Billig, billig, billig – so ist die Einleitung zum Buch überschrieben, und das Wort "Billig" umreißt auch schon das ganze Problem: Zwar wünschen sich die Verbraucher biologisch produzierte Nahrungsmittel aus der Region. Aber am Ende kaufen sie das, was am wenigsten kostet. Das ist scheinheilig, schimpft Willi Kremer-Schillings:
"Ob Sie nun tatsächlich beabsichtigen, auf gut produzierte Nahrungsmittel zu achten, auf saisonale und regionale Produkte, möglichst bio oder ob Sie es nur vorgeben – die Scannerkassen (im Supermarkt) sprechen eine eindeutige Sprache: die meisten Verbraucher machen sich und der Allgemeinheit etwas vor, unterm Strich wollen die allermeisten nämlich lieber billig als gut. (-) Wer ein Hähnchen für 2,79 Euro kauft, gibt an der Supermarktkasse das Recht ab, sich über Massentierhaltung zu beschweren."
"Ob Sie nun tatsächlich beabsichtigen, auf gut produzierte Nahrungsmittel zu achten, auf saisonale und regionale Produkte, möglichst bio oder ob Sie es nur vorgeben – die Scannerkassen (im Supermarkt) sprechen eine eindeutige Sprache: die meisten Verbraucher machen sich und der Allgemeinheit etwas vor, unterm Strich wollen die allermeisten nämlich lieber billig als gut. (-) Wer ein Hähnchen für 2,79 Euro kauft, gibt an der Supermarktkasse das Recht ab, sich über Massentierhaltung zu beschweren."
Bauer Willi muss Rechenschaft ablegen
Bauer Willi hat durchaus Verständnis für die Schnäppchenmentalität, auch er selbst ist schließlich Konsument. Rabatte wirken auf das Hirn wie eine Prise Kokain, ein Wohlgefühl entsteht, der abwägende Gedanke: brauche ich das eigentlich, gerät in den Hintergrund. In dieser Hinsicht ist der Supermarktkäufer auf dem Niveau des Neandertalers stehen geblieben, der sich schon heute für kommende Dürren und Hungerzeiten absichern will. Das also kann und will Bauer Willi den Verbrauchern nicht vorwerfen, wohl aber ihre Anspruchshaltung, wenn es um die Herstellung dieser billigen Lebensmittel geht:
"Obwohl keiner wissen will, wie ich produziere, steht das Urteil über mich schon fest. Wenn das Güllefass über den Acker fährt, verseuche ich das Grundwasser, wenn ich mit der Spritze fahre, sind es die Pestizide, die die Nahrungsmittel verseuchen. Die schweren Traktoren führen zu Bodenverdichtungen, Monokulturen fördern die Erosion und, und, und. Erklärungen, warum das nicht so ist, will niemand hören, nach dem Motto: Wer sich verteidigt, klagt sich an."
Bauer Willi ist jetzt trotzdem zu dieser Verteidigung angetreten. Er erklärt anschaulich, warum Pflanzen Dünger brauchen, wofür Pestizide gut sind, und dass die moderne Tierhaltung nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Und auch, wie sehr Bürokratie das Leben der Landwirte bestimmt. Denn über jeden Quadratmeter Acker müssen sie genauestens Rechenschaft ablegen. Die Wut derer, die die Agrarwende fordern, nimmt Bauer Willi persönlich:
"Man könnte meinen, wir Bauern hätten bewusst ein perfides System installiert, mit dem wir rücksichtslos jeden Cent aus Mutter Natur quetschen, um uns selbst zu bereichern und den Rest der Bevölkerung die Zeche dafür zahlen zu lassen."
Tatsache ist: Bauer Willi arbeitet hauptberuflich als Abteilungsleiter Landwirtschaft bei einem Zuckerhersteller, um seine Familie ernähren zu können. Denn seine 40 Hektar Land werfen lange nicht mehr genug ab. Der Zwang zur Wirtschaftlichkeit hat das Berufsbild des Bauern in den letzten 30 Jahren radikal umgekrempelt. Den Misthaufen neben dem Scheunentor samt Kühen, Schweinen und freilaufenden Hühner gibt es nur noch auf dem Ferien-Bauernhof oder – leider immer noch – in Schulbüchern. Hatte früher der Landhändler das Getreide zur nächsten Mühle gefahren, wird es heute über die Genossenschaft an der Börse gehandelt. MATIF und CBOT heißen die wichtigsten Handelsplätze für Getreide, Soja oder Rindfleisch in Chicago und Paris. Bauer Willi verfolgt die Notierungen auf seinem Smartphone.
Moderne Landwirtschaft ist hygienisch und steril. Sie muss ihre Produktionskosten ständig senken, nur dann kann ein Hof überleben. Denn Milch oder Eier kosten etwa noch genauso viel wie vor 40 Jahren. Nur mit Massenproduktion kommt der Landwirt heute noch auf seinen Schnitt:
"Obwohl keiner wissen will, wie ich produziere, steht das Urteil über mich schon fest. Wenn das Güllefass über den Acker fährt, verseuche ich das Grundwasser, wenn ich mit der Spritze fahre, sind es die Pestizide, die die Nahrungsmittel verseuchen. Die schweren Traktoren führen zu Bodenverdichtungen, Monokulturen fördern die Erosion und, und, und. Erklärungen, warum das nicht so ist, will niemand hören, nach dem Motto: Wer sich verteidigt, klagt sich an."
Bauer Willi ist jetzt trotzdem zu dieser Verteidigung angetreten. Er erklärt anschaulich, warum Pflanzen Dünger brauchen, wofür Pestizide gut sind, und dass die moderne Tierhaltung nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Und auch, wie sehr Bürokratie das Leben der Landwirte bestimmt. Denn über jeden Quadratmeter Acker müssen sie genauestens Rechenschaft ablegen. Die Wut derer, die die Agrarwende fordern, nimmt Bauer Willi persönlich:
"Man könnte meinen, wir Bauern hätten bewusst ein perfides System installiert, mit dem wir rücksichtslos jeden Cent aus Mutter Natur quetschen, um uns selbst zu bereichern und den Rest der Bevölkerung die Zeche dafür zahlen zu lassen."
Tatsache ist: Bauer Willi arbeitet hauptberuflich als Abteilungsleiter Landwirtschaft bei einem Zuckerhersteller, um seine Familie ernähren zu können. Denn seine 40 Hektar Land werfen lange nicht mehr genug ab. Der Zwang zur Wirtschaftlichkeit hat das Berufsbild des Bauern in den letzten 30 Jahren radikal umgekrempelt. Den Misthaufen neben dem Scheunentor samt Kühen, Schweinen und freilaufenden Hühner gibt es nur noch auf dem Ferien-Bauernhof oder – leider immer noch – in Schulbüchern. Hatte früher der Landhändler das Getreide zur nächsten Mühle gefahren, wird es heute über die Genossenschaft an der Börse gehandelt. MATIF und CBOT heißen die wichtigsten Handelsplätze für Getreide, Soja oder Rindfleisch in Chicago und Paris. Bauer Willi verfolgt die Notierungen auf seinem Smartphone.
Moderne Landwirtschaft ist hygienisch und steril. Sie muss ihre Produktionskosten ständig senken, nur dann kann ein Hof überleben. Denn Milch oder Eier kosten etwa noch genauso viel wie vor 40 Jahren. Nur mit Massenproduktion kommt der Landwirt heute noch auf seinen Schnitt:
Landwirte unter der Knute
"Ach übrigens: Ich bekomme für 100 Kilogramm Weizen 16 Euro. Dafür kann ich 53 Brötchen kaufen. Das sind 427 (Brötchen) weniger als mein Vater. Aber alle anderen sind anscheinend zufrieden, denn ihre Kalkulation geht auf. Das auch der Bauer, der eigentliche "Essensmacher" auf seine Bilanz schauen muss, haben die meisten Verbraucher längst aus den Augen verloren."
Mit Nahrungsmitteln wird viel Geld verdient. Es fließt aber nicht in die Taschen der Produzenten, sondern in die Kassen von Aldi, Rewe, Oetker, Nestlé und Co., zählt Bauer Willi auf. Ziel von Lebensmitteleinzelhandel und Ernährungswirtschaft sei einzig und allein Gewinnmaximierung. Und dafür hielten sie die Landwirte unter der Knute. Nur mit hohen Listungsgebühren bekommt ihre Ware einen Platz im Regal. Und die Discounter drohen erfolgreich mit der Auslistung, wenn ihnen der Preis nicht schmeckt. So entstehen die Dumpingpreise, über die sich dann der Kunde freut. 2014 bekam ein Kollege von Kremer-Schillings dieses Angebot für seine frisch geernteten Zwiebeln: drei Euro für hundert Kilogramm.
"Schweren Herzens entschloss sich mein Nachbar, die erste Lieferung mit zwanzig Tonnen Ware zum Händler zu bringen. Kaum wieder zuhause angekommen, rief der blutjunge Einkäufer bei ihm an und sagte wörtlich: "Was soll ich mit dem Scheiß, da sind ja faule Zwiebeln drin, die kannst du gleich wieder abholen."
Zwei Tage später wollte dieser Einkäufer dann wieder Zwiebeln haben. Der Landwirt hat ihm genau dieselbe Lieferung gebracht. Diesmal war der Einkäufer einverstanden – er hatte zuvor nur seine Macht ausspielen wollen.
Bauer Willi wirbt beim Leser um eine neue Ess- und Einkaufskultur: besser planen, weniger wegwerfen, öfter selber kochen, auf dem Wochenmarkt oder beim Bauern einkaufen und Gemüse selber ziehen. Das ist in etwa das Gleiche, was die Kritiker der modernen Landwirtschaft empfehlen.
Mit Nahrungsmitteln wird viel Geld verdient. Es fließt aber nicht in die Taschen der Produzenten, sondern in die Kassen von Aldi, Rewe, Oetker, Nestlé und Co., zählt Bauer Willi auf. Ziel von Lebensmitteleinzelhandel und Ernährungswirtschaft sei einzig und allein Gewinnmaximierung. Und dafür hielten sie die Landwirte unter der Knute. Nur mit hohen Listungsgebühren bekommt ihre Ware einen Platz im Regal. Und die Discounter drohen erfolgreich mit der Auslistung, wenn ihnen der Preis nicht schmeckt. So entstehen die Dumpingpreise, über die sich dann der Kunde freut. 2014 bekam ein Kollege von Kremer-Schillings dieses Angebot für seine frisch geernteten Zwiebeln: drei Euro für hundert Kilogramm.
"Schweren Herzens entschloss sich mein Nachbar, die erste Lieferung mit zwanzig Tonnen Ware zum Händler zu bringen. Kaum wieder zuhause angekommen, rief der blutjunge Einkäufer bei ihm an und sagte wörtlich: "Was soll ich mit dem Scheiß, da sind ja faule Zwiebeln drin, die kannst du gleich wieder abholen."
Zwei Tage später wollte dieser Einkäufer dann wieder Zwiebeln haben. Der Landwirt hat ihm genau dieselbe Lieferung gebracht. Diesmal war der Einkäufer einverstanden – er hatte zuvor nur seine Macht ausspielen wollen.
Bauer Willi wirbt beim Leser um eine neue Ess- und Einkaufskultur: besser planen, weniger wegwerfen, öfter selber kochen, auf dem Wochenmarkt oder beim Bauern einkaufen und Gemüse selber ziehen. Das ist in etwa das Gleiche, was die Kritiker der modernen Landwirtschaft empfehlen.