wissens werden. Aber wie finden wir jetzt eigentlich heraus wie wir dahin kommen? Das ist eben das was jetzt gerade in den unterschiedlichen Organisationen in dem Prozess passiert. Werden im Jahr 2030 die Leute überhaupt Wikipedia noch kennen? Es kann zum Beispiel auch sein, wenn wir sagen, wir wollen so eine Art Service-Infrastruktur sein, dass wir ein Service anbieten für unterschiedlichste andere Organisationen und Unternehmen oder zum Beispiel für die Sprachassistenten, die es jetzt schon alle gibt. Bisher ist Wikipedia sozusagen das erfolgreichste Mittel um dahin zu kommen, aber was gibt's denn darüber hinaus und wer sind da unsere Verbündeten um dieses Wissen mehr Menschen auf der Welt zugänglich zu machen?"
Wissen für strategische Partner
Kloiber: Sie sagen, sie überlegen sich auch, ob man zum Beispiel das Wissen einfach strategischen Partnern zur Verfügung stellt. Wer könnte das denn sein? Sie haben Sprachassistenten gesagt. Heißt das, dass Wikimedia demnächst sein Wissen eben tatsächlich Google und Amazon zur Verfügung stellt?
Nicole Ebber: "Das passiert ja heute schon. Also erstmal kann jeder Mensch und jede Maschine und jede Organisation auf der Welt den Content benutzen. Was für uns wichtig wäre ist, dass nicht nur die Inhalte benutzt werden, sondern dass auch im Optimalfall Dinge zu uns zurückkommen. Weil Wikimedia und die freien Wissens-Projekte können eigentlich nur bestehen, wenn Leute bei uns mitmachen."
Kloiber: Und sie haben keine Angst, dass Leute dann sagen würden 'Ich habe keine Lust Content zu generieren für Alexa oder für Google?
Nicole Ebber: "Ja, also die Befürchtungen, natürlich sind die jetzt auch nicht ganz unberechtigt. Kann natürlich sein, dass man sagt, wenn andere Unternehmen daran verdienen, dann mache ich nicht mit. Aber das war bisher ja immer schon so. Also, Wikipedia steht unter einer freien Lizenz und ja, wenn da jemand mit Geld machen möchte, dann ist es eben das, was ich in Kauf nehme dafür, dass die Inhalte weiterverbreitet werden."
Kloiber: Nicole Ebber von Wikimedia Deutschland zum Masterplan 2030 für die Internet-Enzyklopädie. Herzlichen Dank. - Achim, was steht denn heute noch an, auf der Wikicon?
Killer: Na ja, die Wikipedianer sind Enzyklopädisten, aber sie bilden auch eine Community, früher hätte man gesagt einen Verein. Und jetzt kommt eben, was quasi nach der Hauptversammlung des Vereins am Samstag Abend unvermeidlich ist.
Kloiber: Gibt es ein gemütliches Beisammensein?
Killer: Genau. Ein gemütliches Beisammensein und die Ehrung verdienstvoller Mitglieder. WikiEule nennt sich das, eine Auszeichnung in Form einer wissenden Eule, die wird heute Abend verliehen. Das heißt nicht eine, sondern gleich 20, wenn ich richtig gezählt hab - für vereinstypische Aktivitäten, eine Orga-Eule, eine Eule für die Nachwuchsförderung und – wahrscheinlich die wichtigste – die Fleiß-Eule.
Kloiber: Achim Killer von der WikiCon 2018 aus St. Gallen. Herzlichen Dank.