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Willkommen Fachkräfte, Mütter und Ausländer!

Im Rhein-Main-Gebiet gehen Arbeitgeber, Ausbilder und Behörden auf mehreren Ebenen gegen den Fachkräftemangel an. Neue Kitas sollen Mütter mit Fachausbildung früher in den Beruf zurücklocken. Ausländische Fachkräfte bekommen ihre Abschlüsse leichter anerkannt, und Studienabbrechern gibt das sogenannte duale System eine zweite Chance.

Von Ludger Fittkau |
    Das moderne Gebäude der Mainzer Agentur für Arbeit liegt nicht weit entfernt vom großen Campus der Universität Mainz. Da liegt nahe, dass Uni und Arbeitsagentur Hand in Hand arbeiten, um den Mangel an akademisch ausgebildeten Fachkräften zu beseitigen. Eine Gruppe, die man jetzt gemeinsam in den Blick nimmt, sind die ausländischen Studierenden: Bis zu 20 Prozent der erfolgreichen Absolventen eines Hochschulstudiums in Rheinland-Pfalz sind Ausländer. Viele von ihnen gehen nach dem Studienabschluss in ihre Heimatländer zurück so Jürgen Czupalla, der Chef der Mainzer Agentur für Arbeit. Er möchte sie nun in Rheinland-Pfalz halten:

    "Bisher kümmert sich noch niemand darum, dass diese Fachkräfte, die den höchstmöglichen deutschen Bildungsabschluss haben. Und das wollen wir jetzt tun und tun es bereits. Wir bieten denen in den Abgangsemestern Beratungsangebote an, Unterstützungsangebote. Die jungen Menschen können 18 Monate hier bleiben, bekommen eine Arbeitsgenehmigung, wenn sie hier in Deutschland bleiben und wir wollen eigentlich darum kämpfen, dass einige hier in Deutschland bleiben und als Fachkräfte hier zur Verfügung stehen."

    Die sogenannte Blaue Karte der EU als Arbeitszulassung für hoch qualifizierte Akademiker aus Nicht-EU-Staaten soll ebenfalls einer besseren "Willkommenskultur" dienen.

    Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien nun auch für Zuwanderer verbessert worden, die ihre Abschlüsse nicht in Deutschland, sondern noch im Heimatland gemacht haben, sagt Richard Patzke, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen. So würden nun etwa ausländische Hochschul- und Berufsabschlüsse unbürokratischer anerkannt:

    "Wir versuchen einfach, alle Migranten, alle ausländischen Mitbürger dazu zu bringen, in ihren ursprünglichen Beruf zurückzukehren und versuchen das zu erleichtern. Und das sind eben Dinge, die momentan angelaufen sind. Aber da ist die Resonanz bisher noch nicht so, wie wir das erwartet haben. Wir könnten durchaus noch mehr beraten und mehr zu ihrem Anerkennungsverfahren führen."

    Studienabbrecher vor allem in Ingenieursberufen - das ist eine weitere Gruppe, die zurzeit für den Arbeitsmarkt in der Rhein-Main-Region umworben wird. Computerexperte oder Elektronikspezialist kann man aber auch als Nicht-Akademiker werden, Ausbildungsplätze im dualen System stehen in diesen Feldern zurzeit reichlich zur Verfügung, sagt Jürgen Czupalla, der Chef der Mainzer Arbeitsagentur. Wer dennoch ein Studium anstrebe, müsse besser über die zentrale Bedeutung des "Killerfaches" Mathematik informiert werden:

    "Da sind wir mit Hochschulen im Gespräch, aber natürlich auch mit unserer Abiturientenberatung, dass die Jugendlichen entsprechend vorbereitet sind und vor allen Dingen ab dem ersten Tag des Studiums entsprechende Unterstützungsangebote in Mathematik annehmen."

    Gut ausgebildete Frauen, die etwa wegen Kindern nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten - sie sollen vor allem mit einem verstärkten Kita-Ausbau wieder in die Arbeitswelt gelockt werden. Dabei sind auch die Unternehmen gefragt: Eigene Betriebskindergärten oder die Finanzierung einzelner Betreuungsplätze in öffentlichen Kindertagesstätten sind heute für viele Firmen unverzichtbar, wenn sie qualifizierte Frauen an sich binden wollen. Gleichzeitig muss der Fachkräftemangel bei den Erziehern bekämpft werden, fordert der rheinland-pfälzische DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid:

    "Da wird eine hoch qualifizierte, vieljährige Ausbildung verlangt und die wird viel zu schlecht bezahlt gemessen an den Ansprüchen, die wir an diesen Beruf mit Recht haben. Wer den Mangel an Erzieherinnen beklagt, muss sich auch Gedanken darüber machen, dass man diesen Beruf attraktiver machen muss."

    Eines allerdings gilt weiterhin - nicht nur für den Arbeitsmarkt in Rheinhessen und im Rhein-Main-Gebiet, sondern bundesweit: Wer einen akademischen Abschluss hat, hat beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ingenieure sowieso, aber auch Geistes- und Sozialwissenschaftler. Bei Letzteren dauert es vielleicht ein bisschen länger, bis sie einen Job gefunden haben. Doch sie finden ihn, so Dirk Böpple, Leiter des Soziologiestudienbüros der Uni Mainz:

    "Was nach wie vor eine Aussage ist, die so richtig wie banal klingt: Ein Hochschulabschluss ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit, nach wie vor."

    Fazit: Im Kampf gegen Fachkräftemangel ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen gefragt. Vor allem aber muss der deutsche Arbeitsmarkt eine "doppelte Willkommenskultur" bieten: Für ausländische Spezialisten genauso wie für bestens qualifizierte einheimische Frauen, die nach der Kinderpause wieder dringend gebraucht werden. Ein gutes Betreuungsangebot für Kinder ist und bleibt für sie der Dreh- und Angelpunkt eines "Welcome back" im Beruf.