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"Wir brauchen eine Prüfung im Detail"

Die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassenen Anti-Terror-Gesetze seien befristete Ausnahmeregelungen, deren Fortbestand und Modifizierung genau geprüft werden müsse, so Max Stadler von der FDP, Staatssekretär im Bundesjustizministerium.

Max Stadler im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: In Berlin beraten die Innenminister der Länder heute gemeinsam mit Bundesinnenminister Friedrich über die Anti-Terror-Gesetze. Innerhalb der Koalition hat es dazu in den vergangenen Tagen eine Menge Krach gegeben. Der Grund dafür: Die FDP will die meisten dieser Gesetze, die alle nach dem 11. September erlassen wurden, auslaufen lassen, also abschaffen. Das wäre deshalb möglich, weil diese Gesetze nur befristet gelten. Die FDP fordert außerdem die Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes, kurz MAD. Beides wird von Innenpolitikern der Union entschieden abgelehnt. – Am Telefon ist jetzt Max Stadler, Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Schönen guten Morgen, Herr Stadler.

    Max Stadler: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Stadler, Anti-Terror-Gesetze sollen den Terrorismus bekämpfen und abwehren. Warum ist die FDP dagegen?

    Stadler: Wir sind selbstverständlich auch dafür, dass die Sicherheitsbehörden das notwendige Instrumentarium haben, um uns zu schützen, aber die Anti-Terror-Gesetze sind erlassen worden als Sondergesetze nach den Anschlägen vom 11. September 2001, sie sind also Ausnahmeregelungen, die können nicht dauerhaft bestehen, sondern da muss man immer fragen, sind sie noch erforderlich, was haben die Bestimmungen im Einzelnen eigentlich gebracht, sind sie vielleicht nur in einer modifizierten Form mit besserem Rechtsschutz noch weiterhin richtig und …

    Armbrüster: Und ist die Zeit des Terrorismus in Deutschland dann vorbei?

    Stadler: Nein! Ich sage, das muss von Zeit zu Zeit immer wieder überprüft werden, und deswegen hat ja auch die Vorgängerregierung die Bestimmungen befristet. Sie laufen jetzt aus, im Januar 2012. Und der Sinn der Befristung liegt doch gerade darin, dass man prüft, ob die Vorschriften noch notwendig sind, und genau in diesen Prüfungsprozess sind wir jetzt eingetreten. Wir haben unsere Vorstellungen dazu vorgetragen. Der Bundesinnenminister wollte ursprünglich, dass alle diese Gesetze unbefristet weiter gelten sollen. Das ist nicht die richtige Herangehensweise, sondern wir brauchen eine Prüfung im Detail, und die werden wir jetzt vornehmen, ganz ruhig und sachlich.

    Armbrüster: Aber Sie wollen doch, so habe ich es verstanden, die Gesetze zumindest zum Teil auslaufen lassen, also nicht erneut verlängern?

    Stadler: Wir wollen einen Teil der Bestimmungen nicht verlängern, bei einem anderen Teil wären wir mit einer befristeten Weitergeltung einverstanden, damit sie dann erneut überprüft werden können, und es steht auch zur Debatte, dass der Rechtsschutz von Betroffenen verbessert wird und nur unter diesen Voraussetzungen manche Bestimmungen weiter gelten sollen. Wir müssen nämlich immer sehen: Wir reden hier nicht über Befugnisse der Polizei, wo es um konkrete Verdachtsmomente einer Straftat geht, sondern wir reden über Befugnisse der Nachrichtendienste. Die dürfen ja bekanntlich tätig werden weit im Vorfeld von konkreten Gefahren. Das heißt, hier betrifft es naturgemäß dann viele Menschen, die in Wahrheit sich später als nicht verdächtig erwiesen haben, und da muss beispielsweise bei den Benachrichtigungspflichten, dass die Betroffenen erfahren von Maßnahmen, von Überwachungsmaßnahmen, nachgebessert werden und beim Rechtsschutz und bei der parlamentarischen Kontrolle. All dieses ist im Moment nicht ausreichend, und das ist Teil des Gesamtpakets der Verhandlungen.

    Armbrüster: Herr Stadler, die Union bezeichnet die Bedenken Ihrer Partei als "Phantomschmerzen". Ist die FDP immer ein bisschen zu empfindlich, wenn es um die innere Sicherheit in Deutschland geht?

    Stadler: Noch einmal: Eine Herangehensweise, die einfach sagt, da sind Ausnahmebestimmungen einmal erlassen worden und die verlängern wir jetzt unbesehen, die kommt für eine Bürgerrechtspartei wie die FDP wirklich nicht infrage. Es ist ja gerade unsere Aufgabe, dass wir klären, ob Grundrechtseingriffe, die ja sehr in den privaten Bereich hineingehen, ob die noch berechtigt sind oder nicht. Ich nenne mal ein Beispiel, das jetzt in der öffentlichen Diskussion nicht so oft gesehen wird. Natürlich muss es Sicherheitsüberprüfungen geben von Personen, die in sicherheitsrelevanten Einrichtungen arbeiten, beispielsweise in Flughäfen und Ähnlichem. Aber wenn da jemand abgelehnt wird und er erfährt überhaupt nicht warum, und er bewirbt sich an einem anderen Arbeitsplatz und wird dort deswegen wieder nicht genommen, und er hat gar keine Chance, dass er vielleicht klarstellt, dass die Verdachtsmomente unberechtigt waren, dann ist das doch nicht in Ordnung, und da ist es Aufgabe einer Bürgerrechtspartei wie der FDP, für rechtsstaatlichere Regelungen zu sorgen.

    Armbrüster: Die SPD, Herr Stadler, hat jetzt schon angeboten, dass sie der Union zur Seite springen könnte, um die Gesetze noch einmal gemeinsam durch den Bundestag zu bringen. Was würden Sie dazu sagen?

    Stadler: Wir brauchen die SPD dabei nicht, sondern wir führen Verhandlungen mit dem Bundesinnenminister und diese Verhandlungen haben ja gerade erst begonnen. Wir haben überhaupt keinen Zeitdruck, denn die Bestimmungen laufen im Januar 2012 aus. Das heißt, es sind noch mehrere Monate Zeit, dass wir uns Punkt für Punkt all die strittigen Vorschriften ansehen, und ich bin sicher, dass wir innerhalb der Koalition dann zu einem Verhandlungsergebnis kommen, und das wird nicht so aussehen, dass die gesamten Anti-Terror-Gesetze unbesehen durchgewunken werden, sondern wir werden eine differenzierte Lösung erreichen.

    Armbrüster: Max Stadler war das, Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Besten Dank für das Gespräch, Herr Stadler.

    Stadler: Ich danke.