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"Wir brauchen einen effektiven Rechtsschutz der Menschen"

Datenschutz beginnt für Konstantin von Notz bereits bei der Datenerhebung und nicht erst bei der Veröffentlichung im Internet. Die Vorschläge des Innenministers seien insoweit "zu kurz gesprungen", sagt Notz - und macht einen konkreten Gegenvorschlag.

    Gerwald Herter: Mit einem Gesetz zum Schutz der Persönlichkeitsrechte will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Datenschutz im Internet stärken. Beispiele sind die Einschränkung von Gesichtserkennungsdiensten und Begrenzungen bei der Speicherung von Suchanfragen. Die FDP hat den Vorstoß begrüßt, anders Linke und Grüne. Mein Kollege Stefan Heinlein hat dazu den innenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Konstantin von Notz, befragt. Er hat ihn zunächst gefragt, ob der Bundesinnenminister recht habe, wenn er sagt, auch die Freiheit im Internet müsse Grenzen haben?

    Konstantin von Notz: So würde ich es nicht formulieren, dass die Freiheit ihre Grenzen braucht, aber sicherlich brauchen wir für die Regelung eines effektiven Datenschutzes im Internet Regelungen.

    Stefan Heinlein: Wie sollen denn diese Regelungen aussehen? Innenminister de Maizière will ja per Gesetz Mindeststandards für den Datenschutz im Internet definieren. Wie lautet denn Ihre Definition?

    von Notz: Ja. Wir halten das insgesamt, was der Innenminister vorgeschlagen hat, für zu kurz gesprungen, insbesondere weil er im Grunde nur auf eine spezielle Problematik abstellt, nämlich die Veröffentlichung von Daten und Datenprofilen. Das Problem der datenschutzrechtlichen Verletzung bei Menschen greift aber schon sehr viel früher, es geht schon mit der Problematik der Datenerhebung, der Datenweiterverarbeitung, der Datenspeicherung los, und dafür sind die Mindeststandards von Herrn de Maizière bisher nicht ausgelegt und insofern reicht es nicht.

    Heinlein: Also kurz zusammengefasst: Die Grünen wollen härtere Regeln, engere Grenzen für das Internet?

    von Notz: Wir wollen nicht härtere Regeln für das Internet. Das Internet soll frei sein, das ist eine gute Sache. Aber wir brauchen einen effektiven Rechtsschutz der Menschen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen Entscheidungen zur informationellen Selbstbestimmung und dem Recht auf digitale Integrität, würde ich das jetzt mal abkürzen, eben bestimmte Standards getroffen und hat gesagt, bei bestimmten Eingriffen, die geschehen, sind die Grundrechte der Menschen gefährdet, und das sind sie eben teilweise im Internet, vor allen Dingen im Hinblick auf große Unternehmen, große Plattformen, für die diese Daten ein wichtiges Gut sind, und dafür muss es bestimmte Leitplanken geben, Gesetze, Regelungen und Barrieren, und die müssen klar formuliert sein, und da sind die bisherigen Mindeststandards von Herrn de Maizière leider zu wenig.

    Heinlein: Herr von Notz, können Sie da Beispiele nennen? Was muss verboten werden und was muss erlaubt bleiben?

    von Notz: Verboten werden muss oder reguliert werden muss, wie einzelne Unternehmen Daten bei Menschen und Nutzern oder Verbraucherinnen und Verbrauchern abgreifen, diese dann zur Profilerstellung eben verknüpfen und sie gegebenenfalls kommerziell ausnutzen. Das alles ist von den Vorschlägen des Innenministers bisher nicht erfasst, weil das ja alles noch nichts mit der Veröffentlichung dieser Daten zu tun hat, und wir wollen eben klare Regelungen dafür haben, dass Menschen zumindest einwilligen müssen vorher in diese Datenerhebung und Datenverarbeitung, denn sie sind häufig in ihren Grundrechten betroffen, wenn dies geschieht, und es ist eben im Internet oft nicht so, dass dies, wie der Entwurf des Innenministers das auch suggeriert, eine Begegnung von zwei Geschäftspartnern auf Augenhöhe ist, sondern es ist eben häufig das große Unternehmen, der große Konzern, und insofern, eben weil es nicht ein Begegnen auf Augenhöhe ist, brauchen wir hier für die Verbraucherinnen und Verbraucher Schutzstandards.

    Heinlein: Sind wir Deutschen, sind gerade die Grünen in Sachen Datenschutz besonders sensibel? In vielen anderen Ländern, in den USA etwa, sieht man die Dinge ja viel lockerer.

    von Notz: Ja, das ist immer so eine These, die ich mal per se bezweifeln würde. Die Einführung von Google Street View war zum Beispiel auch in Kanada hoch umstritten und Google musste auch da erhebliche Kompromisse eingehen. Und wie die Entwicklung in Fragen der Sensibilität gegenüber Datenschutz sich in Amerika mit WikiLeaks entwickeln wird, das würde ich jetzt auch erst mal abwarten. Aber natürlich: Es gibt in Deutschland eine Sensibilität. Die ist aber per se nicht schlecht. Ich selber bin ein internetaffiner und da durchaus positiv zugewandter Mensch, aber ich glaube, dass eben effektiver Datenschutz eine ganz wichtige Grundlage für diese Entwicklung ist.

    Heinlein: Aber umgekehrt, Herr von Notz, zeigt das Aufkommen der Piratenpartei in Deutschland, dass viele durchaus bereit sind, sich für die Freiheit im Netz politisch zu engagieren.

    von Notz: Absolut! Ich will mich da überhaupt nicht ausnehmen, ganz im Gegenteil. Wir Grünen kämpfen sehr für die Freiheiten im Netz. Aber Datenschutz und Freiheit ist kein Widerspruch. Das wäre konstruiert. Das Gegenteil ist im Grunde der Fall. Die Grundlage für Freiheit, die Grundlage dafür, dass Sie und ich uns frei im Netz bewegen können, ist ein effektiver Datenschutz, und das ist eben nicht nur so, wenn der Staat die Vorratsdatenspeicherung macht und uns kontrolliert und Profildaten erstellt, gefährdet, sondern es ist eben auch gefährdet, wenn einzelne Unternehmen nicht richtig mit Daten umgehen, und deswegen ist effektiver Datenschutz die Grundlage der Freiheit für das Netz und dafür streiten wir.

    Herter: Konstantin von Notz war das, Bundestagsabgeordneter der Grünen, im Gespräch mit meinem Kollegen Stefan Heinlein.

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