Dass Ausspähen unter Freunden "gar nicht gehe", mit dieser Aussage vom Oktober 2013 hat Angela Merkel offenkundig nicht nur den Bundesnachrichtendienst überrascht. Auch international ist das Ausspionieren von Politikern und Spitzenbeamten, auch unter Verbündeten, lange Zeit gängige Praxis gewesen. Wikileaks veröffentlichte heute Details zu NSA-Überwachungsaktionen gegen italienische, österreichische, französische, belgische und Schweizer Ziele, Letztere betrafen die UN und die Welthandelsorganisation WTO sowie ein NATO-Mitarbeiter.
Ziele jahrelang überwacht
Alle außer einer der Zielnummern seien heute noch in Betrieb, heißt es in den die Wikileaks-Enthüllung begleitenden Veröffentlichungen. Die Selektoren für diese Nummern sind den Veröffentlichungen zufolge teils 2002, teils in den nachfolgenden Jahren in die Zieldatenbank aufgenommen worden. Wikileaks veröffentlichte nicht nur die Selektoren und ihre Beschreibung, sondern auch Auszüge aus zugehörigen sogenannten Meldungen: die Analysten des Special Collection Services, einer gemeinsamen Spezialgruppe von NSA und CIA verschriftlichen ihre Erkenntnisse aus abgefangener Kommunikation in solchen Dokumenten.
Diese NSA-internen Meldungen, die nun veröffentlicht wurden, betreffen unter anderem einen Deutschen: den damaligen Beauftragten der Bundeskanzlerin für die Weltwirtschaftsgipfel und Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach. Deutschland hatte 2007, rund um den G8-Gipfel in Heiligendamm, den Vorsitz der G8 inne – 2008 folgte der japanische Vorsitz. Eine Meldung fasst ein Gespräch Pfaffenbachs mit seinem japanischen Kollegen Masaharu Kono zusammen – darin ging es um die Erwartungen zu diplomatischen Fortschritten bei der Abschwächung des Klimawandels.
Merkel-Telefonat mit Ban Ki Moon abgehört
Eine weitere NSA-Meldung betrifft ein Gespräch zwischen dem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und Angela Merkel. Auch bei dieser Meldung von 2008 ging es um diplomatische Bemühungen rund um den Klimawandel.
Ähnliche Ausspähvorwürfe betrafen im vergangenen Jahr auch den Bundesnachrichtendienst: Er soll jahrelang unter anderem in der Europäischen Union Politiker und Beamte in seinen Ziellisten geführt haben. Diese Praxis soll nun beendet sein.
Nach dem Vorwurf des Ausspähens des Merkel-Mobiltelefons hatte US-Präsident Barack Obama 2013 der Bundeskanzlerin versichert, dass sie derzeit und in Zukunft nicht Ziel der US-Nachrichtendienste sei. Diese Zusage Obamas ist für seine Amtsnachfolger nach Ende seiner Amtszeit im kommenden Frühling nicht bindend.