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Wintersport in Deutschland
Wie die Klimakrise Skigebiete in Deutschland gefährdet

Die Skigebiete in deutschen Mittelgebirgen sind jetzt schon auf Kunstschnee angewiesen. Angesichts der Erderwärmung wird der Betrieb immer unsicherer. In Bayern und Sachsen glaubt man trotzdem noch an eine Zukunft und investiert.

Von Luisa Kretzschmar |
Der kleine Adlerlift bei der Tegelbergbahn in Schwangau im Allgäu ist geschlossen.
Skigebiete in Deutschland, vor allem in Mittelgebirgslagen, haben mit zunehmender Schnee-Unsicherheit zu kämpfen. (IMAGO / MiS / IMAGO / Bernd Feil / M.i.S.)
"Wir hoffen zwar, dass mal wieder ein richtiger, vernünftiger Winter kommt, aber wann es mal wieder so weit ist, können wir leider nicht sagen." Diese Hoffnung von Sebastian Failner, der beim Zweckverband zur Förderung des Tourismus und des Wintersports im bayerischen Fichtelgebirge arbeitet, teilen viele Wintersportregionen in Deutschland.
Die Ursache der wenigen Schneetage ist klar: Die Zeichen des Klimawandels könnten nicht eindeutiger sein.

Mittelgebirge mit besonders brenzliger Schneesituation

Besonders herausfordernd ist die Situation in den Mittelgebirgen – wegen der geringeren Höhen. Auf dem 1215 Meter hohen Fichtelberg im Erzgebirge ist man bereits jetzt auf Kunstschnee angewiesen.
"Es zeigt sich ja gut, dass ohne technische Beschneiung Skibetrieb zwar möglich ist, aber nicht mehr durchgängig", erklärt der Geschäftsführer der Seilbahnbetriebe Fichtelberg, René Lötzsch.
Ohne Kunstschnee würde es in vielen Skigebieten in Europa ein hohes Risiko dafür geben, dass die Pisten über längere Zeit grün bleiben – auch im Winter. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von französischen und österreichischen Forscherinnen und Forschern.
Die Perspektiven für die östlich gelegenen deutschen Mittelgebirge sind bedenklich, erklärt Franz Prettenthaler, Co-Autor der Studie:
"Wenn wir die Situation ohne Beschneiung betrachten, dann ist bereits bei zwei Grad ein erhebliches Risiko für etwa 24 Prozent der Skigebiete gegeben. Im Durchschnitt würde dieses Risiko eines schneearmen Winters etwa verdoppelt sein, das heißt: Zwei Winter aus fünf hätten mit Schneearmut zu kämpfen."

Kanonen mit Kunstschnee kaschieren schlechte Schneelage

Kunstschnee ist daher in manchen Regionen für den Skitourismus in Zukunft unverzichtbar, betont Prettenthaler: "Wenn man jetzt betrachtet, dass es zum Beispiel 25, 50 oder 75 Prozent Beschneiungsmöglichkeiten gibt, sieht man, dass hier eben zunächst dieses Risiko reduziert werden kann."
Diese Prognose bestätigt sich am Ochsenkopf im bayerischen Fichtelgebirge in rund 1.000 Metern Höhe schon jetzt, sagt Seilbahn-Chef Failner:
"Auf der Nordseite haben wir ja eine technische Beschneiung, auf der Südseite nicht. Und wir merken, dass wir vor allem auf der Nordseite Winterbetrieb halten können, auf der Südseite mit Naturschnee wird es jedes Jahr schwieriger. Ohne Beschneiung würde es noch schlechter ausschauen."
Im Skigebiet Fichtelberg in Sachsen ist die Situation ähnlich und hat sich in den vergangenen Jahren verschärft, berichtet René Lötzsch:
"Früher, bei der Errichtung dieser Beschneiungsanlage, ist man nie davon ausgegangen, dass man irgendwann mal auf der grünen Wiese beschneien muss. Man ist bei der Berechnung des neuen Werkes immer davon ausgegangen, dass man auf den Naturschnee zuschneit, um die Auflage zu erhöhen, und demzufolge wir die Sommerzeit so verlängern, beziehungsweise durchgängig zu gestalten."

Optimismus für die "nächsten 30 Jahre" Skibetrieb

Jetzt ist das anders. Die Beschneiung findet teilweise tatsächlich auf der grünen Wiese statt. Aber auch mit der entsprechenden Technik bleibt es schon jetzt schwer, die Anzahl der Schneetage zu erhalten. Das zeigt sich am Fichtelberg deutlich: Vor sechs Jahren ließ sich dort an 122 Tagen Skifahren, in der vergangenen Saison gab es nur 73 Schneetage.
René Lötzsch bleibt dennoch optimistisch, was die Zukunft des Wintersports auf seinem Hausberg angeht: "Es wird am Fichtelberg die nächsten 30 Jahre auf alle Fälle noch Skibetrieb geben und das heißt, es lohnen sich noch Investitionen in den Wintersport."

Land Sachsen investiert in energieintensive Schneekanonen

Und solche Investitionen sind schon geplant: Die sächsische Regierung hat beschlossen, 4,9 Millionen Euro in die Wintersportstandorte zu investieren, unter anderem auch in neue Schneekanonen.
Mehr technische Beschneiung bedeutet aber auch mehr Wasser- und Energieverbrauch. Der ist jetzt schon enorm: Die saisonale Beschneiung der Alpen verbraucht laut Bundesumweltministerium genauso viel Strom wie 500.000 Haushalte pro Jahr.
Da der Strom immer mehr durch erneuerbare Energiequellen produziert werden wird, spielt der Verbrauch in der CO2-Bilanz allerdings eine eher kleine Rolle. Zwei bis vier Prozent der CO2-Emissionen eines Skibetriebs entstehen durch Beschneiung und Liftbetrieb.

Beschneiung regionaler Skigebiete sinnvoller als Fernreisen

Ein viel höherer Anteil geht auf die An- und Abreise der Touristen zurück – und die fällt für regionale Wintersportler in den Mittelgebirgen kürzer aus.
"Man kann schon daraus schlussfolgern, dass es sinnvoll ist, regionale Gebiete zu beschneien, wenn es sich natürlich auch ökonomisch darstellen lässt, weil regionaler Wintersport einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck hat als jetzt Fernreisen, Flugreisen – Alternativen, die man sich eben unter Umständen aussucht", unterstreicht Franz Prettenthaler, Co-Autor der Studie.

Grüne und BUND fordern Investitionen in andere Projekte

Die Grünen im Erzgebirge und der Naturschutzbund BUND fordern trotzdem, dass die Fördergelder des Landes Sachsen nicht mehr in Schneekanonen fließen. Stattdessen solle das Geld in Tourismusprojekte fließen, die ganzjährig nutzbar sind.
In immer mehr Skigebieten entstehen zum Beispiel Angebote für Mountainbiker oder für Wanderungen. Die können auch dann genutzt werden, wenn es selbst für Schneekanonen zu warm sein sollte – was immer öfter vorkommen wird.
Zum Wintersport-Land Deutschland gehören auch die Alpen. Die Erderwärmung ist auch dort zu spüren und zu sehen. Auch die Grünen in Bayern fordern deshalb: weniger in Schneekanonen und mehr in ganzjährige Aktivitäten zu investieren.
"Grundsätzlich muss man natürlich auf die Klimaveränderung reagieren. Aber es ist nicht so dramatisch, wie man es auch immer tituliert", hält Klaus Stöttner dagegen, CSU-Landtagsabgeordneter und tourismuspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Seilbahn und Beschneiung gehören für die CSU zusammen

Er ist der Meinung, dass bei Investitionen sowohl die Aktivitäten im Winter als auch die im Sommer bedacht werden müssen: "Zum Neubau einer Seilbahn gehört auch die technische Bescheiung dazu."
Die Seilbahnen seien der Wirtschaftsmotor für die Alpenregionen im ganzen Jahr. Als CSU versuche man nach der Prämisse "der Unternehmer entscheidet" zu arbeiten und nicht wie die Grünen, den Wintersport der Natur zuliebe einzuschränken:
"Wir geben Impulse, dass er sich modern aufstellt, dass die Wirtschaft funktioniert. Wir geben da nur kleine Dosen an Unterstützung. Das heißt, wir schreiben es dem Unternehmer nicht vor und das ist der Unterschied zwischen den Grünen und der CSU", so Stöttner im Deutschlandfunk-Interview.
"Es wird keiner bewusst die Natur dort schädigen, um ein Geschäft zu machen. Die Zeiten sind schon lange vorbei, und ich glaube, man müsste denen mal Vertrauen schenken, den Unternehmen oder auch dem Landwirt, den Almbauern. Deswegen haben alle Interesse, dass es im Einklang mit der Natur geschieht."
Und im Einklang mit Sommer- und Winter-Touristen: Die Förderrichtlinien der CSU sehen vor: Wer ein Winter-Skigebiet in Bayern betreibt, muss für Förderungen auch Sommer-Aktivitäten anbieten - also Sessellifte bauen und keine Schlepplifte, die nur Ski-Sportler nutzen können.