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Willkommensklassen
Sprachdiplom für Flüchtlingskinder

Willkommensklassen sind ein Angebot an Flüchtlingskinder, in kleinen Gruppen Deutsch zu lernen - und zwar an einer ganz normalen Schule. Über 4.700 Kinder besuchen zurzeit in Berlin eine solche Klasse. Am Ende des ersten Schuljahres winkt das Deutsche Sprachdiplom.

Von Claudia van Laak |
    Arbeitsmaterialien für den Deutschunterricht für Flüchtlingskinder
    Arbeitsmaterialien für den Deutschunterricht für Flüchtlingskinder (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Applaus für Antigone Pakulieri, eine von 454 Lehrerinnen einer Berliner Willkommensklasse. Muhammed, Siat, Samuel, Ahmad stehen im Halbkreis um sie herum, die Flüchtlingskinder erhalten an diesem Tag ihr Deutsches Sprachdiplom. Das Lob für die Lehrerin ist riesig: "Sie ist beste Lehrerin. Wir lieben sie. Sie ist alles für uns, ohne sie wir sind gar nichts. Sie ist gar keine Lehrerin, sie ist unsere Mutter. Sie hilft uns immer. Wenn es Probleme gibt, sie ist immer bei uns. "
    "Das ist meine Bestätigung", sagt Antigone Pakulieri. "Es sind nicht die Noten, die für mich wichtig sind, es ist die Tatsache, dass diese jungen Leute eine Zukunft haben in Deutschland. Und darum kümmern wir uns."
    "Wir fragen nicht nach den Fluchtgeschichten", ergänzt Johanna Ofuriata, ebenfalls Lehrerin in einer Willkommensklasse. "Wir versuchen, einen normalen Schulalltag herzustellen, eine Regelmäßigkeit, wo die Kinder auch geborgen sind. Wo auch mit den Eltern eine gute Verbindung aufgebaut wird. Dass die wissen, hier ist mein Kind in Sicherheit, hier ist ein Ansprechpartner."
    Unterricht an regulären Schulen
    Genau 4751 Kinder aus Flüchtlingsfamilien besuchen momentan in der Hauptstadt eine solche Klasse. Das SPD-geführte Bildungsressort legt Wert darauf, dass die Kinder und Jugendlichen nicht in den Flüchtlingsheimen Unterricht erhalten, sondern sofort in die regulären Schulen wechseln. Bildungsstaatssekretär Mark Rackles:
    "Weil die Fluchtsituation eine besondere ist. Und ich glaube, die Unterbringung in diesen Einrichtungen, die mag zwar gut sein, aber aus pädagogischen Gründen ist es besser, dass sie möglichst frühzeitig ins normale Schulsystem kommen. Sie haben die Begegnung, auch wenn sie anfangs sprachlich nicht fit sind. Sie nehmen am Schulalltag teil, sie sind auf dem Schulhof, es gibt eine besondere Betreuung. Und eben auch zu kommunizieren, und es gibt keinen Grund, sie zu separieren."
    Die Willkommensklassen sind klein, bestehen aus maximal zwölf Schülerinnen und Schülern. Ein Jahr lang werden sie vorbereitet, dann sollen sie das Deutsche Sprachdiplom ablegen und möglichst in den Regelunterricht wechseln.
    "In Deutschland ist es wichtig, dass man gut Deutsch spricht, wenn wir das Diplom haben, wird das eine gute Zukunft für uns, wir haben viele Möglichkeiten."
    "Damit man viel Arbeit findet."
    "Wenn man in Deutschland in Arbeiten kann und eine Zukunft bauen möchte, braucht man unbedingt die Sprache, ohne Sprache kann man nix machen."
    Gruppen sind nicht sehr homogen
    Ein großes Problem für die Lehrerinnen und Lehrer: Analphabeten sitzen neben früheren Gymnasiasten, Afrikaner neben Arabern, 13-Jährige neben 18-Jährigen.
    "Wir gehen ja einfach davon aus, wir setzen die Sprache einfach drauf auf die vorhandene Bildung. An der Stelle stimmt das Konzept nicht ganz", sagt Lehrerin Verena Balioz. Außerdem wünscht sie sich, dass bestimmte Schülerinnen und Schüler auch zwei Jahre lang eine Willkommensklasse besuchen können, weil sie sonst in einer Regelklasse nicht klarkommen.
    "Weil die schulischen Niveaus unterschiedlich sind, das Lerntempo auch. Und das größte Problem: Es ist ein Kommen und Gehen. Die Kinder kommen ja während des Jahres. Wenn ich als Fremdsprachenlehrerin in der Lektion 5 bin, und da kommen Neue. Da stehen wir etwas hilflos davor."
    Hilfsbereitschaft an den Schulen
    Anfangs versuchten einzelne Berliner Schulen, sich um die Einrichtung von Willkommensklassen herumzudrücken, doch das dürfte angesichts der vielen neuen Flüchtlingskinder nicht mehr möglich sein. Die Schulen in der Hauptstadt sind doppelt herausgefordert - die Stadt wächst, in bestimmten Stadtteilen fehlen bereits Schulplätze für Erstklässler. Die Flüchtlingskinder kommen noch hinzu. Kulturstaatssekretär Rackles bilanziert:
    "Es gibt Schulen, die sind nicht so ganz willig, aber ich habe noch keine Schule erlebt, die gesagt hat: Bei uns nicht. Manchmal passt es ja vom Raum nicht, oder man ist sowieso dicht. Es gibt ja Schulen, die bereits durch die Stammbevölkerung überlaufen. Da achten wir darauf, dass da nicht zu viel dazukommt. Aber insgesamt: Ich habe eine hohe Kooperationsbereitschaft und einen Willen zum Helfen festgestellt. Dank an alle Beteiligten."