Die Eindrücke und Gefühle, wenn man vor den Bildern des Franz Xaver Winterhalter steht, sind zwiespältig. Einerseits ist der Betrachter überwältigt vom malerischen Können und von der Opulenz der Inszenierung, von Kleidern, Stoffen, flirrender Leichtigkeit; andererseits wird auch der Gutwilligste mit der Zeit etwas ungehalten über die Dienstbarkeit, mit der Winterhalter fast den gesamten europäischen Hochadel des 19. Jahrhunderts in ein möglichst vorteilhaftes Licht setzte. Nicht viele Maler haben es damals geschafft, dass ihre Werke wirklich Mode waren, ständig kopiert wurden – sogar auf Tassen, Emaille-Armbändern, Ansteckern - und später zu Ikonen der Geschichtsbücher wurden; bei Winterhalter ist das so: Jeder von uns kennt den Bürgerkönig Louis Philippe oder Napoleon III. in Winterhalters Gestaltung, nur der Maler selber ist vergessen.
Es ist also eine kuratorische Großtat, wenn das Freiburger Augustinermuseum dem Mann nun eine ausführliche Rückschau widmet; jedoch wirken manche der feudalen Porträts irgendwie deplatziert unter den mächtigen, bäurischen Fachwerkbalken des Dachstocks. Dann muss man durch die Abteilung mit der religiösen Kunst des Mittelalters hindurch, bevor man im Keller auf Winterhalters Riesenschinken trifft; man kämpft sich also durch Blut und Leiden biblischer Geschichten, durch die fratzenhaften Skulpturen aus dem Münster, um dann auf lauter blasierte, gepuderte Damen und Herren des 19. Jahrhunderts zu treffen, die, um es altmodisch zu sagen, von der Arbeit des Volkes lebten.
Ein Bauernbub aus dem Schwarzwald
Franz Xaver Winterhalter, geboren 1805, war ein Bauernbub aus dem Schwarzwalddorf Menzenschwand. Der Pfarrer erkannte sein Talent, er bekam eine Ausbildung im Herderschen Kunstinstitut in Freiburg, und die frühen Übungen zeigen, auf was seine Kunst eigentlich fußt: Da gibt es Studien eines Ecorché, eines Enthäuteten, um die Muskelstränge zu präparieren, Gewandstudien, Gesichtsstudien, in Bleistift oder Kreide. Dann der obligatorische Italien-Aufenthalt, der mit römischen Genreszenen und Italienerinnen am Brunnen beglaubigt wird. Schließlich der Durchbruch im Pariser Salon 1836/37, mit einem sehr süßen "Dolce far niente" und einer Szene aus dem Decamerone – hübsche Nichtstuer, wohlig drapierte Zeitgenossen in historischer Verkleidung. Das gefiel, und Winterhalter wurde fortan in Frankreich, Österreich, Russland, England herumgereicht als der Hof-Porträtist schlechthin.
Nun könnte man naiverweise glauben, ein Portrait müsse eine Art Wahrheit transportieren, eine Psyche. Bei Winterhalter tut es das schon auch – aber es ist eine radikal geschönte Wirklichkeit, die er darstellt. Der handwerkliche Anspruch ist hoch, der künstlerische eher niedrig. Man sieht schon, dass er sich an David und Ingres geschult hat; trotzdem wirkt Winterhalter seltsam zeitlos, aus der Epoche gefallen – das Goyasche Dunkel ist ihm fremd. Es gibt impressionistische Anklänge, wenn die virtuos gemalten Schleier wehen, er ist ein Kindermaler, Frauenmaler, Fürstenmaler, ein Kleidermaler und Stoffmaler – die Durchsichtigkeit seiner Stoffe ist grandios, und in Freiburg gibt es sogar eine Taststation, damit man das Erlesene der fürstlichen Kostümierung nachvollziehen kann. Aber das falsche Pathos bei den Herren (und der Kitsch bei den Damen) - das bleibt halt.
Begabter Porträtisten seiner Zeit
Winterhalter skizzierte unglaublich schnell, er war dabei charmant – man musste nicht stundenlang posieren, das machte ihn beliebt. Die Gesichter nahm er im Detail bei den Sitzungen, die Kleider ließ er sich ins Atelier nachschicken. So arbeitete er sich durch die Höfe – zufriedene Kunden, pralle Brieftasche. Wes Brot ich ess... Wir sehen im Unterstock den biederen Louis Philippe und den entschlossen blickenden Napoleon III. Letzteren als riesige Tapisserie, weil das Original verschollen ist – Halbprofil, Brust raus, Arm auf Degen. Die Damen haben selbstredend mehr Zartheit, allein das Ballkleid der Kaiserin Sissy (von Charles Frederick Worth) ist malerisch eine Augenweide. Sogar die gestrenge Königin Victoria – er war englischer Hofmaler – bekommt bei Winterhalter etwas Lockeres.
Ja, er war einer der begabtesten Porträtisten seiner Zeit. Aber er war auch eine Art Photoshop-Künstler, ein Schönheitschirurg: Er besserte nach, wo die Natur versagt hatte. Die Ausstellung hat die Größe, auch das vorzuführen. Am Ende sieht man ein ziemlich schonungsloses Foto der dicken Isabella II. von Spanien. Winterhalter macht aus ihr eine vorzeigbare Frau.