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William S. Burroughs

"Schon als Kind wollte ich Schriftsteller werden, weil Schriftsteller reich und berühmt sind. Sie lungern in Singapur und Rangun herum und rauchen Opium in gelben Rohseidenanzügen. Sie schnupfen Kokain in Mayfair und dringen mit einem treuergebenen Eingeborenen-Boy in verbotene Sümpfe vor, wohnen in Eingeborenenvierteln von Tanger, rauchen Haschisch und streicheln eine zahme Gazelle." Solche kindlich-exotischen Phantasien von der Existenz eines Schriftstellers hat William S. Burroughs, Jahrgang 1914, gestorben 1987, in seinem Leben zumindest ansatzweise realisiert. Der Autor so einflußreicher und avantgardistisch-innovativer Werke wie "Soft Machine" und "Naked Lunch" war ein Abenteurer, ein Globetrotter in der Außenwelt und ein Astronaut im inneren Kosmos, in den wogigen Regionen der Drogen.

Klaus Modick |
    Nach 25 Jahren, die er in einer Art selbstgewähltem Exil in Mexiko, Tanger, Paris und London verbracht hatte, kehrte William S. Burroughs 1974 in die USA zurück, wo er sich in der New Yorker Lower East Side in den ehemaligen Umkleidekabinen eines Fitneßcenters einquartierte. Die Räumlichkeiten hatten kein einziges Fenster und wurden deshalb "Der Bunker" genannt. Hier führte Burroughs als eine Art Hohepriester der Beat-Generation einen merkwürdigen Salon, empfing Prominente und weniger Prominente aus der Pop- und Kulturszene und debattierte mit ihnen über Kunst, über das Leben und die Liebe, über das Schreiben und über Träume, über Drogen und Sex. Der New Yorker Journalist Victor Bockris diente ihm dabei als Assistent, indem er diese Gespräche auf Tonband aufzeichnete, fungierte auch als sein Eckermann, indem er ihm immer wieder Themen und Ideen zuspielte. Aus diesen Interviews und Gesprächen hat Bockris jetzt ein durchaus interessantes Buch zusammengestellt, in dem sich der Herausgeber im Vorwort und den verbindenden Texten zwar als eitler Dummkopf und glühender Hagiograph seines Herrn und Meisters outet, in dem es aber zum Glück nur am Rande um diesen Victor Bockris und in der Hauptsache um Burroughs selbst dreht, um William S. Burroughs im O-Ton sozusagen, der sich hier unter anderen mit David Bowie, Mick Jagger, Frank Zappa, Andy Warhol und Susan Sontag unterhält.

    Burroughs interessierte sich insbesondere für innovative Kulturtechniken, die der Bewußtseinsstruktur zeitgenössischen Denkens adäquat sind. "Es gibt keine Erfindung", sagt er einmal, "die einen Schriftsteller gezwungen hätte, den Hintern hochzukriegen - entsprechend der Fotografie, die Maler gezwungen hat, was Neues zu machen. Vor 100 Jahren malten sie Kühe auf der Weide - gegenständliche Malerei -, und das sieht genau so aus wie Kühe auf der Weide. Ein Fotograf konnte das besser. Eine Erfindung, die eine Art des Schreibens eliminieren würde, wäre ein Tonbandgerät, das subvokales Sprechen, den sogenannten Bewußtseinsfluß, aufnehmen könnte. Beim Schreiben interpretieren wir ständig, was Leute denken. Es ist nichts als eine Vermutung meinerseits, eine Annäherung. Angenommen, ich hätte eine Maschine, mit der ich subvokales Sprechen aufnehmen könnte, was jemand denkt, dann gäbe es keine Notwendigeit für mich, zu interpretieren." Das ganze Buch wimmelt von solchen teils anregenden, teils krausen, teils hellen, teils eher wirren Ideen und Assoziationen, bleibt aber alles in allem durchaus anregend. Es lädt zum Blättern und Schmökern ein; eine durchgehende Lektüre ermüdet und ist wegen der gespreizten Zwischentexte gelegentlich ärgerlich. Für Fans der Beat-Literatur, wenn's davon denn noch welche gibt, ist das natürlich Pflichtlektüre.