Die jungen Triebe der Bäume werden gerne von Rehen und Rotwild abgeknabbert, besonders die Spitzen von Laubbäumen. Um zu verhindern, dass das Wild die teuren Aufforstungen auffrisst, plant das Bundeslandwirtschaftsministerium derzeit eine Novellierung des Bundesjagdgesetzes. Konkret sollen Waldeigentümer und Jäger gemeinsam dafür in die Pflicht genommen werden, sagt Axel Heider, der zuständige Experte im Bundeslandwirtschaftsministerium:
"Beide Seiten sollen sich künftig jährlich eigenverantwortlich über einen Mindestabschuss für Rehwild verständigen. Wenn sie sich nicht einigen, wird die untere Jagdbehörde eingeschaltet. Sie muss dann die Mindestabschussquote festlegen."
Das Bundesjagdgesetz sieht bisher nur eine Höchstabschussquote vor. Allerdings enthält es bereits Sanktionen, wenn der Wildverbiss zu hoch ist. Dann können zuständige Behörden auch jetzt schon selbst jagen lassen. Eine Gesetzesänderung hin zu einer Mindestquote sei deshalb nicht ausreichend, sagt Heider: "Die Waldbesitzer und Jäger müssen Hand in Hand zusammenarbeiten."
Ohne Jagd seien die Bäume nicht ausreichend geschützt
Wird der Wildbestand nicht reduziert, müssten die Waldbesitzer - private wie staatliche - frisch bepflanzte Lichtungen oder auch einzelne Bäume schützen, etwa mit Wildzäunen. Wildzäune sind nicht nur teuer, sie müssen auch regelmäßig kontrolliert werden.
Dass es auch ohne Zaun geht, zeigen Waldbesitzer wie Lutz Freytag. Der Förster hat in Brandenburg rund 320 Hektar Wald, jagt selbst und ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft.
"In meinem Wald mache ich das so, dass ich möglichst störungsarm jage, das heißt, das Wild hat das ganze Jahr Ruhe, aber an zwei oder drei Tagen im Wald jage ich mit einem massiven Aufgebot an Jägern, und wir versuchen dann den Bestand zu reduzieren."
Ohne Jagd seien die Bäume nicht ausreichend geschützt, sagt er: "Das Wild ernährt sich eben von Knospen, denn im Winter wächst kein Gras und keine Blühpflanzen, und dadurch bleiben den Rehen und Hirschen nur Knospen an den jungen Bäumen. Es ist wirklich so, man kann es so deutlich sagen: Waldumbau geht nicht ohne Gewehr in Deutschland. Wir brauchen angepasste Schalenwildbestände und arbeiten nun mal nicht mit der Antibabypille."
Klöckners Plan könnte damit einen alten Streit neu entfachen. Die meisten der 384.000 Jagdscheininhaber sind im Deutschen Jagdverband organisiert. Der DJV erkennt zwar an, dass der Verbiss der jungen Bäume ein Problem ist. Seiner Ansicht nach ist aber nicht die Zahl der Tiere Ursache dafür. Geschossen werde mit über zwei Millionen Tieren pro Jahr genug, sagt Torsten Reinwald, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes:
"Das ist absoluter Rekord. Das heißt also, die Jäger machen schon ihre Hausaufgabe, die Jäger erlegen sehr, sehr viele Wildtiere. Also, wir Jäger sehen uns schon als Partner, als Partner der Förster. Die Formel Waldumbau mit dem Gewehr, das ist einfach viel zu kurz gedacht."
Fütterung nur in sehr kalten Wintern erlaubt
Wenn überhaupt mehr Jagd, dann solle sie konzentriert nur da stattfinden, wo massiv aufgeforstet wird, nicht aber flächendeckend. Wichtiger sei der Schutz der Pflanzen:
"Experten schätzen, dass wir in Deutschland in den nächsten Jahren etwa fünf Milliarden Bäume pflanzen müssen, um die Schäden der letzten beiden Dürrejahre auszugleichen. Wenn ich die Pflanzen einbringe, aktiv pflanze, dann muss ich die schützen, gegen schnellwachsende Brombeeren, gegen Farne, gegen konkurrierende Pflanzen, aber auch natürlich gegen Tiere. Das fängt von der Maus an und hört beim Hirschen auf. Wir wollen jetzt nicht großflächige Zäunungen haben, weil Zäunungen wieder Wildtiere ausgrenzen und damit natürlich auch den Lebensraum wegnehmen."
Mehrere Bundesländer sind allerdings angesichts der verbreiteten Wildschäden bereits gesetzlich aktiv geworden: Hessen hat Anfang 2019 eine Schalenwildverordnung erlassen, mit deren Hilfe das Wild reduziert werden soll. Thüringen hat gerade in seinem Waldgesetz neu vorgegeben, dass nahe den Schadensflächen die Zahl der Rehe und Hirsche wirksam reduziert werden muss. Zudem ist die Fütterung nur in sehr kalten Wintern erlaubt.
Wildbestände flächendeckend zu reduzieren befürwortet auch der wesentlich kleinere Ökologische Jagdverband. Der ÖJV plädiert dafür, die im Gesetz festgehaltene neunjährige Mindestpachtzeit der Jagd auf ein Jahr zu verkürzen. Damit könnten Waldbesitzer sich schneller andere Pächter suchen, wenn sie mit den Abschusszahlen nicht zufrieden sind.
Für die Aufforstung wie für Verbissgutachten, für Schadenerfassung und Beratung der Waldbesitzer braucht es allerdings Försterinnen und Förster. Genau hier haben die Bundesländer in den vergangenen Jahren kräftig Personal eingespart. Die Frage, woher die Fachkräfte so schnell kommen sollen, wird mit den neuen Gesetzesplänen jedoch nicht beantwortet.