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Windenergie oder Kohlekraftwerke
"Die Erneuerbaren sind durchaus konkurrenzfähig"

Erneuerbare Energien könnten sich inzwischen durchaus mit konventionellen Kraftwerken messen, brauchten aber noch stabile Rahmenbedingungen, sagte der Klimaökonom Niklas Höhne im Dlf unter Verweis auf eine aktuelle Studie. Barrieren müssten aus dem Weg geräumt werden, damit die Anlagen gebaut werden könnten.

Niklas Höhne im Gespräch Jule Reimer |
    Der Offshore-Windpark Butendiek, aufgenommen am 15.08.2016 etwa 30 Kilometer vor der Insel Sylt (Schleswig-Holstein) in der Nordsee. Die Stromproduktion der Windparks in der Nordsee hat sich im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt.
    Der Offshore-Windpark Butendiek (dpa/Daniel Reinhardt)
    Jule Reimer: Lohnt es sich, in Sonnen- und Windkraft, in Geothermie und andere Erneuerbare Energien zu investieren und vor allem: Wo lohnt sich dies innerhalb der G20-Staaten? Das untersucht seit drei Jahren ein bemerkenswertes Trio: Nämlich der auf Versicherungen spezialisierte Weltkonzern Allianz, die entwicklungs- und klimaschutzpolitische Lobbyorganisation Germanwatch gemeinsam mit den Wissenschaftlern der Denkfabrik NewClimate Institute. Die Allianz hat zudem beschlossen, bis zum Jahr 2040 peu à peu aus der Geldanlage in der Kohleindustrie auszusteigen. Dazu wurde ein Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt. Niklas Höhne, Klimaökonom am NewClimate Institute in Köln, wo finden in den G20-Staaten Investoren die besten Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien vor?
    Niklas Höhne: Die besten Investitionsbedingungen herrschen weiterhin in den europäischen Staaten, Frankreich, Deutschland und England. Das liegt daran, dass grundsätzlich hier schon viel Erfahrung gemacht worden ist mit erneuerbaren Energien, dass aber auch die Gesamt-Investitionsbedingungen, die wir uns auch angucken, einfach gut sind. Trotzdem muss man auch sagen, zu allen drei Ländern, dass es dort Defizite gibt.
    Reimer: Was macht gute Investitions-Rahmenbedingungen aus?
    Höhne: Wir haben uns angeguckt, ob ein Land ein stabiles, langfristiges Ziel hat, ob es klar zu Erneuerbaren steht, oder ob die politischen Rahmenbedingungen so sind, dass es heute mal so ist und morgen mal so. Dann haben wir uns die wirkliche Förderpolitik angeguckt, wie Wind und Sonne gefördert werden. Dann haben wir uns die Marktreife angeguckt, wieviel ist überhaupt schon installiert worden, und wir haben uns auch angeguckt, wie die Gesamt-Investitionsbedingungen sind, ob die Zinsen hoch oder niedrig sind.
    Die finanzielle Förderung ist nicht mehr das Problem
    Reimer: Es gibt ja immer wieder Klagen, dass diese Fördersysteme zu teuer sind. Haben Sie auch darauf geachtet, wie das Preis-Leistungs-Verhältnis finanzieller Fördersummen zum Output aussehen?
    Höhne: Das haben wir nicht angeschaut. Das ist aber immer weniger ein Problem. Die Erneuerbaren waren in der Vergangenheit teurer als Konventionelle, aber darüber sind wir hinweg. Es ist inzwischen so, dass die Erneuerbaren durchaus konkurrenzfähig sind und dass es nicht mehr darum geht, jede einzelne Kilowattstunde zu fördern, sondern es geht darum, stabile Rahmenbedingungen zu schaffen, dass überhaupt solche Anlagen gebaut werden können und wo. Dass man dort groß wirklich unterstützen muss, das ist nicht mehr der Fall, sondern man muss einfach Barrieren aus dem Weg räumen, dass diese Anlagen gebaut werden können.
    Investitionen müssen deutlich erhöht werden
    Reimer: Anfang Oktober hat der Bericht des Weltklimarates, des IPCC, krass deutlich gemacht, dass jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung zählt. Plus 1,5 Grad würde Schäden bewirken, aber weniger zum Beispiel im Bereich der Korallenriffe als zwei Grad. Wieviel wird derzeit in den G20-Staaten in erneuerbare Energien investiert? Wieviel wäre nötig, um die Erwärmung bis zum Jahrhundertende auf 1,5 Grad zu begrenzen?
    Höhne: Wir sind bei den Investitionen in die erneuerbaren Energien bei rund 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ist eine beträchtliche Summe und das sind Investitionen. Viele von diesen Investitionen werden Gewinne abwerfen. Aber wenn man sich den gesamten Elektrizitätsmarkt anguckt, nicht nur die Erneuerbaren, sondern auch die Stromnetze, müssen wir bei über 800 Milliarden US-Dollar pro Jahr liegen, also deutlich höher als das, was bisher investiert wird.
    Bestehende Kohlekraftwerke sind teurer als neue Windparks
    Reimer: Große Summen, aber die müsste man ja auch dann mit den Schäden gegenrechnen. Wo sehen Sie denn ungenutzte Potenziale?
    Höhne: Im Prinzip hat der Weltklimabericht gezeigt, dass wir alles tun müssen, um die Emissionen so schnell wie möglich runterzufahren. Gerade bei erneuerbaren Energien haben wir diese große Chance, genau das zu tun. Es ist derzeit in vielen Regionen der Welt die günstigste Form, neue Kraftwerke zu bauen, in einigen Regionen sogar günstiger, neue solche Kraftwerke zu bauen, als schon existierende Kohlekraftwerke laufen zu lassen. Wir sind wirklich in einer komplett anderen Zeit und je schneller wir komplett unsere Stromversorgung auf Erneuerbare umstellen können, je besser. Da sehen wir in jedem Land, dass noch mehr geht. Wir sind hier nicht begrenzt dadurch, dass zu wenig Sonne oder zu wenig Wind da ist, sondern wir sind hauptsächlich begrenzt davon, wie schnell wir handeln wollen, wieviel Geld in die Hand genommen wird und wie schnell wir das dann umsetzen wollen.
    Neue Förderregeln bremsen Erneuerbare aus
    Reimer: Es hat in Deutschland eine Umstellung gegeben. Für neue Anlagen gibt es jetzt nicht mehr die festen Fördersätze, die sich in unserer Stromrechnung als Teil der EEG-Umlage wiederspiegeln, sondern ein Auktionssystem. Will heißen: Eine bestimmte Menge Stromerzeugung wird ausgeschrieben und der billigste Anbieter erhält den Zuschlag. Wie wirkt sich das bei uns auf den Zubau aus?
    Höhne: Grundsätzlich ist es schon mal positiv, dass man eine feste Fördersumme ersetzt durch eine Summe, die vom Markt generiert wird. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, um nicht zu überfördern. Der Teufel steckt aber im Detail und man hat hier gewisse Regeln gemacht, dass man Ausnahmen gemacht hat, zugelassen hat, erst in zwei Jahren zu bauen und nicht sofort. Diese Ausnahmen haben leider fast alle genutzt und das bedeutet, dass in den nächsten zwei Jahren quasi nichts gebaut wird und erst zwei Jahre später. Das ist ein sehr großes Problem. Das bezieht sich insbesondere auf die Windenergie, dass im letzten Jahr noch sehr, sehr viel zugebaut worden ist, dieses Jahr nur noch halb so viel und das nächste Jahr wahrscheinlich nur noch ein Drittel von der Maximalsumme. Das bedeutet natürlich sehr große Schwierigkeiten für die Firmen, die Windkraftanlagen bauen. Die müssen Leute entlassen und das hat wirklich keinen guten Einfluss auf die Energiewende insgesamt.
    "Die ganze Welt schaut auf Deutschland"
    Reimer: Das macht das Erreichen des Klimaziels 2020 wahrscheinlich noch schwieriger. – Wir wissen, die COP 24, die UN-Klimakonferenz naht, beginnt in einer Woche. Es sieht so aus, als ob das Treffen beginnt, ohne dass die deutsche Kohlekommission da irgendwelche konkreten Resultate vorgelegt haben wird. Wie schätzen Sie das ein als Signal für die Konferenz?
    Höhne: Erst mal wissen alle, dass mehr gemacht werden muss, und die Konferenz würde davon leben, dass Vorreiter zeigen, hier passiert etwas, wir machen etwas. Die ganze Welt schaut auf Deutschland. Deutschland wird immer noch als Vorreiter gesehen. Und wenn Deutschland es schaffen würde, aus der Kohle auszusteigen, wäre das ein sehr positives Signal für die Klimakonferenz. Wenn Deutschland das nicht schafft, dann ist das in der Tat sehr negativ, denn wie soll ein anderes Land, ein Entwicklungsland oder aufstrebendes Land sagen, dass wir es schaffen, aus der Kohle auszusteigen, was ja nötig ist, wenn es Deutschland nicht schafft. Alle Augen sind auf Deutschland hier.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.