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Ein Wildtier kehrt zurück
Der erbitterte Streit um den Wolf

Etwa seit der Jahrtausendwende ist der Wolf zurück in Deutschland und er vermehrt sich stark. Manchen Nutztierhaltern und Jägern ist der Bestand deutlich zu groß, sie fordern, dass der Wolf bejagt werden darf. Doch die Bundesregierung verweist auf europäische Richtlinien, die das Tier unter besonderen Schutz stellen.

Von Anja Nehls | 09.08.2022
Ein Wolf steht im Wald
Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Wolf als ausgestorben. Ungefähr seit der Jahrtausendwende ist er wieder da. (picture alliance/dpa/Swen Pförtner)
So heult der Wolf im Wildpark Schorfheide, nördlich von Berlin. Imke Heyter leitet hier das Wolfinformationszentrum Brandenburg und kümmert sich um über ein Dutzend Wölfe, die für Besucher und zu Forschungszwecken auf riesigen Flächen gehalten werden. Informieren will sie aber vor allem über die Wölfe in Freiheit , denn die meisten Wölfe in Deutschland leben in Brandenburg.

„Aus Wolfsaugen ist es in Brandenburg total toll und überhaupt in Deutschland. Da hat man genug zu fressen, man steht unter Schutz, man hat Platz. Wir sind alle dabei, das erste Mal dabei, wie so eine große Tierart seinen ursprünglichen Lebensraum zurückerobert. Aus meiner Sicht darf er das. Und ich glaube, dass wir über kurz oder lang auch vor einer ethischen Frage stehen werden in Deutschland, wieviel Wildtier erlauben wir uns.“

Kein Wolf hat in Deutschland einen Menschen angegriffen

Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Wolf als ausgestorben. Ungefähr seit der Jahrtausendwende ist er wieder da und vermehrt sich inzwischen jährlich um 30 Prozent. Inzwischen gibt es laut Wolfsmonitoring-Bericht des Bundesamts für Naturschutz 157 Rudel, 27 Paare und 19 Einzeltiere. Wie viele Wölfe das nun insgesamt sind, da gehen die Angaben weit auseinander: Zwischen 400 und 3.000, je nachdem ob man nur erwachsene Wölfe zählt oder auch Jungwölfe und je nachdem ob man Wolfgegner oder Wolfbefürworter fragt. Denn der Wolf polarisiert wie kein anderes Tier– auch die Besucher im Wildpark Schorfheide.

„Ich finde, der gehört auch dazu, zur Kulturlandschaft. Bei der Menge muss man ein bisschen aufpassen, das darf nicht überhandnehmen, da muss man ein bisschen regulieren.

„Wir lieben alles, was an Wildtieren unterwegs ist.“

„Also ich glaube, dass das eher scheue Tiere sind und dass die für den Menschen nicht gefährlich sind, jedenfalls nicht in unserer Zeit.“

In Deutschland hat bisher noch kein Wolf einen Menschen angegriffen. Weltweit gab es in den vergangenen 20 Jahren knapp 500 Wolfsangriffe auf Menschen, davon 26 tödliche, der größte Teil allerdings in Zusammenhang mit Tollwut.
Der Wolf jagt in der Regel das, was er am leichtesten bekommt: Rehe und Frischlinge, aber eben auch Schafe, Ziegen und Kälber. Ein Wolfsrudel besteht in der Regel aus fünf bis zwölf Tieren, die strategisch und arbeitsteilig jagen, ihre Beutetiere ablenken und dann instinktgesteuert solange töten, bis sich nichts mehr bewegt. Wenn Schafe auf der Weide nicht wegrennen, können auch schon mal über 40 bei einem einzigen Angriff draufgehen.

Chris Rohrbeck ist Nebenerwerbslandwirt. Jetzt steht er fast in Sichtweite von Potsdam und Berlin vor einer leeren Koppel. Bis zum letzten Sommer lebten hier seine 30 Schafe. Aber dann kam der Wolf und eines Morgens waren sie einfach weg, erinnert sich Rohrbeck.

„Dann habe ich meine Gruppe dahinten im Wald irgendwo stehen sehen, also die restlichen und bin auf die Koppel und habe gesehen, da liegt eins, zwei, drei, vier, fünf sechs. Und fünf davon hatten einen Kehlbiss, also die waren nachweislich vom Wolf getötet und eins wurde insofern verwertet vom Wolf, als dass die Keule gefressen wurde, also ein Hinterbein und die Innereien. Und der Rest lag hier rum. Beim ersten Riss musste ich noch eins erlösen und beim zweiten Riss musste ich noch zwei erlösen und eins noch suchen im Wald, das habe ich einen Tag später gefunden, und das musste ich dann auch noch erlösen.“

Chris Rohrbeck hat das auch emotional nicht mehr ausgehalten und die Schafhaltung aufgegeben. Zwar werden Tierhalter in Deutschland für vom Wolf gerissene Tiere entschädigt, aber es gehe ihm nicht ums Geld. Er wollte mit den Schafen für Nachhaltigkeit und Biodiversität in seiner Heimat sorgen.

„Das sind sozusagen die letzten Lebensretter für so eine Fläche. Weil unsere konventionelle Landwirtschaft hat hier in 30 Jahren einfach mal nur Sand hinterlassen. Und Schafe sind eigentlich eine super Möglichkeit, solche Flächen ökologisch einfach zu pflegen, zu nutzen und da sogar noch ein Produkt rauszuziehen, mehrere. So, das ist alles nicht mehr machbar.“
Ein vom Wolf gerissenes und getötetes Schaf liegt auf einer Wiese.
Der Wolf jagt in der Regel das, was er am leichtesten bekommt: Rehe und Frischlinge, aber eben auch Schafe, Ziegen und Kälber (Martin Just)

Entschädigung für die Besitzer gerissener Tiere

Ungefähr 4.000 Tiere hat der Wolf im vorvergangenen Jahr in Deutschland gerissen, die weit überwiegende Zahl davon Schafe, aber auch Ziegen, Rinder und Pferde. Mit über 800.000 Euro sind die Besitzer für die gerissenen Tiere entschädigt worden. Geld gibt es aber nur, wenn ein Rissgutachter feststellt, dass eindeutig der Wolf und nicht etwa ein Hund am Werk war und wenn Tierhalter nachweisen können, dass sie ihre Herden mit Zäunen geschützt haben, die bestimmten Anforderungen genügen. Bei Chris Rohrbeck war alles tiptop. Der Zaun steht immer noch: 1,40m hoch, mit fünf Reihen Elektrodraht:
„Der Zaun war hier schon immer so gewesen, der war schon immer fünf-litzig. Abstand vom Boden sind hier zehn Zentimeter oder so, hier waren immer 5.000 Volt drauf. Hier wächst ja auch nichts, der ist ja dauerhaft frei, ist ja nicht so, dass hier irgendwie Strom abgeleitet wird, wir haben uns drum gekümmert, war alles in Ordnung, Wolf hat sich gesagt, interessiert mich nicht, kann ich irgendwie überwinden.“

Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune oder Herdenschutzhunde und deren Unterhalt werden durch die Länder gefördert, allerdings unter unterschiedlichen Bedingungen und in unterschiedlicher Höhe: 2020 mit insgesamt 9,5 Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr hat allein das Land Niedersachsen über vier Millionen Euro für den Schutz von Weidetieren vor Wölfen ausgegeben. Seitdem sind dort die Wolfsrisse zurückgegangen, in anderen Ländern haben sie zugenommen. In Brandenburg hat der Wolf allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres außer 700 Schafen auch 150 Rinder getötet, meist Kälber, in NRW inzwischen sogar mehrere Ponys. Viele Tierhalter haben aufgegeben oder behalten ihre Tiere im Stall, sagt Soenke Lauterbach von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.

„Wir sind mittlerweile ich einer Situation, dass viele Pferdehalter ihre Tiere nachts oder auch tagsüber nicht mehr auf die Weide oder auf den Paddock bringen, weil sie sich nicht trauen, denn sie sehen die realistische Gefahr von Wolfsangriffen und Wolfsrissen. Damit handeln wir eigentlich tierschutzwidrig, denn es gehört zum Anrecht unserer Pferde, dass sie draußen gehalten werden können.“
Pferde auf einer Weide im Morgengrauen
Viele Pferdebesitzer trauen sich inzwischen nicht mehr, ihre Tiere auf der Weide zu lassen - aus Angst vor dem Wolf (imago)

Der Hund: effektiver Schutz vor dem Wolf

Das ist eigentlich auch politisch gewollt: Tierhaltung im Freien, mit Bewegung und frischer Luft, sowohl für Pferde, als auch für Nutztiere, sagt Manuela Rottmann, Staatssekretärin im grün geführten Bundeslandwirtschaftsministerium. Sie kündigt ab 2023 sogar eine Prämie für Tiere an, die auf der Weide gehalten werden - und wirbt dabei für noch mehr Herdenschutz.

„Wir wollen die Weidetierhaltung, das ist eine artgerechte Form der Tierhaltung und wir müssen diesen Zielkonflikt bewältigen. Der Wolf gehört zu Deutschland und wir müssen ihn schützen. Aber man muss nicht drum herumreden, der Herdenschutz ist ein großer Aufwand für die Weidetierhalter.“

Aber ein Aufwand, der sich lohnt und häufig aus Faulheit nicht geleistet wird, sagt der Brandenburger Schäfer Knut Kucznik und hat sich damit unter seinen Schäferkollegen viele Feinde gemacht. Er zeigt auf vier große weiß-zottelige Hunde inmitten seiner Herde, hinter einem vergleichsweise niedrigen Zaun aus Elektronetzen.

„Mir ist der Wolf so richtig völlig egal. Mir ist nur der Wolf nicht egal, der hier meine Netze überwinden würde und da ich vernünftige Hunde habe, sind die Schafe nicht in Gefahr. Ich habe noch niemals ein totes Schaf gehabt, also nicht durch den Wolf.“

Außer im Hochgebirge oder am Meer, wo es Ebbe und Flut gibt, seien Hunde ein effektiver Schutz vor dem Wolf, so Kucznik, der diese Hunde auch züchtet und verkauft. 6.000 Euro kostet ein ausgebildeter Herdenschutzhund, dazu zweieinhalbtausend pro Jahr im Unterhalt. Die Nachfrage sei aber gering, denn nicht überall werden diese Kosten komplett vom Land bezahlt. Und: Wer solche Hunde einsetzt, muss eine Schulung machen und Verantwortung und Mehrarbeit auf sich nehmen. Herdenschutzhunde lohnen sich deshalb nicht für Hobbytierhalter oder Nebenerwerbslandwirte, funktionieren nur selten bei Rindern oder Pferden und sind stellenweise wegen der Gefährlichkeit für Menschen zum Beispiel am Elbdeich in Schleswig-Holstein bereits verboten worden. Für Deichschäfer Kay Krogmann kommen Hunde wegen der vielen Spaziergänger auch nicht infrage. Er hat bei Cuxhaven mit seinen Tieren die Deiche für den Küstenschutz gepflegt und bei mehreren Wolfsangriffen Dutzende Schafe verloren.

„Und wenn es dann halt um Entschädigungen oder irgendwas geht, dann heißt es wieder, du hast nichts richtig gemacht, du hast hier verkehrt gemacht, du hast da verkehrt gemacht, so nach dem Motto, kauf dir Zäune, kauf dir Hunde, das Problem Wolf ist gelöst. Man setzt uns beim Wolf so einem hohen Druck aus auf Seiten der Politik, das kann man nicht mehr tragen und nicht mehr schultern.“
Ein Rothirsch mit Geweih steht auf einer Wiese, im Hintergrund sieht man einen Hochsitz.
In Sachsen darf ein Jäger einen verletzten Wolf erlösen - grundsätzlich ist das Tier streng geschützt (imago images / blickwinkel)

Niedersachsen will den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen

Ende des vergangenen Jahres hat Kay Krogmann aufgegeben. Verständnis finden Tierhalter wie Krogmann inzwischen beim niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies, SPD. In Niedersachsen hat die Zahl der Wölfe im vergangenen Jahr um 50 Prozent zugenommen, mehrere niedersächsische Wolfsberater haben ihr Amt hingeschmissen, weil sie nicht mehr wussten, was sie verzweifelten Tierhaltern eigentlich noch raten sollten. Die Zahl der Wölfe sei einfach zu groß, und die übrige Natur leide, so Lies. „Wir können nicht das ganze Land einzäunen, das kostet viel zu viel und das schadet der Artenvielfalt und der Vernetzung der Biotope.“
Niedersachsen will den Wolf jetzt ins Jagdrecht aufnehmen. Um ihn dann auch schießen zu dürfen, müsste allerdings auch von der EU rechtlich der Weg dafür freigeräumt werden. In Sachsen ist der Wolf bereits im Jagdrecht, hat aber eine ganzjährige Schonzeit. Das bedeutet, dass Jäger einen verletzten Wolf wenigstens erlösen dürfen. Grundsätzlich ist der Wolf aber streng geschützt, u.a. durch die europäische FFH, also Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Diese Richtlinie wird in Deutschland im Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt und das bedeutet: das Schießen eines Wolfes ist ein Straftatbestand. Aus gutem Grund, sagt Manuela Rottmann vom Bundeslandwirtschaftsministerium.

„Wir erhoffen uns auch positive Auswirkungen auf andere Arten, die mit ihm zusammenleben, auf Aasfresser. Und wir erhoffen uns eine Auswirkung auf das Gleichgewicht von Wald und Wild, was wir dringend verbessern müssen.“

Da ist Dirk Wellershoff anderer Meinung. Er ist Jäger und Vorsitzender des Brandenburgischen Jagdverbands. Er sehe in seinem Revier kaum noch Rehe, dafür jede Menge Wölfe.

„In Brandenburg werden um die 60.000 Rehe mittlerweile von den Wölfen gefressen. Sie sind dramatisch reduziert und je weniger da sind, desto weniger sieht man, und die wenigen die da sind, vermeiden die Offenflächen, weil die werden natürlich sofort vom Wolf da auch genommen.“
Dirk Wellershoff möchte den Wolf in seinem Revier erhalten, aber er wünscht sich, dass er so behandelt wird wie jedes andere Wildtier.

„Das bedeutet, dass die Jäger im Jagdrecht verantwortlich für den Wolf sind. Und wir sind diejenigen, die draußen in der ganzen Fläche vertreten sind, die das Wild ja auch zählen und beurteilen und die Abschussplanung entsprechend gestalten. Das einzige, was in Brandenburg möglich ist, ist ja die amtlich angeordnete Entnahme für Problemwölfe.“

Also von ganz bestimmten Wölfen, die mehrfach Weidetiere getötet und dabei gelernt haben, Zäune zu überspringen und das an die Nachkommen weitergeben würden. Die Anordnung, so einen Wolf zu erschießen, gab es seitdem der Wolf wieder in Deutschland ist ganze acht Mal. Nicht immer hat der Schütze dabei auch den richtigen Wolf erwischt. Nicht nur dann kann er Ärger bekommen. Das Land Niedersachsen erteilt Abschussgenehmigungen inzwischen weitgehend geheim und Aufträge an Jäger anonym, weil diese von Tierschützern massiv bedroht wurden. Umweltminister Olaf Lies möchte in der Wolfsverordnung des Landes Niedersachsen eine Obergrenze für Wölfe festlegen, erklärte er im NDR - und hat sich damit bereits viel Kritik eingehandelt.

„Wo ist die Grenze an Wölfen, die wir dringend brauchen, damit die Population nicht gefährdet wird, also die sogenannte Untergrenze. Und wo ist eigentlich die Grenze, die wir nicht überschreiten dürfen, damit wir die Akzeptanz in der Gesellschaft nicht verlieren. Und das heißt ja noch lange nicht, dass wir die Zahl schon festlegen. Aber wir müssen doch heute entscheiden, wie wir ab einer gewissen Größe damit umgehen“.

Der Wolf hat es bis in den Koalitionsvertrag geschafft

FDP, CDU und auch Teile der SPD haben immer wieder gefordert, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen und dann die Population durch Jäger kontrollieren zu lassen, betont Karlheinz Busen, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Jagd und Forst.

„Ich gehe davon aus, dass wir so zweieinhalbtausend bis 3.000 Wölfe in Deutschland haben. Und da müssen wir auch eine Obergrenze und wolfsfreie Gebiete festlegen, dass wir auf 1.000 Wölfe kommen und das ist völlig für Deutschland ausreichend“.

Darüber wird seit Jahren diskutiert. Jetzt hat es der Wolf immerhin schon bis in den Koalitionsvertrag geschafft, sagt Manuela Rottmann vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Was der dort formulierte Absatz aber wirklich bedeute, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Manuela Rottmann:

„Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass wir die Möglichkeiten prüfen, ob wir europarechtskonform regional differenzierte Bestandsmanagements für die Länder zur Verfügung stellen können, aber wie gesagt, da sind wir noch in der Prüfung, federführend ist dafür das Bundesumweltministerium.“

Und unter der grünen Umweltministerin Steffi Lemke arbeitet der ehemalige NABU-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Josef Tumbrinck im Ministerium als Unterabteilungsleiter Naturschutz. Er erteilt allen, denen die Population der Wölfe in Deutschland zu hoch ist, eine Absage.

„Ein Bestandsmanagement mit der Erwartung es gibt Obergrenzen, es gibt regionale Zahlen, wieviel es denn sein dürfen, alles was darüber hinausgeht, wird abgeschossen, ist nicht europarechtskonform. Das bedeutet, wenn ich Tiere entnehme, also schieße, dann muss das immer einen Grund haben, das sind dann immer Einzelabschüsse und das ist das, was in Deutschland eben auch passiert. Alles, was darüber hinausgeht, wäre nicht europarechtskonform.“

Davon geht Karlheinz Busen von der FDP-Bundestagsfraktion allerdings sehr wohl aus. Um den Wolf schießen zu dürfen, müsse man ihn innerhalb der europäischen FFH Richtlinie in eine niedrigere Schutzklasse eingruppieren lassen.

„Die FFH Richtlinie sagt auch ganz klar, wenn der Erhaltungszustand gesichert ist, kann der Wolf auch geschossen werden. Und der Erhaltungszustand ist mehr als gesichert bei uns in Deutschland.“

Josef Tumbrinck aus dem Bundesumweltministerium widerspricht. Noch gelte der Wolf in Deutschland aufgrund des Kriteriums „Verbreitung“ als gefährdet - weil er noch nicht überall so verbreitet lebt, wie er das theoretisch könnte, zum Beispiel im Bayrischen Wald oder in der Rhön.

Der Wolf hat keine natürlichen Feinde

Unterdessen wird der Wolf in anderen europäischen Ländern sehr wohl bejagt, obwohl es dort viel weniger Wölfe gibt als in Deutschland. Bereits bei der Verabschiedung der FFH Richtlinie 1992 haben manche Staaten Sonderregelungen durchgesetzt, für andere war das sogar Bedingung für den Beitritt zur EU. Ausnahmen vom generellen Wolfsabschussverbot gelten für die drei baltischen Staaten, Polen, die Slowakei und Bulgarien sowie für bestimmte Regionen in Finnland, Spanien und Griechenland. Wenn nicht nur der Wolf, sondern auch die Landschaft europarechtlich geschützt ist, wird es noch schwieriger. Im Naturschutzgebiet Oranienbaumer Heide in Sachsen-Anhalt wollte man eigentlich die Natur weitgehend sich selbst überlassen, was der Wolf vereitelt hat. Für die Erhaltung der halboffenen Weidelandschaft des ehemaligen Truppenübungsplatzes im Sinne der FFH Richtlinie sollen Koniks, also eine Ponyrasse, und Heckrinder sorgen. Deren Existenz war bedroht, als das ebenfalls dort lebende Wolfsrudel damit begann, die Fohlen und Kälber zu töten. Nun musste der NABU im Interesse seiner tierischen Landschaftspfleger in die natürlichen Abläufe eingreifen, sagt Stefan Reinhardt von der Primigenius gGmbH, einer Tochtergesellschaft des NABU.

„Also, das ist letztendlich eine Vermeidungsstrategie, wir sind dem Konflikt dadurch ausgewichen, dass wir an einem zweiten Standort Reproduktion betreiben. Da haben wir eine Reproduktionsfläche, die ist wolfssicher eingezäunt, da werden Fohlen und Kälber aufgezogen und bei Bedarf eben hier in die Heide umgesetzt.“   

Wenn sie groß genug und für den Wolf nicht mehr so interessant sind. Der Wolf selber hat keine natürlichen Feinde. Er steht an der Spitze der Nahrungskette. Die meisten Wölfe sterben, weil sie überfahren werden. Wölfe haben riesige Reviere, aber dennoch verträgt eine bestimmte Fläche auch nur eine bestimmte Anzahl von Wölfen, so Reinhardt. Hier in der Heide seien es aufgrund natürlicher Auslese seit Jahren ungefähr elf.

„Und die Wölfe, die leiden nun keineswegs an Futtermangel, die leiden aber zum Beispiel an Räude. Da gibt es also in der Natur diese Milbenerkrankung, die auch dazu führen kann, dass ein Wolf im Winter verstirbt, weil er einfach nicht ausreichend Fell hat. Das ist auch vorgekommen und auch in diesem Jahr sieht man Wölfe mit Räude und andere Wölfe haben sie eben nicht.“

Dass der Wolf eines Tages wieder ganz aus Deutschland verschwindet, fürchtet Imke Heyter vom Wolfinformations-zentrum Brandenburg in der Schorfheide allerdings nicht. Trotz aller Widrigkeiten, Gefahren, Abschussdiskussionen und Krankheiten.

„Die Natur hat ihre Regularien und die benutzt sie auch. Und wir sind manchmal nur zu dusselig, das zu verstehen. Ich finde, dass ein Wildtier durchaus eine Existenzberechtigung hat. Für mich ist ganz wichtig, dass mir klar ist, die Art Wolf in Deutschland hat es geschafft. Punkt.“