Der US-Geheimdienst NSA spähte nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks Teile der Bundesregierung aus. Das geht aus Unterlagen hervor, die dem Rechercheverbund von NDR, WDR und "Süddeutschen Zeitung", vorliegen und inzwischen auch im Internet zugänglich sind. Bislang war lediglich bekannt, dass die NSA das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abhörte. Das hatte zu Spannungen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen geführt. An der jetzt bekannt gewordenen Aktion soll auch ein britischer Geheimdienst beteiligt gewesen sein.
Die Unterlagen zeigen laut Rechercheverbund unter anderem, dass sowohl der Berliner Telefonanschluss des Bundeswirtschaftsministers als auch seine Fax-Nummer auf der NSA-Überwachungsliste stehen, außerdem der Anschluss seines Büroleiters. Diese Liste stamme offenbar aus der Zeit von 2010 bis 2012. In dem Zeitraum waren die FDP-Politiker Rainer Brüderle (bis Mai 2011) und danach Philipp Rösler im Amt.
Auch aktuelle Anschlüsse sind auf Selektorenliste
Zu den Spionagezielen der National Security Agency (NSA) gehörten laut Bericht zufolge bereits seit den 90er-Jahren nicht nur das Wirtschafts, sondern auch das Finanz- und das Landwirtschaftsministerium. Zudem gehe aus den Dokumenten hervor, dass sich die NSA vor allem für die Währungs- und Handelspolitik interessiert habe. Das ergebe die Analyse einer 69 Nummern umfassenden Liste mit Suchbegriffen. Es gehe sowohl um früher als auch um aktuell überwachte Anschlüsse.
Aufgeführt sind den Angaben zufolge beispielsweise die Bonner Büronummer des damaligen Finanzministers Oskar Lafontaine. Die Nummer sei heute noch aktiv und leite ins Vorzimmer des aktuellen Finanzministers Wolfgang Schäuble, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Überwacht worden sei auch die damalige parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks. Sie ist heute Bundesumweltministerin. Auf der Liste stünden zudem die Nummern der kompletten Führungsebene des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Ein Sprecher der Bundesregierung wollte den Bericht nicht kommentieren. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert ihn mit den Worten: "Ohne nähere Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhalts ist der Bundesregierung eine Bewertung derzeit nicht möglich." Erst in der vergangenen Woche hatte Wikileaks Dokumente über NSA-Lauschangriffe auf drei französische Staatspräsidenten veröffentlicht.
(hba/stfr)