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Wildtiere in der Großstadt
Urbane Safari durch Köln

Sven Meurs fotografiert Wildtiere und Naturphänomene in der Stadt und will so für die Natur vor der eigenen Haustür begeistern. Er lädt zu "urbanen Safaris" ein, mitten in den Großstadt-Dschungel Kölns, wo Interessierte Artenvielfalt, Tiere, Pflanzen und Biotope hautnah erleben können.

Von Julia Batist |
    Das sind sie, die Halsbandsittiche, die sich inzwischen mitten in Wiesbaden eingenistet haben. Wirklich eine Bereicherung. Picture alliance / dpa / Frederik von Erichsen)
    Halsbandsittiche sind normalerweise in Mittelasien und Afrika zu finden. Mittlerweile leben sie zu zig Tausenden entlang der Rheinschiene und vermehren sich von Jahr zu Jahr. (picture alliance / dpa / Frederik von Erichsen)
    "Etwa ein Drittel der Grundfläche von Köln ist unbebaut und besteht aus Natur. Was glaubt ihr, was es so für Tiere gibt in der Stadt oder auf der Fläche von Köln?"
    Teilnehmer: "Waschbären, Wildschweine…"
    Sven: "Die werden wir sicherlich nicht hier im Park finden."
    Teilnehmer: "Marder?"
    Sven: "Marder, Fischreiher, Störche, Weißstörche zumindest, Enten, Tauben!"
    Sven Meurs ist zertifizierter Naturführer. Der 36-Jährige mit den blonden Locken hat eine Mission. Er will gestresste Großstädter zurück zur Natur bringen, ein Stück seiner Begeisterung weitergeben.
    "Wir gucken gleich mal, was wir wirklich sehen, so ist das bei einer Safari, ich kann Euch nichts versprechen."
    Tausende Halsbandsittiche entlang der Rheinschiene
    Zwanzig Leute sind heute dabei – von jung bis älter. Los geht es im Stadtgarten, einem kleinen Park im Zentrum Kölns. Ein zirpendes Rufen macht die Teilnehmer neugierig. Sie bleiben stehen und schauen in die Luft. In einer Baumkrone entdecken sie knallgrüne Vögel.
    "Wie heißt der? Halsbandsittich, genau. Wisst ihr wo der herkommt, was der hier macht? Aus dem Zoo? Genau, das ist nämlich der klassische Irrglaube, sag ich mal böse. Im Zoo gab es noch nie Halsbandsittiche. Der ist in den sechziger Jahren das erste Mal in Köln aufgetaucht. Den gibt’s überall mittlerweile in deutschen Städten entlang der Rheinschiene. Von Düsseldorf bis runter nach Karlsruhe. Die Tiere aus Köln und wahrscheinlich auch die Tiere aus Bonn, die kommen von einem privaten Züchter. Die sind früher so gehalten worden, wie Wellensittiche heutzutage und Nymphensittiche."
    "Kommen eigentlich aus Mittelasien, aus dem mittleren Afrika. Und irgendwann sind so 20, 30 frisch importierte Vögel aus der Volière ausgebrochen, diese Tiere haben eine unglaublich lange Lebensdauer, haben ein gutes Anpassungsverhalten und haben sich dann ganz schnell vermehrt. Und im Moment gibt es etwa so 1200 bis 1500 Tiere. So ab halb sieben, sieben, halb acht sammeln die Tiere sich alle und dann fliegen die auf einen einzigen Schlafbaum und verbringen da die Nacht."
    "Da kommen sie."
    "Das geht meistens so schnell, dass man nichts davon mitkriegt Da kommt er zurück."
    Mit Ferngläsern halten die Safari-Gäste Ausschau nach den grünen Vögeln in den ebenso grünen Baumkronen. Einige richten ihre Kameraobjektive in die Luft.
    "Ich hab die zwei gesehen, die raus geflogen sind. Nicht mit meinem Fotoapparat, nicht so schnell geschafft. Die waren zu schnell."
    Wildwechsel mitten in der Stadt
    Die Teilnehmer schauen sich neugierig um, zeigen auf Tiere, die sie im Park entdecken, tauschen sich aus.
    "Man will ja auch wissen, wo man hier so wohnt. Wenn man dann im Park liegt, nicht einfach so auf die Sonne gucken, sondern dann vielleicht auch mal dann Vögel beobachten."
    "Man denkt einfach, ok, das Grüne ist da. Wie facettenreich überhaupt, das verliert man vielleicht so ein bisschen."
    "Ich glaube schon, dass ich sonst durch die Stadt gehe und nicht nach den Tieren Ausschau halte.
    Sven Meurs bleibt vor der Gruppe stehen und zeigt auf eine Spur im Gebüsch.
    "Hier sieht man so ein bisschen, dass Tiere immer die gleichen Wege nehmen. Seht Ihr, dass hier ein Trampelpfad ist, der so schräg runter geht? Wo kein Laub liegt."
    Wildwechsel mitten in der Stadt – gleich neben Betonklötzen und Schnellstraßen.
    "Es gibt so ungefähr in der Innenstadt von Köln Tausend Füchse. Sind Schätzungen."
    Staunende Gesichter – mit einer solchen Population in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft haben die wenigsten gerechnet. Mitten in der Stadt gibt es vieles zu entdecken. Vorausgesetzt man lässt sich auf seine Umgebung ein.
    "Das da ist die Kohlmeise… und das ist der Fink."
    Fuchs, Nilgans, Fischreiher, Kormorane
    Es geht weiter durch die Stadt, vorbei an stark befahrenen, mehrspurigen Straßen. Mitten im Verkehrslärm zeigt Meurs auf ein kleines Loch in einem Ampelpfahl.
    "Da drin! Da wohnen Meisen, in Nippes, in der Südstadt überall gibt es das.
    Das ist für die Meise genau die richtige Größe, die baut hier ihr Nest drin."
    Die Truppe überquert eine große Metallbrücke, die über einen künstlich angelegten Stadtteich führt. Hier im Mediapark zwischen riesigen Bürobauten, einem der größten Hochhäuser Kölns und Mehrfamilienhäusern, verbirgt sich ein wahres Wildnis-Paradies.
    "Dann gibt’s hier einen kleinen Wasserfall. Dann sitzen hier hinter uns die Enten. Hier kommt die Nilgans direkt auf uns zu. Bachstelzen, Schwäne, hier kommt der Fischreiher früh morgens vorbei. Kanadagänse, da gibt es so treibende Flöße, auf denen diese gelben Wasserlilien stehen. Da sitzen auch die Kormorane drauf, die ihr Gefieder trocknen – diese großen schwarzen Vögel.
    Nilgänse sind echte Afrikaner, grau und rostbraun gefiedert und haben einen braunen Kreis um die Augen. Um den Hals zieht sich ein schokoladenbrauner Ring. Sie recken den Hals hoch und watscheln gemütlich über die Wiese.
    "Die kommen vom Nil, wie der Name schon sagt. Das sind sogenannte Neozoen, eingebürgerte Tiere. Da gibt es mittlerweile unzählige Arten. Die haben auch überhaupt keine Angst mehr. Dass die keine Angst haben, das liegt einfach daran, dass die gefüttert werden. Die ist total aggressiv, wenn es um das Brüten geht. Die vertreibt wirklich auch alle anderen Tiere."
    "Dahinten kommt eine Kanadagans angeschwommen."
    Der Besuch aus Kanada ist größer und wirkt durch den langen, schwarzen Hals und den schwarzen Schnabel imposant. Am Wasserrand ist einiges los. Rätselraten bei den Safari-Teilnehmern.
    "Ich dachte, das ist ne Bachstelze vielleicht. Ich bin mir aber nicht sicher. So wie er die beschrieben hat, schwarz-weiß, mit diesem Wedelschwanz. Ganz schön bunt hier."
    "Ich hab auch noch nie eine Hybrid-Ente gesehen. Geschweige denn eine Nilgans… auch wenn’s die scheinbar viel gibt, wir haben‘s noch nie gesehen."
    "Man hat das Gefühl man steht auf so einer Aue mitten im Wald – und dabei steht man aber im Mediapark, mitten in Köln."
    Hohlräume unter Kriegsschutt im Mediapark - Zufluchtsort für Kaninchen
    Hinter dem Mediapark geht es hinauf auf einen abgelegenen Hügel, den Herkulesberg. Fußwege führen durchs Grüne über Bahnschienen. Von einer Brücke aus kann man gut beobachten. Auf einem kahlen Baum gleich neben den Gleisen flitzt völlig unbeeindruckt von Lärm und Menschen ein Eichhörnchen hin und her.
    "Da ist es, da kommt es denn Ast hoch. Süß!"
    "Diese Erhöhung ist auch Kriegsschutt. Und da sind natürlich Hohlräume drin und das ist für die Kaninchen einfach da drin Höhlen zu finden."
    "Wenn ein Fuchs hier im Bau irgendwo wäre, würde man ihn eigentlich riechen. Der Fuchs der stinkt wie Sau. Dann würde man auch Spuren sehen, dann würde man jetzt auch Fraßreste sehen."
    Nach zwei Stunden Großstadtsafari scheint es, als sei der Funke übergesprungen. Sven Meurs hat seine Mission erfüllt und auch für die Teilnehmer hat sich die Tour gelohnt.
    "Ich werde jetzt in jedes Ampelloch reinschauen, ob da nicht vielleicht eine Meise sitzt. Das finde ich einfach das Schöne daran, dass es bestimmte Schlafbäume gibt oder Futterbäume – das wusste ich zum Beispiel alles gar nicht."
    "Man wird ja auch sensibilisiert für die ganzen Tiere, die hier leben. Vielleicht auch ein bisschen aufmerksamer wenn man das nächste Mal durch die Stadt läuft."
    "Der Blick wird so geschult und ich glaube das ist was, was auch bleibt. Man hat wirklich den Schalter umgelegt."