Zuviel – ist manchmal gar nicht gut. Diese Erfahrung haben in den vergangenen Jahren immer häufiger die Betreiber von Windparks vor allem an der schleswig-holsteinischen Westküste gemacht. Zu viel Wind, zu viele Windmühlen – immer öfter konnte das Leitungsnetz die produzierten Strommengen nicht mehr aufnehmen. Vor etwa fünf Jahren sah sich auch Jan Martin Hansen vom Bürgerwindpark Braderup-Tinningstedt damit konfrontiert.
"Und dann kam es so, dass wir zeitweise von diesen Windkrafträdern den schönen Strom abgeschaltet bekamen. Und das konnte ich gar nicht einsehen – und deswegen habe ich gesagt: Es muss doch wohl irgendwie eine Möglichkeit geben, Strom zu speichern. Und dann habe ich mich damit beschäftigt und heute sehen wir einen zweieinhalb Megawatt – fast zweieinhalb Megawatt – Speicher hier in Braderup stehen."
Drei simple Standard-Schiffscontainer – von außen wirken die Speichereinheiten alles andere als spektakulär. Ihre wahren Werte erschließen sich erst bei einem Blick ins Innere – und den gönnt uns Wolfgang Mollenkopf von der Robert Bosch GmbH.
"Wir befinden uns jetzt in einem der drei Batteriecontainer. Das, was wir jetzt hier sehen sind die sogenannten Batteriestrings, das heißt ein – ich sage jetzt mal – ein Batterieregal enthält jeweils einen String und auf der linken und auf der rechten Seite vom Container sind circa 20 Regale."
Ein Batterie-String sind 16 in Reihe geschalteten Batteriemodule – das macht bei drei Containern unter dem Strich mehr als 1900 einzelne Batteriemodule. Diese Module bestehen aus Lithium-Ionen-Akkus – ähnlich den Akkus in so ziemlich jedem Handy oder Laptop. Für den Betrieb als Massenspeicher im Windpark hat Bosch allerdings eine spezielle Steuerungselektronik und die passende Software entwickelt – damit können die Speicher sehr schnell zum Beispiel auf wechselnde Windbedingungen reagieren, erläutert Bosch-Techniker Johannes Kostka.
"Wenn jetzt Böen sind und wir in kurzer Zeit sehr, sehr hohe Leistungen rauf oder runter gehen, dann ist die Lithium-Ionen-Batterie genau dafür geeignet diese schnell aufzufangen mit einer sehr, sehr schnellen Reaktionszeit von unter einen halben Sekunde."
... und die Batterien können auch genauso blitzschnell Leistung wieder abgeben ins öffentliche Netz – das kann in bestimmten Situationen für die Stabilität der Netze sehr wichtig sein.
"Gerade wenn auch eine Extremsituation ist, Netze zusammenbrechen oder ein Kraftwerk auch mal ausfällt, dann wird die Regelleistung abgerufen, und ein Stromspeicher kann hier einen sehr, sehr wertvollen Beitrag leisten, weil er einfach in sehr, sehr kurzer Zeit auf Maximum hoch gefahren werden kann und somit den Ausfall wieder ausgleichen kann."
Ergänzt wird dieses System in Braderup noch durch eine weitere Speichereinheit – einen sogenannten Redoxflow-Speicher. Der besteht aus vier großen Tanks mit einer Elektrolytflüssigkeit und speziellen Elektroden – wenn an die Spannung angelegt wird, nehmen sie Elektronen auf, wenn ein Stromkreis mit Verbraucher, wie dem öffentlichen Stromnetz zum Beispiel, angeschlossen wird, dann geben sie diese Elektronen wieder ab – es fließt also Strom. Im Vergleich zu den Lithium-Ionen-Akkus ein eher träges System, erläutert Wolfgang Mollenkopf.
"Die Redoxflow-Batterie hat den Vorteil, ich kann viel Kapazität speichern und kann die gespeicherte Kapazität durch die Größe der Tanks einfach erweitern. Die ist jetzt daher eher für Anwendungen geeignet, wo ich auch lange Zeit etwas speichern muss."
Eine tagelange Flaute zum Beispiel lässt sich somit in windigeren Zeiten gespeichertem Strom überbrücken. Rein rechnerisch kann der Verbund aus Lithium-Ionen-Akku und Redoxflow-Speicher so viel Strom speichern, dass 40 Einfamilienhäuser eine Woche lang mit Elektrizität versorgt werden könnte. Rund 30 Millionen Euro haben die 200 privaten Investoren des Braderuper Windparks in die sechs neuen Windkraftanlagen und den Speicher investiert, die Robert Bosch GmbH ist mit einem weiteren niedrigen Millionenbetrag beteiligt – eine Investition, die vor allem Vorbild sein sollte für weitere Anlagen dieser Art, hofft Jan Martin Hansen.
"Ich bin der guten Hoffnung, dass, wenn wir die Politik davon überzeugen, dass es gehen kann, dann könnte es auch sein, dass die Politik sagt: Wir kriegen ein Investitionsanreizmodell oder was weiß ich, damit jeder Windpark eventuell so was auf die Beine stellt. Und wenn jeder Windpark sich einen Speicher sich hinstellt in dieser Art und Weise wie wir das jetzt haben, und das über ganz Deutschland, vielleicht später sogar über ganz Europa, dann haben wir eine Energielieferwirtschaft vom Feinsten!"