"Halt runtercarven, man hat die frische Luft, der Wind bläst einem ins Gesicht, die Kanten greifen, man spürt die Fliehkräfte, es ist einfach gewaltig. Fast wie fliegen."
Gerda Pammler aus München, Rollstuhlfahrerin und Skilehrerin für Monoski, strahlt über das ganze, sonnengebräunte Gesicht. Sie unterrichtet auf dem Gletscher im Kaunertal eine 14köpfige Gruppe Rollstuhlfahrer im Monoskifahren. 1986 hatte die ehemalige Werbefachfrau selbst einen Skiunfall, der sie an den Rollstuhl fesselte. Aber da Skifahren schon immer ihre Leidenschaft war, hat sie es zu ihrem neuen Beruf gemacht, sehr zur Zufriedenheit ihre Schüler am Schlepplifthang.
"Gerda, du hast heute ein Bier zu gut. Warum? Ganz einfach, es geht schon ein bisschen besser. Wollt ich dir gerad sagen. Also, es geht schon besser. Man merkt jetzt, dass es die Krückenski gebracht haben, aber taste dich jetzt langsam ran, dass du wieder Vertrauen kriegst und dann passt es schon. Danke!"
Skifahren in speziell angefertigten Monoskiern
In ihren speziell angefertigten Monoskiern sitzen die Kursteilnehmer wie in einem überdimensionalen Skischuh, der Schalensitz eng anliegend, die Beine stecken abgewinkelt quasi im Vorderteil des Skischuhs, eine Kunststoffschale schützt die Beine. Dieser Sitz ist auf Parallelschwingen montiert und steckt mit einer normalen Skibindung im Monoski. An den Skistöcken hängen kleine, ausklappbare Skier, die beim Abfahren und beim Anschieben helfen. Auf geht es zur nächsten Runde.
"Du hast ja so eine dicke Hose an, so jetzt da … passt es … Gewusel .. danke schön!"
Ja, das drückt schon mal, aber da wo‘ s drückt, kann ich ja was wegschneiden, oder auspolstern, weil ein Standardgerät passt ja nicht für jeden. Es muss eng sitzen, wenn ich da einen Haufen Luft habe, geht das nicht, das ist wie bei einem Fußgänger, wenn da der Skischuh zu groß ist, geht es ja auch nicht gescheit."
Das Ein- oder Aussteigen verlangt Geduld, wie bei Johannes Kaiser aus Süddeutschland, der immerhin schon seit 25 Jahren Monoski fährt, und in den ersten Jahren die Geräte noch selbst zusammengeschweißt hat, mit ganz einfachen Traktorsitzen und einem Ledergürtel zum Festschnallen. Inzwischen kauft er industriell hergestellte Geräte zwischen € 3500 bis zu stolzen € 6000 für Rennmonoskier.
"Ich zieh die Handschuh aus, leg die Stöcke weg, dann öffne ich den Deckel, den Bauchgurt, die Oberschenkelfixierung, mach die Beine jetzt schon locker, die Rückenlehne auf, dann auf den Rollstuhl aufstützen, das Gerät, den Monoski ein bisschen zum Rollstuhl rüber lehnen lassen, damit die Kante nicht so hoch ist und rüber."
Dietmar, der erst seit kurzem Monoski fährt, hat es ein wenig leichter als die anderen:
"Ja, ich steh jetzt gleich auf und lauf, nein, nein, ne das ist kein Witz, ich hab zwei Prothesen und deswegen kann ich jetzt laufen, brauch keinen Rollstuhl im Alltag, aber ich fahr mit der Prothese Monoski."
Und das meist im Kaunertal mit seinem von Oktober bis Juni schneesicheren Gletscher, einer Pistenfläche von 132 Hektar, dem großartigen Panoramablick auf die 3000er-Gipfel.
Untergebracht ist die Rollstuhlfahrergruppe im barrierefreien Hotel Weißseespitze.
Nach dem Abendessen sitzen die Kursteilnehmer neben anderen Hotelgästen an der Bar, die speziell auf Rollstuhlhöhe umgebaut wurde, der Kellnerbereich hinter der Theke ist tiefer gelegt, die Barhocker für die Fußgänger sind nur halbhoch. Vor dem Umbau vom Biker Hotel zum Rolli Hotel hat Gerda den Hotelier Charly Hafele intensiv unterstützt.
Umgebaut vom Biker-Hotel zum Rolli-Hotel
"Wo er vorgehabt hat, dass er umbaut, dass er ein großes barrierefreies Hotel daraus macht, da sind wir dann schon in verschiedene Häuser gefahren, die rollstuhlgerechte Zimmer anbieten, haben uns das angeschaut, und da hab ich ihn halt beraten, was an dem Zimmer gut ist, oder was halt auch nicht ganz so ideal ist."
Vor allem groß muss es sein, ein geräumiges Bad muss es haben, und rollstuhlgerechte Wege ins und im Hotel. Diese bauliche Großzügigkeit kommt natürlich allen Gästen zugute. Auch den Bikern, die im Sommer nach wie vor kommen. Manch ein Biker wurde schon Rollifahrer, erzählt Gerda, die ihr Leben realistisch bewertet.
"Ich hab den Spaß am Leben nie verloren. Sicher ist es am Anfang schwierig überhaupt mit der Situation klarzukommen, und zu wissen, dass es endgültig ist. Ich wollte am Anfang auch keine Hilfe annehmen, weil du willst, soweit es geht, alles alleine machen, das nervt dann, wenn eine ständig hinlangt. Weil es ist ja gut, dass man möglichst schnell selbstständig wird, damit man selbstbestimmt leben kann und nicht allzu viel angewiesen ist auf fremde Hilfe."
Ihr Leben ist schön, finden auch die übrigen Kursteilnehmer, wie die blonde, selbstbewusste Sue Bertschy aus der Schweiz, die als Mitarbeiterin in der schweizerischen Parapflegestiftung die Versorgung von Querschnittgelähmten erforscht. Vor 14 Jahren hatte sie einen Verkehrsunfall und sitzt seither im Rollstuhl. Gemeinsam mit der Familie hat sie den Weg zurück ins Leben gefunden.
"Wir haben zusammen gelernt, wir haben zusammen getrauert auch, und wir haben zusammen auch die Erfolge gefeiert, und jetzt ist es normal. Jetzt bin ich nicht mehr behindert, jetzt bin ich eine Frau im Rollstuhl."
… die auch gerne mal eine Herausforderung sucht, in den Süden reist, ohne auf behindertengerechte Ausstattung zu achten.
Rollstuhlfahrer möchten ganz normal behandelt werden
"Wenn man im Leben etwas tun will, kann man sich nicht nur danach richten, wo barrierefreie Einrichtungen sind, weil sonst findet man nie etwas, oder man findet etwas, das eingerichtet ist eben für Geh- oder Querschnittgelähmte und das ist meistens recht behindert. Also ich habe einfach einen Rollstuhl und sonst möchte ich genau dieselben Sachen machen, wie die anderen auch."
Beifälliges Nicken unter den Gästen in der Hotelbar im Kaunertal. Und Gerda spricht den wichtigsten Wunsch aller Rollstuhlfahrer aus.
"Dass man uns normaler sieht, dass man uns wie einen ganz Normalen behandelt. Also man darf jederzeit auf uns zukommen und fragen, wenn man Hilfe braucht."