Warten - lautet derzeit die Devise, wenn es um Prokon geht. Warten auf neue Zahlen, die das Unternehmen erst am späten Abend verkünden will, und damit auch weiter abwarten, wie es mit der Windenergie-Firma weiter geht. Michael Herte von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein zeigte sich heute etwas überrascht von den Entwicklungen rund um Prokon in den vergangenen Tagen.
"Vor einer Woche sprachen wir noch davon, wie man im Rahmen einer Insolvenz reagieren soll – jetzt steht die große Frage im Raum: Kommt es überhaupt noch zu einer Insolvenz? Und letztlich auch: Warum hat man nicht vorher schon etwas feinsinniger differenziert und versucht festzustellen, ob denn tatsachlich Insolvenzreife eintreten kann."
Hintergrund für diese Fragen ist eine Erklärung des Firmenchefs Carsten Rodbertus, der mitgeteilt hatte, dass Forderungen aus gekündigten Genussrechten oder auch fällige Zinsen auf diese Papiere möglicherweise gar nicht als offene Forderungen nach dem Insolvenzrecht zu bewerten seien – das Insolvenzverfahren könne deshalb möglicherweise gar nicht eröffnet werden. Ein Rechtsgutachten soll das klären. Fakt ist und bleibt aber, dass offenbar Genussrechte im Wert von mehr als 200 Millionen Euro gekündigt wurden - so jedenfalls der letzte Stand am Wochenende laut Prokon-Internetseite. Inzwischen spricht das Unternehmen aber von einem "Umdenken bei den Anlegern" und dokumentiert das auch eifrig mit neuen Zahlen auf der Internetseite. Von Kündigungen ist da plötzlich gar nicht mehr die Rede, bemängelt Michael Herte.
"Dieses große Umdenken, das sehe ich selbst noch nicht so. Aus ca. 200 Millionen Euro, die gekündigt sind, wurden ungefähr 700 Millionen Euro, die im Unternehmen verbleiben sollen. Da wir aber letztlich ein Genussscheinkapital von über 1,4 Milliarden Euro haben, sind das immer noch keine Zahlen, die letztlich zum aufatmen animieren."
Nicht mehr als fünf Prozent des Grundkapitals dürften gekündigt werden, sonst müsse das Unternehmen Insolvenz anmelden - so hatte es Carsten Rodbertus noch vor 10 Tagen verkündet. Von diesem Ziel scheint Prokon derzeit meilenweit entfernt zu sein. Wie gesagt - es bleibt nur abwarten, was für Zahlen heute noch verkündet werden und welche Schlussfolgerungen dann in den nächsten Tagen daraus gezogen werden. Keine sehr angenehme Situation, weder für die Anleger noch für Partner von Prokon, die gemeinsam mit dem Unternehmen weitere Windparks auch in Schleswig-Holstein errichten wollten. In der kleinen Gemeinde Poyenberg im Kreis Steinburg z.B. wollte Prokon elf Anlagen bauen, die Planungen sind schon recht weit fortgeschritten, u.a. habe die Gemeinde zur Sicherung der bisherigen Planung eine befristete Veränderungssperre verhängt, erläutert Bürgermeister Karsten Beckmann. Zur Zeit ist völlig unklar, was aus dem Projekt wird.
"Wenn jetzt Prokon aus irgendwelchen Gründen uns nicht mehr - ich nenne es mal - unterstützen kann, wenn dann der Partner nicht mehr da ist, dann vergeht Zeit, und wenn Zeit vergeht, verstreicht die Veränderungssperre und wenn die Veränderungssperre verstreicht, dann sind wir als Gemeinde mit einem Mal raus aus dem ganzen, dann hat Bürger und Gemeinde nicht mehr ganz so viel zu sagen."
Gemeinden bangen um die Zukunft von Windpark-Projekten, Anleger sorgen sich um ihr Geld, und es geht schlussendlich auch um insgesamt rund 1300 Arbeitsplätze - davon allein knapp 500 in der Prokon-Zentrale in der Steinburger Kreisstadt Itzehoe.