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William Kentridge in Berlin
Politik-Skepsis beim Foreign Affairs Festival

Foreign Affairs ist ein junges Berliner Festival, das sich als Flirren zwischen Gattungen und Kulturen versteht. "Uncertainty" - zu deutsch Unsicherheit oder auch Unbestimmtheit, ist der diesjährige Festivaltitel. Er stammt vom südafrikanischen Künstler William Kentridge und soll ein Statement gegen simple, politische Gewissheiten sein.

Von Barbara Behrendt |
    Der südafrikanische Künstler William Kentridge posiert am 04.07.2016 in Berlin beim Haus der Berliner Festspiele am Rande der Pressekonferenz für das internationale Performing Arts Festival Foreign Affairs.
    Der südafrikanische Künstler William Kentridge hat das junge Festival geprägt. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Der südafrikanische Künstler und Regisseur ist während der beiden Festivalwochen stets präsent: Er steht bei vielen Performances auf der Bühne; er hält in Marathon-Abenden seine "Drawing Lessons", also Lecture Performances übers Zeichnen, – und er springt sogar ein, als in "Ubu and the Truth Commission" die Hauptdarstellerin wegen eines Bühnenunfalls ausfällt. Nur auf deren Tanzpartien, sagt der 61-Jährige, möchte er lieber verzichten.
    Verknüpfung von poetischen und politischen Arbeiten
    Während die Berliner Festspiele im Martin Gropius Bau eine große Schau über Kentridge zeigen, hat Foreign Affairs ein Festival mit ihm im Zentrum kuratiert – und Kentridge geriert sich dabei nicht als der große Superstar, sondern zeigt sich als sympathisch nahbarer Zauberkünstler, der seine Tricks erklärt. Die Berliner Festspiele stemmen in der Verbindung von Festival und Ausstellung die wohl bisher umfassendste Präsentation von Kentridges Werk in Deutschland.
    Seine poetischen und politischen Arbeiten werden hier genauso miteinander verknüpft wie seine bildende und darstellende Kunst der letzten Jahrzehnte. Überall stößt man auf die Motive, die er in den unterschiedlichen Medien oft wiederholt: die Kohlezeichnungen mit den Espresso-Kannen, die Daumenkinos mit seinen Selbstporträts, die Schreckensbilder aus der Apartheid, das Umkehren der Zeit.
    Die Sehnsucht, sich der Diktatur der Zeit zu entziehen, erlebt man am stärksten in der Performance "Refuse the Hour", wo Joanna Dudley das übermenschliche Kunststück wagt, eine Oper in den Mund der Sängerin zurück zu singen.
    Dasselbe Motiv zeigen die "Seven Fragments", eine Video-Installation in der Werkschau im Martin Gropius Bau, bei der Kentridge die Aufnahmen rückwärts abspielt, so dass die Farbe zurück in den Pinsel läuft – und wieder unendliche Möglichkeiten für das Kunstwerk entstehen.
    Im Keller des Festspielhauses wird die Ausstellung fortgeführt: Hier haben Kentridge und der Festivalleiter Matthias von Hartz eine Nachtausstellung eingerichtet, die nur dann geöffnet werden kann, wenn die Technik auf der Bühne still steht. Im Schacht des Lastenaufzugs wird der poetische Film "Return" gezeigt – laut Kentridge der beste Ort, an dem er bisher präsentiert wurde.
    Die politischen Arbeiten sind ebenfalls präsent: Auf der Unterbühne läuft "I Am Not Me, the Horse is Not Mine" – acht Video-Projektionen, die Gogols Erzählung "Die Nase" mit den Stalinistischen Schauprozessen von 1937 verknüpfen. In der Kantine ist das Video aus "Ubu and the Truth Comission" zu sehen, über die Versöhnungskommission nach der Apartheid.
    Unsicherheit ist nicht nur ein künstlerischer Prozess
    "Uncertainty", also: Unsicherheit – diesen Festivaltitel hat sich Matthias von Hartz von Kentridge geborgt. Für ihn ist die "Unsicherheit" nicht nur Teil des künstlerischen Prozesses, sondern auch ein politisches Statement: Dort, wo es keine Unsicherheit mehr gibt, sondern nur simple Gewissheiten, dort regiert das autoritäre Regime – das immer abgesichert werden muss von jemandem, der eine Waffe trägt:
    Uncertainty – damit offenbart Kentridge eine Politik-Skepsis, die alle behaupteten Sicherheiten, alle falschen Eindeutigkeiten rigoros ablehnt.
    Mehr allerdings als die politischen Doku-Fetzen, die manchmal etwas beliebig eingestreut wirken, überzeugt Kentridges Poesie des Alltags: Wenn bei "Journey of the Moon" eine Kaffeetasse zum Fernrohr wird und eine Espresso-Kanne zur Rakete – dann geht es vom Frühstückstisch direkt zur Weltraumexpedition, vom Alltag unmittelbar zur universellen Befragung des Lebens. Da ist Kentridges Kunst ganz groß.