Archiv

Willkommenskultur an Universitäten
"Es muss jemanden geben, der sich kümmert"

Die Rektoren der Hochschulen tagen derzeit in Bonn. Das Thema: Wie können sie die Willkommenskultur für ausländische Wissenschaftler in Deutschland verbessern? Manfred Nettekoven, Kanzler der RWTH Aachen, hält besonders eine enge Betreuung der Forscher für wichtig. Sie bräuchten unbürokratische und schnelle Hilfe, sagte er im DLF.

Manfred Nettekoven im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Es steht dick und fett im Koalitionsvertrag: Wir brauchen Zuwanderung, wir sollen die Arme weit öffnen und eine Willkommenskultur bei uns etablieren. Die Ausländerbehörden sollen zu Willkommensbehörden umgebaut werden. Der Flüchtlingsgipfel am Donnerstag wird zeigen, was das für ein Spagat ist - ein Land, das sich auf die Schnelle eine Willkommenskultur verordnen will, dürfte von selbiger noch weit entfernt sein. An den Hochschulen ist es schon etwas anders, dort waren internationale Forscher, zumindest der Form nach, immer schon begehrt. Trotzdem fühlen sich viele ausländische Wissenschaftler hier allein gelassen. Das thematisiert heute gerade zur Stunde die Hochschulrektorenkonferenz, die will es nämlich besser machen. Und wie, darüber reden wir mit Manfred Nettekoven, dem Kanzler der RWTH Aachen. Herr Nettekoven, wenn eine Uni einen ausländischen Wissenschaftler will, dann musste sie eigentlich immer schon den roten Teppich ausrollen - woran liegt das, dass Sie trotzdem Ihren Leuten noch mal Willkommenskultur einbläuen müssen?
    Manfred Nettekoven: Ich glaube, es war ein Lernprozess. Ich glaube, es hat so was gegeben wie einen Paradigmenwechsel, der allerdings auch schon ein paar Jahre - ich glaube so rund zehn - zurückliegt, hat ein bisschen was damit zu tun, dass auch die gesetzgeberische Situation sich ein bisschen geändert hat. Also ursprünglich war es ja so, dass wenn wir Menschen bei uns aufnahmen an den Universitäten, dass das sozusagen eine vorübergehende Qualifikationsphase war, die dann bitte wieder in dem Heimatland beendet werden sollte. Das ist, glaube ich, klarer geworden, nicht nur durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, dass wir, ja, in der globalen vernetzten Welt auch als Hochschulen uns dadurch ausweisen, dass hier auch Menschen interessant sind, die irgendwoher kommen.
    "Dem Thema Vernetzung nicht früh genug gewidmet"
    Pfister: Aber woran hapert es dann an den Hochschulen? Also man hat ja oft schon die Klage gehört, in den Ausländerbehörden, da sind die vielleicht auch manchmal ein bisschen grantelig, machen den Ausländern Angst, die da ankommen, aber was machen die Hochschulen noch falsch?
    Nettekoven: Ich glaube, das ist ein Vernetzungsthema. Insofern wenn wir mal irgendwas falsch gemacht haben, dann vielleicht das, dass wir uns diesem Thema Vernetzung nicht früh genug gewidmet haben, weil natürlich in diesem Spiel die verschiedenen Parteien unterschiedliche Rollen haben. Es gibt so was wie Normvollzug, also Ausländerbehörden müssen darauf achten, dass die Regularien eingehalten werden. Hochschulen sind interessiert, Leute an sich zu binden, Menschen auch aus möglichst vielen fernen Ländern an sie zu binden.
    Pfister: Also das heißt, Ausländerbehörden und Hochschulen müssen besser zusammenarbeiten. Wo gibt es da gute Ansätze, wie kann es funktionieren, außer jetzt in Aachen beim runden Tisch?
    Nettekoven: Also wir hatten heute so ein sehr interessantes Kaiserslauterner Projekt kennengelernt: Ich weiß es aus meinem Wissen und aus meinem Bekanntenkreis - es sind ja viele Kolleginnen und Kollegen an anderen Hochschulen dabei -, dass es jetzt an vielen Standorten schon solche Strukturen gibt. Nicht immer ist es so wie bei uns in Aachen, dass es sozusagen eine Dependance des Ausländeramtes bei uns gibt, im SuperC, im Studierendenservice, wo man sozusagen sofort alles mit einem Gang erledigen kann. Aber diese Sache etabliert sich, und ich könnte mir vorstellen, dass es schon 20, 30, 40 Standorte dieser Art in Deutschland gibt, und eine noch größere Zahl von jedenfalls regulären und regelmäßigen Austauschbeziehungen, also wirklich Strukturen, die mal runder Tisch, mal Integrations- oder Lotsenzentrum heißen, wo es einfach eine gemeinsam wahrgenommene Aufgabenstellung gibt.
    Pfister: Gab es sonst auf der Tagung noch irgendwelche Ideen, wie man ausländische Wissenschaftler hier besser willkommen heißen oder besser integrieren könnte?
    Nettekoven: Ich glaube, eine ganz, ganz wichtige Funktion ist die des Kümmerers oder der Kümmererin: Es muss jemanden geben - wir nennen das in Aachen schon mal Buddy -, jemand, der sich einfach kümmert und der im Vorfeld und auch während des laufenden Prozesses einfach da ist, weil Sie können bei so einer komplexen Geschichte wie Zuzug, Standortwechsel, die ganze Familie irgendwo hinbringen - Sie können nicht alle Aufgabenstellungen sozusagen schon antizipieren und vorbedenken. Viele Dinge passieren in dem Moment, wo sie passieren. Und dann braucht man jemanden, der sich kümmert, den man ansprechen kann, unbürokratisch, schnell, und der vielleicht schon so ein bisschen Hintergrundwissen hat zu der Frage, wie löst man denn so was. Es geht um Kinderbetreuung, es geht um Doppelbesteuerungsabkommen, es geht um Visafragen, es geht um ganz einfache kulturelle Fragen, also wie funktioniert das denn mit meinem Vertrag, was muss ich denn da berücksichtigen, ganz viele Dinge, die häufig auch miteinander zusammenhängen. Und da jemanden zu haben, der sich so ein bisschen in so eine, ja, Vorstopperrolle begibt, der, der dann einfach da ist und jedenfalls weiß, wie es weitergeht. Also es kann nicht die eine Person sein, die auf alle diese Fragen eine Lösung hat, aber die jedenfalls weiß, wie es weitergeht. Diese Geschichte ist, glaube ich, ganz, ganz wesentlich.
    "Das kriegen Sie nicht hin allein mit ehrenamtlichen Personen"
    Pfister: Das ist ja eine Sache, die nichts kostet, so einen ehrenamtlichen Buddy zu haben, einen Ansprechpartner, Sie sind aber der Herr über die Gelder an den Hochschulen als Kanzler. Machen Sie vielleicht auch zu wenig Geld dafür locker, dass Wissenschaftler aus dem Ausland sich wohlfühlen bei uns?
    Nettekoven: Sie rufen jetzt bei mir Aspekte ab, die dann doch was kosten, klar. Wir haben ehrenamtliche Dinge, wir haben auch zusätzlich viel mehr Personal eingestellt an der Stelle, und haben uns auch verstärkt, und ehrlich gesagt, auch Vernetzung kostet. Also Sie können nicht ... Klar, die Stadt Aachen, jetzt die Städteregion, hat sich auf ihre Kosten mit dieser Dependance da niedergelassen, dennoch gibt es dann auch wieder andere Kosten, die wir eingegangen sind, um einfach diese Geschichte rund zu machen.
    Es muss ja dann wieder auch ein gewisser Personalaufwand bei uns betrieben werden. Ich gebe zu, viele dieser Aufgaben haben jetzt nicht allein diese Integration zum Gegenstand, aber sie arbeiten halt in der Gegend. Also wir haben jetzt ein Elternservicebüro, wir haben Dual-Career-Leute, wir versuchen, vom Hausmeister über den Fahrer bis zum Personalsachbearbeiter, -sachbearbeiterin die Leute in Englisch zu unterweisen, wir geben Geld für interkulturelles Training aus. Also an der Stelle, glaube ich, ist die Hochschule schon durchaus aufgestellt und auch bereit zu zahlen, und ich glaube, dass das auch gut angelegtes Geld ist. Ich glaube nicht, dass man daran sparen kann. Und es gibt wie gesagt eine etwas größere Personaldecke an der Stelle auch, weil diese unmittelbare Ansprache, das kriegen Sie nicht hin allein mit ehrenamtlichen Personen.
    Pfister: Manfred Nettekoven war das, Kanzler der RWTH Aachen, darüber, wie sich die Willkommenskultur für ausländische Wissenschaftler in Deutschland verbessern ließe. Dazu tagt nämlich gerade zur Stunde die Hochschulrektorenkonferenz in Bonn. Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.