Stefan Heinlein: Vor Ostern eine ganze Serie internationaler Gipfel; nun folgt nach den Feiertagen die Fortsetzung auf nationaler Ebene. Jobgipfel, Bankengipfel und schließlich heute der Konjunkturgipfel. In Zeiten der Krise hat die Politik offenbar deutlich erhöhten Gesprächs- und Beratungsbedarf. Nicht in geschlossenen Berliner Regierungsrunden soll über die Wege aus der Krise entschieden werden; die Koalition sucht die Meinung der Verbände, Gewerkschaften und Unternehmen. Heute also der zweite Konjunkturgipfel im Kanzleramt vor dem Hintergrund düsterer Prognosen. Am Telefon nun der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel. Guten Morgen, Herr Keitel.
Hans-Peter Keitel: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Eine große Runde - wir haben es gehört - heute im Kanzleramt. Wird da eher durcheinander oder eher miteinander geredet?
Keitel: Ich hoffe doch auf ein Miteinander, denn wir haben alle gemeinsam dasselbe Ziel vor Augen.
Heinlein: 40 Vertreter sind anwesend, plus die Vertreter der Bundesregierung. Sie haben aber nur drei Stunden Zeit. Kommen Sie da überhaupt zu Wort?
Keitel: Ich gehe davon aus, dass wir alle zu Wort kommen, und wenn wir uns auch - und das werden wir tun - im Vorfeld noch ein kleines bisschen weiter abstimmen, dann sind ja auch viele unserer Anliegen identisch und ich gehe davon aus, dass es wichtig ist, einfach jetzt auch einmal zuzuhören, nicht nur immer zu reden, sondern zuzuhören, welche Erfahrungen der jeweils andere gemacht hat. Insofern sehe ich auch den heutigen Gipfel als ausgesprochen positiv.
Heinlein: Aber beschlossen, Herr Keitel, soll ja heute gar nichts werden. Es geht ja offiziell um eine Bilanz der bisherigen Maßnahmen. Sind da nun aus Ihrer Sicht die Konjunkturpakete I und II ein Erfolg?
Keitel: Das kann eigentlich noch gar nicht sein. Ich denke, wir sollten als erstes ein kleines bisschen Geduld haben. Die deutsche Industrie hat die beiden Konjunkturpakete, die aufgesetzt worden sind, ja nun ausdrücklich begrüßt, aber nicht alle Maßnahmen können schon wirken. Sie haben selbst in der Anmoderation das Kurzarbeitergeld genannt; das ist etwas, was natürlich im Moment bereits im Arbeitsmarkt hilft. Anderes ist in den Gemeinden noch nicht angekommen. Hier stimme ich ausdrücklich zu. Das ist ein Punkt, der verbessert werden kann. Darüber können wir beispielsweise reden. Und dritte Maßnahmen wie zum Beispiel die steuerlichen Erleichterungen im Bereich der Sozialabgaben, das alles liegt ja noch vor uns. Also: Ich plädiere dafür, dass wir ein kleines bisschen Geduld haben, bis das ganze überhaupt wirkt.
Heinlein: Wie lange wollen Sie denn Geduld haben, bis die Arbeitslosigkeit über die Vier-Millionen-Marke klettert?
Keitel: Wir sollten, glaube ich, nicht uns auf Zahlen oder Prognosen jetzt in erster Linie stützen, sondern auf unsere Erfahrung, die wir tagtäglich machen. Ich bin gestern Nacht von der Hannover-Messe zurückgekommen mit einem ausgesprochen positiven Eindruck - nicht was etwa die Konjunkturentwicklung jetzt anbetrifft, sondern was den Mut, was das Engagement der Unternehmen betrifft, die dort ausstellen, was auch die Stimmung insgesamt anbetrifft, die nämlich sagt, wir werden das schaffen und wir wollen das schaffen und wir wollen das aus eigener Kraft hinkriegen.
Heinlein: Ihr Optimismus, Herr Keitel, in allen Ehren, aber in den kommenden Tagen wird die Bundesregierung die Konjunkturprognose kräftig nach unten korrigieren: ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um fünf, vielleicht sogar sieben Prozent. Das klingt nicht so, als ob die Wirtschaft schon über den Berg ist.
Keitel: Das sehe ich genauso. Wir geben uns auch keinen Illusionen hin. Herr Heinlein, für uns ist es nicht so wichtig, ob jetzt ein Prozentpunkt mehr oder weniger bei diesen Prognosen herauskommt. Wir alle wissen auch, mit welcher Schärfe Prognosen im Moment abgegeben werden können. Viel wichtiger ist es: Wie lange wird das ganze dauern. Hier liegt es in vielen Punkten an uns selbst, aber natürlich gibt es auch Maßnahmen, über die wir sprechen müssen und können, die das ganze erleichtern, und hier sind wir sehr schnell dann im Bereich der Finanzwirtschaft.
Heinlein: An welche Maßnahmen in diesem Bereich denken Sie denn?
Keitel: Ich gehe davon aus, dass wir in diesen Tagen Entscheidungen bekommen, wie mit den toxischen Papieren bei den Banken umgegangen wird, wie wir den Spielraum der Banken deutlich erweitern, um die Realwirtschaft mit den Mitteln, mit der Liquidität zu versorgen, die wir dringend brauchen.
Heinlein: Sind Sie da nach dem gestrigen Bankengipfel, der ja ohne greifbares Ergebnis geblieben ist, weiterhin optimistisch, dass es hier in diesem Bereich eine Lösung geben wird?
Keitel: Ich appelliere an alle, die hier Verantwortung tragen, dass wir nicht versuchen, das absolute Optimum für die sogenannte Bad Bank zu finden - das ist weltweit, glaube ich, noch nicht gelungen -, sondern dass wir mit handhabbaren pragmatischen Lösungen jetzt aber schnell in die Gänge kommen, denn wir brauchen diese Liquidität jetzt. Das ist eines der größten Hindernisse in der Realwirtschaft im Moment, um zu besseren Daten und besseren Zahlen zu kommen.
Heinlein: Herr Keitel, ist hier eine Lösung sogar wichtiger als andere Konjunkturmaßnahmen, die derzeit diskutiert werden?
Keitel: Das sehe ich ganz genauso. Wir vergessen, glaube ich, mittlerweile, dass wir mit einem großen Bankenpaket in die ganze Diskussion im vergangenen Jahr gestartet sind. Die Bundesregierung hat hier innerhalb von wenigen Tagen entschieden. Ich glaube, das war ein Vorbild, wie das auch jetzt wieder gehen könnte, und wir sollten daran denken: der Finanzkreislauf, der Blutkreislauf der Wirtschaft, das ist das, was systemrelevant ist. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Wir Unternehmer sind gerne bereit, auf der realwirtschaftlichen Seite unser Teil dazu beizutragen, gemeinsam aus dieser Krise herauszufinden, und darauf, wie wir herausfinden, was danach ist, darauf sollten wir unsere Blicke richten.
Heinlein: Was können Sie denn von Unternehmerseite, von Seiten des BDI in diesem Bereich anbieten?
Keitel: Wir werden der Bundesregierung nochmals deutlich machen, wie viele Maßnahmen es gibt. Wir haben alleine über 50 identifiziert, wie wir ohne öffentliches Geld den Wirtschaftskreislauf ankurbeln können. Ich darf einfach daran erinnern, dass noch viel zu viel Geld in die Bürokratie geht, dass wir beispielsweise Erleichterungen beim Mietrecht haben könnten, um die energetische Sanierung weiter anzukurbeln. Es gibt also durchaus auch mit etwas Fantasie Maßnahmen, die nicht nur mit öffentlichem Geld nach vorne gebracht werden können.
Heinlein: Die Gewerkschaften, Herr Keitel, fordern einen ganz anderen Weg: klotzen, nicht kleckern. Ein drittes Konjunkturpaket, so die klare Forderung, 100 Milliarden Euro. Sie lehnen das ab. Warum sind Sie denn so bescheiden? Brauchen Sie das Geld vom Staat nicht?
Keitel: Es wäre für mich ja auch einfacher, als Vertreter der Industrie zu fordern und zu sagen, gebt uns weitere Hilfen. Diesen Weg halte ich für einen Irrweg - aus zwei Gründen. Das erste ist: Wir müssen jetzt die Geduld haben, bis die ersten beiden Konjunkturpakete überhaupt ankommen, um zu sehen, wie und wo sie wirken. Wir können auch in der Medizin nicht jeden Tag beispielsweise das Antibiotikum wechseln, sondern wir müssen Geduld haben, bis die Wirkungen sichtbar sind. Und das zweite ist: Wir sollten bei allem ja nicht vergessen, dass wir das alles wieder zurückbezahlen müssen. Es handelt sich ja um Geld, das weder wir, noch der Staat heute in der Kasse haben, und deshalb glaube ich, es ist schon auch eine Sache unserer gemeinsamen Verantwortung, darüber nachzudenken, dass wir und unsere Kinder eines Tages für das alles wieder geradestehen müssen.
Heinlein: Das klingt aber nicht so, Herr Keitel, als ob Sie heute im Kanzleramt mit den Gewerkschaften dem Appell der Politik folgen werden und gemeinsam mit den Gewerkschaften an einem Strang ziehen werden, um diese Krise zu bewältigen?
Keitel: Auch Tarifverhandlungen gehen in der Regel nicht davon aus, dass man mit Gemeinsamkeiten anfängt. Wir haben aber in der Tat mit den Gewerkschaften ein gemeinsames Interesse, nämlich möglichst viel für die Arbeitsplätze zu tun, und hier würde ich mich lieber eigentlich mit allen Verantwortlichen darüber unterhalten, wie wir es schaffen, dass in diesem Jahr jeder, der das haben will, einen Ausbildungsplatz bekommen kann.
Heinlein: Frage zum Schluss, Herr Keitel. Heute wird das Kabinett das Gesetz gegen die Steuerhinterziehung beschließen. Macht dies umgekehrt der Industrie und den Unternehmen das Leben wieder ein Stück weit schwerer?
Keitel: Aber natürlich, weil wir hier einige der Prinzipien umkehren. Geschäft, Handel, kaufmännische Aktivitäten, all das passiert auf der Basis von Vertrauen, und hier stellen wir das auf die Grundlage von Misstrauen. Wir sind nicht generell gegen alles, was Transparenz schafft. Wenn beispielsweise der Zoll erweiterte Möglichkeiten bekommen soll, mit den Finanzbehörden zu kommunizieren, dann unterstützen wir das. Aber Generalverdacht gegen alle, die mit Ländern Handel und Geschäft betreiben, die auf schwarzen Listen stehen, das halte ich nicht für in Ordnung.
Heinlein: Hoffen Sie darauf, dass das Gesetz nach der Bundestagswahl dann von der Union und FDP wieder kassiert wird?
Keitel: Ich hoffe, dass sich insgesamt eine realistischere Betrachtungsweise durchsetzt, dass wir jetzt nicht aus der Krise versuchen, das Kind mit dem Bad auszuschütten, sondern wirklich Augenmaß zu bewahren, so dass das Geschäft und dass das, was wir in der Wirtschaft insgesamt jetzt brauchen, nämlich Mut nach vorne, dass das nicht verschüttet wird.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören, Herr Keitel.
Hans-Peter Keitel: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Eine große Runde - wir haben es gehört - heute im Kanzleramt. Wird da eher durcheinander oder eher miteinander geredet?
Keitel: Ich hoffe doch auf ein Miteinander, denn wir haben alle gemeinsam dasselbe Ziel vor Augen.
Heinlein: 40 Vertreter sind anwesend, plus die Vertreter der Bundesregierung. Sie haben aber nur drei Stunden Zeit. Kommen Sie da überhaupt zu Wort?
Keitel: Ich gehe davon aus, dass wir alle zu Wort kommen, und wenn wir uns auch - und das werden wir tun - im Vorfeld noch ein kleines bisschen weiter abstimmen, dann sind ja auch viele unserer Anliegen identisch und ich gehe davon aus, dass es wichtig ist, einfach jetzt auch einmal zuzuhören, nicht nur immer zu reden, sondern zuzuhören, welche Erfahrungen der jeweils andere gemacht hat. Insofern sehe ich auch den heutigen Gipfel als ausgesprochen positiv.
Heinlein: Aber beschlossen, Herr Keitel, soll ja heute gar nichts werden. Es geht ja offiziell um eine Bilanz der bisherigen Maßnahmen. Sind da nun aus Ihrer Sicht die Konjunkturpakete I und II ein Erfolg?
Keitel: Das kann eigentlich noch gar nicht sein. Ich denke, wir sollten als erstes ein kleines bisschen Geduld haben. Die deutsche Industrie hat die beiden Konjunkturpakete, die aufgesetzt worden sind, ja nun ausdrücklich begrüßt, aber nicht alle Maßnahmen können schon wirken. Sie haben selbst in der Anmoderation das Kurzarbeitergeld genannt; das ist etwas, was natürlich im Moment bereits im Arbeitsmarkt hilft. Anderes ist in den Gemeinden noch nicht angekommen. Hier stimme ich ausdrücklich zu. Das ist ein Punkt, der verbessert werden kann. Darüber können wir beispielsweise reden. Und dritte Maßnahmen wie zum Beispiel die steuerlichen Erleichterungen im Bereich der Sozialabgaben, das alles liegt ja noch vor uns. Also: Ich plädiere dafür, dass wir ein kleines bisschen Geduld haben, bis das ganze überhaupt wirkt.
Heinlein: Wie lange wollen Sie denn Geduld haben, bis die Arbeitslosigkeit über die Vier-Millionen-Marke klettert?
Keitel: Wir sollten, glaube ich, nicht uns auf Zahlen oder Prognosen jetzt in erster Linie stützen, sondern auf unsere Erfahrung, die wir tagtäglich machen. Ich bin gestern Nacht von der Hannover-Messe zurückgekommen mit einem ausgesprochen positiven Eindruck - nicht was etwa die Konjunkturentwicklung jetzt anbetrifft, sondern was den Mut, was das Engagement der Unternehmen betrifft, die dort ausstellen, was auch die Stimmung insgesamt anbetrifft, die nämlich sagt, wir werden das schaffen und wir wollen das schaffen und wir wollen das aus eigener Kraft hinkriegen.
Heinlein: Ihr Optimismus, Herr Keitel, in allen Ehren, aber in den kommenden Tagen wird die Bundesregierung die Konjunkturprognose kräftig nach unten korrigieren: ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um fünf, vielleicht sogar sieben Prozent. Das klingt nicht so, als ob die Wirtschaft schon über den Berg ist.
Keitel: Das sehe ich genauso. Wir geben uns auch keinen Illusionen hin. Herr Heinlein, für uns ist es nicht so wichtig, ob jetzt ein Prozentpunkt mehr oder weniger bei diesen Prognosen herauskommt. Wir alle wissen auch, mit welcher Schärfe Prognosen im Moment abgegeben werden können. Viel wichtiger ist es: Wie lange wird das ganze dauern. Hier liegt es in vielen Punkten an uns selbst, aber natürlich gibt es auch Maßnahmen, über die wir sprechen müssen und können, die das ganze erleichtern, und hier sind wir sehr schnell dann im Bereich der Finanzwirtschaft.
Heinlein: An welche Maßnahmen in diesem Bereich denken Sie denn?
Keitel: Ich gehe davon aus, dass wir in diesen Tagen Entscheidungen bekommen, wie mit den toxischen Papieren bei den Banken umgegangen wird, wie wir den Spielraum der Banken deutlich erweitern, um die Realwirtschaft mit den Mitteln, mit der Liquidität zu versorgen, die wir dringend brauchen.
Heinlein: Sind Sie da nach dem gestrigen Bankengipfel, der ja ohne greifbares Ergebnis geblieben ist, weiterhin optimistisch, dass es hier in diesem Bereich eine Lösung geben wird?
Keitel: Ich appelliere an alle, die hier Verantwortung tragen, dass wir nicht versuchen, das absolute Optimum für die sogenannte Bad Bank zu finden - das ist weltweit, glaube ich, noch nicht gelungen -, sondern dass wir mit handhabbaren pragmatischen Lösungen jetzt aber schnell in die Gänge kommen, denn wir brauchen diese Liquidität jetzt. Das ist eines der größten Hindernisse in der Realwirtschaft im Moment, um zu besseren Daten und besseren Zahlen zu kommen.
Heinlein: Herr Keitel, ist hier eine Lösung sogar wichtiger als andere Konjunkturmaßnahmen, die derzeit diskutiert werden?
Keitel: Das sehe ich ganz genauso. Wir vergessen, glaube ich, mittlerweile, dass wir mit einem großen Bankenpaket in die ganze Diskussion im vergangenen Jahr gestartet sind. Die Bundesregierung hat hier innerhalb von wenigen Tagen entschieden. Ich glaube, das war ein Vorbild, wie das auch jetzt wieder gehen könnte, und wir sollten daran denken: der Finanzkreislauf, der Blutkreislauf der Wirtschaft, das ist das, was systemrelevant ist. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Wir Unternehmer sind gerne bereit, auf der realwirtschaftlichen Seite unser Teil dazu beizutragen, gemeinsam aus dieser Krise herauszufinden, und darauf, wie wir herausfinden, was danach ist, darauf sollten wir unsere Blicke richten.
Heinlein: Was können Sie denn von Unternehmerseite, von Seiten des BDI in diesem Bereich anbieten?
Keitel: Wir werden der Bundesregierung nochmals deutlich machen, wie viele Maßnahmen es gibt. Wir haben alleine über 50 identifiziert, wie wir ohne öffentliches Geld den Wirtschaftskreislauf ankurbeln können. Ich darf einfach daran erinnern, dass noch viel zu viel Geld in die Bürokratie geht, dass wir beispielsweise Erleichterungen beim Mietrecht haben könnten, um die energetische Sanierung weiter anzukurbeln. Es gibt also durchaus auch mit etwas Fantasie Maßnahmen, die nicht nur mit öffentlichem Geld nach vorne gebracht werden können.
Heinlein: Die Gewerkschaften, Herr Keitel, fordern einen ganz anderen Weg: klotzen, nicht kleckern. Ein drittes Konjunkturpaket, so die klare Forderung, 100 Milliarden Euro. Sie lehnen das ab. Warum sind Sie denn so bescheiden? Brauchen Sie das Geld vom Staat nicht?
Keitel: Es wäre für mich ja auch einfacher, als Vertreter der Industrie zu fordern und zu sagen, gebt uns weitere Hilfen. Diesen Weg halte ich für einen Irrweg - aus zwei Gründen. Das erste ist: Wir müssen jetzt die Geduld haben, bis die ersten beiden Konjunkturpakete überhaupt ankommen, um zu sehen, wie und wo sie wirken. Wir können auch in der Medizin nicht jeden Tag beispielsweise das Antibiotikum wechseln, sondern wir müssen Geduld haben, bis die Wirkungen sichtbar sind. Und das zweite ist: Wir sollten bei allem ja nicht vergessen, dass wir das alles wieder zurückbezahlen müssen. Es handelt sich ja um Geld, das weder wir, noch der Staat heute in der Kasse haben, und deshalb glaube ich, es ist schon auch eine Sache unserer gemeinsamen Verantwortung, darüber nachzudenken, dass wir und unsere Kinder eines Tages für das alles wieder geradestehen müssen.
Heinlein: Das klingt aber nicht so, Herr Keitel, als ob Sie heute im Kanzleramt mit den Gewerkschaften dem Appell der Politik folgen werden und gemeinsam mit den Gewerkschaften an einem Strang ziehen werden, um diese Krise zu bewältigen?
Keitel: Auch Tarifverhandlungen gehen in der Regel nicht davon aus, dass man mit Gemeinsamkeiten anfängt. Wir haben aber in der Tat mit den Gewerkschaften ein gemeinsames Interesse, nämlich möglichst viel für die Arbeitsplätze zu tun, und hier würde ich mich lieber eigentlich mit allen Verantwortlichen darüber unterhalten, wie wir es schaffen, dass in diesem Jahr jeder, der das haben will, einen Ausbildungsplatz bekommen kann.
Heinlein: Frage zum Schluss, Herr Keitel. Heute wird das Kabinett das Gesetz gegen die Steuerhinterziehung beschließen. Macht dies umgekehrt der Industrie und den Unternehmen das Leben wieder ein Stück weit schwerer?
Keitel: Aber natürlich, weil wir hier einige der Prinzipien umkehren. Geschäft, Handel, kaufmännische Aktivitäten, all das passiert auf der Basis von Vertrauen, und hier stellen wir das auf die Grundlage von Misstrauen. Wir sind nicht generell gegen alles, was Transparenz schafft. Wenn beispielsweise der Zoll erweiterte Möglichkeiten bekommen soll, mit den Finanzbehörden zu kommunizieren, dann unterstützen wir das. Aber Generalverdacht gegen alle, die mit Ländern Handel und Geschäft betreiben, die auf schwarzen Listen stehen, das halte ich nicht für in Ordnung.
Heinlein: Hoffen Sie darauf, dass das Gesetz nach der Bundestagswahl dann von der Union und FDP wieder kassiert wird?
Keitel: Ich hoffe, dass sich insgesamt eine realistischere Betrachtungsweise durchsetzt, dass wir jetzt nicht aus der Krise versuchen, das Kind mit dem Bad auszuschütten, sondern wirklich Augenmaß zu bewahren, so dass das Geschäft und dass das, was wir in der Wirtschaft insgesamt jetzt brauchen, nämlich Mut nach vorne, dass das nicht verschüttet wird.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören, Herr Keitel.