Jasper Barenberg: Mitgehört hat auf der anderen Leitung Hubertus Heil, der SPD-Fraktionsvize, in der Fraktion vor allem zuständig für die Themen Wirtschaft und Arbeit. Schönen guten Morgen auch Ihnen.
Hubertus Heil: Schönen guten Morgen.
Barenberg: Wie zufrieden sind Sie mit den Plänen, die jetzt da ans Tageslicht kommen bei der CDU?
Heil: Na ja, es wäre gut, wenn sich die CDU nach über achtjähriger Blockade auch an diesem Punkt an sozialdemokratische Politik anpasst. Deutschland braucht den Mindestlohn, wir haben die Situation, dass im Moment noch nicht mal in allen Branchen ein tarifvertraglicher Mindestlohn möglich ist. Das hatten wir im Frühjahr in Verhandlungen vorgeschlagen, das hat Frau von der Leyen damals noch abgelehnt. Und wir brauchen auch einen gesetzlichen Mindestlohn für die Bereiche, in denen tatsächlich Tarifverträge nicht mehr greifen. Also ich höre die Worte, aber ich erwarte von einer zuständigen Bundesministerin nicht wortreiche Umschreibungen und warme Worte, auch nicht von der Bundeskanzlerin oder Kommission der CDU, sondern wir müssen zur Gesetzgebung kommen, damit Menschen, die hart arbeiten, von der Arbeit auch leben können.
Barenberg: Das ist ja nun offenbar auch das Ziel der Pläne, über die wir gerade mit Ursula von der Leyen gesprochen haben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer legen die Löhne fest. Was ist an diesem Prinzip eigentlich falsch?
Heil: Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, das hat sich bewährt, aber sie ist löchrig geworden in vielen Bereichen. Aber lassen Sie mich das noch mal deutlich sagen: Es gibt den schönen alten Satz von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es". Und deshalb werden wir testen, ob die Union es ernst meint. Wir werden unseren Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, sind zu Verhandlungen bereit. Aber wir können nicht akzeptieren, wenn hier Nebelkerzen geworfen werden nach dem Motto, wir erzählen im nächsten Wahlkampf als CDU, wir sind ja auch irgendwie für einen Mindestlohn, sondern wir müssen schleunigst zu einer Gesetzgebung kommen. Die Tarifautonomie hat Vorrang, da wo Lohnfindungsprozesse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vernünftig laufen, weil die beide gut organisiert sind, soll das so bleiben. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass es tarifverträgliche Mindestlöhne in allen Branchen geben kann, und wir brauchen den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze.
Barenberg: Sie haben gesagt, Sie sind zu Gesprächen bereit. Das heißt, Sie würden auch einen Kompromiss akzeptieren, und der würde beispielsweise heißen, dass es nicht einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn gibt, sondern eben die Mindestlöhne, die derzeit schon existieren, und dann eine weitere Untergrenze sozusagen für all die Fälle, von denen Sie auch gesprochen haben?
Heil: Nun, es war immer unser Konzept zu sagen, wir haben Vorrang für tarifvertragliche Mindestlöhne in den Branchen, wo die allgemein verbindlich erklärt werden. Das ist in der Regel über 8,50 Euro in vielen Bereich. Aber wir brauchen eine untere Auffanglinie für ganz Deutschland wie in anderen Ländern auch. Es ist ja schon erstaunlich, wie wortreich Frau von der Leyen jetzt da rumrudert. Sei es drum! Wenn sie sich von der Realität treiben lässt, wie diese Regierung oft von der Realität getrieben wird. Wenn wir zu Ergebnissen kommen, ist das vernünftig, weil mittlerweile wir immer mehr erleben, dass wir eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt brauchen, wir auch im übrigen aus wirtschaftlichen Gründen dafür sorgen müssen, dass die Binnennachfrage, die Kaufkraft steigt, und das geht nicht, wenn wir immer mehr Armutslöhne haben, von denen Menschen nicht leben können. Und am Ende des Tages zahlen übrigens derzeit, weil die Regierung nicht gehandelt hat, die Steuerzahler die Zeche. Wir müssen immer mehr Milliarden aufwenden an ergänzendem Arbeitslosengeld II, weil es beim Lohn nicht mehr reicht. Und dieser Zustand muss schleunigst beendet werden und wir brauchen zudem übrigens für den Bereich der Zeitarbeit uneingeschränkt den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zwischen Stamm- und Leihbelegschaften, um auch dem Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit entgegenwirken zu können.
Barenberg: Die Arbeitsministerin wollte ja auf die Höhe sozusagen gerade nicht eingehen. Es ist wohl aber so, dass die Arbeitnehmer in der CDU sich eben an dem Tarifvertrag für die Zeitarbeit orientieren wollen. Das hieße ein unterschiedlicher Mindestlohn im Osten und im Westen, von 7,80 Euro beziehungsweise 6,90 Euro circa. Könnten Sie sich auf diese Zahl zubewegen, oder beharren Sie auf den 8,50 Euro, die ich im Kopf habe, wenn es um die SPD geht?
Heil: Das ist unsere Beschlusslage. Aber natürlich, wenn wir hier zu einem Ergebnis kommen, kann man darüber reden, wie man das macht. In Großbritannien gibt es eine low pay commission aus Arbeitgebern, aus Gewerkschaften und aus Wissenschaft, die der Politik Vorschläge macht. Aber am Ende des Tages muss der Gesetzgeber das per Gesetz festhalten. Deshalb brauchen wir diesen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze für ganz Deutschland. Darunter soll nicht bezahlt werden dürfen, und das ist auch vernünftig. Deshalb ist es ein bisschen albern, wie die Union da auch mit den Begriffen herumhampelt. Es geht um einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland. Aber das erleben wir ja auch in der letzten Woche: In der Finanzmarktkrise durfte der Hebel nicht Hebel heißen, da hat man einen anderen Begriff gefunden. Wenn es der Union hilft, sich selbst zu korrigieren, ihre Fehler auch einzusehen, dann streite ich nicht um Begrifflichkeiten. Aber in der Sache muss klar sein: das darf kein Placebo-Mindestlohn sein, sondern eine absolute Lohnuntergrenze für ganz Deutschland, und die muss auch auskömmlich sein, sonst ist nichts gewonnen.
Barenberg: Zuständig für die Themen Wirtschaft und Arbeit bei der SPD-Fraktion im Bundestag Hubertus Heil. Vielen Dank für das Gespräch.
Heil: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hubertus Heil: Schönen guten Morgen.
Barenberg: Wie zufrieden sind Sie mit den Plänen, die jetzt da ans Tageslicht kommen bei der CDU?
Heil: Na ja, es wäre gut, wenn sich die CDU nach über achtjähriger Blockade auch an diesem Punkt an sozialdemokratische Politik anpasst. Deutschland braucht den Mindestlohn, wir haben die Situation, dass im Moment noch nicht mal in allen Branchen ein tarifvertraglicher Mindestlohn möglich ist. Das hatten wir im Frühjahr in Verhandlungen vorgeschlagen, das hat Frau von der Leyen damals noch abgelehnt. Und wir brauchen auch einen gesetzlichen Mindestlohn für die Bereiche, in denen tatsächlich Tarifverträge nicht mehr greifen. Also ich höre die Worte, aber ich erwarte von einer zuständigen Bundesministerin nicht wortreiche Umschreibungen und warme Worte, auch nicht von der Bundeskanzlerin oder Kommission der CDU, sondern wir müssen zur Gesetzgebung kommen, damit Menschen, die hart arbeiten, von der Arbeit auch leben können.
Barenberg: Das ist ja nun offenbar auch das Ziel der Pläne, über die wir gerade mit Ursula von der Leyen gesprochen haben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer legen die Löhne fest. Was ist an diesem Prinzip eigentlich falsch?
Heil: Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, das hat sich bewährt, aber sie ist löchrig geworden in vielen Bereichen. Aber lassen Sie mich das noch mal deutlich sagen: Es gibt den schönen alten Satz von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es". Und deshalb werden wir testen, ob die Union es ernst meint. Wir werden unseren Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, sind zu Verhandlungen bereit. Aber wir können nicht akzeptieren, wenn hier Nebelkerzen geworfen werden nach dem Motto, wir erzählen im nächsten Wahlkampf als CDU, wir sind ja auch irgendwie für einen Mindestlohn, sondern wir müssen schleunigst zu einer Gesetzgebung kommen. Die Tarifautonomie hat Vorrang, da wo Lohnfindungsprozesse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vernünftig laufen, weil die beide gut organisiert sind, soll das so bleiben. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass es tarifverträgliche Mindestlöhne in allen Branchen geben kann, und wir brauchen den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze.
Barenberg: Sie haben gesagt, Sie sind zu Gesprächen bereit. Das heißt, Sie würden auch einen Kompromiss akzeptieren, und der würde beispielsweise heißen, dass es nicht einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn gibt, sondern eben die Mindestlöhne, die derzeit schon existieren, und dann eine weitere Untergrenze sozusagen für all die Fälle, von denen Sie auch gesprochen haben?
Heil: Nun, es war immer unser Konzept zu sagen, wir haben Vorrang für tarifvertragliche Mindestlöhne in den Branchen, wo die allgemein verbindlich erklärt werden. Das ist in der Regel über 8,50 Euro in vielen Bereich. Aber wir brauchen eine untere Auffanglinie für ganz Deutschland wie in anderen Ländern auch. Es ist ja schon erstaunlich, wie wortreich Frau von der Leyen jetzt da rumrudert. Sei es drum! Wenn sie sich von der Realität treiben lässt, wie diese Regierung oft von der Realität getrieben wird. Wenn wir zu Ergebnissen kommen, ist das vernünftig, weil mittlerweile wir immer mehr erleben, dass wir eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt brauchen, wir auch im übrigen aus wirtschaftlichen Gründen dafür sorgen müssen, dass die Binnennachfrage, die Kaufkraft steigt, und das geht nicht, wenn wir immer mehr Armutslöhne haben, von denen Menschen nicht leben können. Und am Ende des Tages zahlen übrigens derzeit, weil die Regierung nicht gehandelt hat, die Steuerzahler die Zeche. Wir müssen immer mehr Milliarden aufwenden an ergänzendem Arbeitslosengeld II, weil es beim Lohn nicht mehr reicht. Und dieser Zustand muss schleunigst beendet werden und wir brauchen zudem übrigens für den Bereich der Zeitarbeit uneingeschränkt den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zwischen Stamm- und Leihbelegschaften, um auch dem Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit entgegenwirken zu können.
Barenberg: Die Arbeitsministerin wollte ja auf die Höhe sozusagen gerade nicht eingehen. Es ist wohl aber so, dass die Arbeitnehmer in der CDU sich eben an dem Tarifvertrag für die Zeitarbeit orientieren wollen. Das hieße ein unterschiedlicher Mindestlohn im Osten und im Westen, von 7,80 Euro beziehungsweise 6,90 Euro circa. Könnten Sie sich auf diese Zahl zubewegen, oder beharren Sie auf den 8,50 Euro, die ich im Kopf habe, wenn es um die SPD geht?
Heil: Das ist unsere Beschlusslage. Aber natürlich, wenn wir hier zu einem Ergebnis kommen, kann man darüber reden, wie man das macht. In Großbritannien gibt es eine low pay commission aus Arbeitgebern, aus Gewerkschaften und aus Wissenschaft, die der Politik Vorschläge macht. Aber am Ende des Tages muss der Gesetzgeber das per Gesetz festhalten. Deshalb brauchen wir diesen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze für ganz Deutschland. Darunter soll nicht bezahlt werden dürfen, und das ist auch vernünftig. Deshalb ist es ein bisschen albern, wie die Union da auch mit den Begriffen herumhampelt. Es geht um einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland. Aber das erleben wir ja auch in der letzten Woche: In der Finanzmarktkrise durfte der Hebel nicht Hebel heißen, da hat man einen anderen Begriff gefunden. Wenn es der Union hilft, sich selbst zu korrigieren, ihre Fehler auch einzusehen, dann streite ich nicht um Begrifflichkeiten. Aber in der Sache muss klar sein: das darf kein Placebo-Mindestlohn sein, sondern eine absolute Lohnuntergrenze für ganz Deutschland, und die muss auch auskömmlich sein, sonst ist nichts gewonnen.
Barenberg: Zuständig für die Themen Wirtschaft und Arbeit bei der SPD-Fraktion im Bundestag Hubertus Heil. Vielen Dank für das Gespräch.
Heil: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.