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"Wir brauchen fairen Wettbewerb"

Die EU-Kommission erwägt Strafzölle gegen China als Maßnahme gegen Dumpingpreise für Solarmodule. Der Präsident der Initiative EU Pro Sun, Milan Nitzschke, ruft die EU auf, hart zu bleiben. Zölle würden wieder einen fairen Wettbewerb ermöglichen, so Nitzschke.

Milan Nitzschke im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Seit wenigen Wochen ist der neue chinesische Ministerpräsident Li Keqiang erst im Amt, heute kommt er nach Deutschland und trifft im Laufe seines Besuches auch mit Bundeskanzlerin Merkel zusammen. Das heikelste Thema: der drohende Handelskrieg mit China, wie Anne Demmer berichtet.

    Titel der Audiodatei (MP3-Audio) Beitrag: Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten für Samstag

    Informationen von Anne Demmer. Wenn von dem drohenden Handelskrieg mit China die Rede ist, dann geht es also zunächst einmal um die Solarindustrie. Deutsche Solarfirmen haben schon massenweise Insolvenz angemeldet und machen billige Solarzellen aus China dafür verantwortlich, die zu Dumpingpreisen, so heißt es, angeboten würden. Die EU-Kommission hat sich diese Beschwerden zu eigen gemacht und will in den nächsten Tagen über Strafzölle gegen die chinesischen Firmen entscheiden, will die da schon auf den Weg bringen, die Chinesen drohen mit Gegenmaßnahmen, was also zu diesem Handelskrieg führen könnte. Milan Nitzschke vom hochverschuldeten Konzern Solarworld ist der Präsident der Initiative EU Pro Sun, in dem sich die Beschwerde führenden Firmen zusammengetan haben. Er ist jetzt am Telefon – guten Morgen, Herr Nitzschke!

    Milan Nitzschke: Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Nitzschke, Sie scheinen mit Ihren Beschwerden ja ein offenes Ohr gefunden zu haben bei der EU-Kommission. Gehen Sie tatsächlich davon aus, dass die Kommission diese Strafzölle dann auch gegen chinesische Solarfirmen durchsetzt?

    Nitzschke: Die Kommission hat eigentlich gar keine andere Wahl. Es gibt ein geltendes Recht, und dieses Recht wird – das internationale Handelsrecht – wird von China kontinuierlich gebrochen, in vielen Bereichen, aber ganz besonders im Solarbereich, wo wir eben schon sehr viele Unternehmen in Deutschland, in Europa verloren haben, und Arbeitsplätze verloren haben wegen chinesischen Dumpings. Wenn das Recht jetzt ausgesetzt würde, und man sagen würde, wie einige in Deutschland das fordern, man darf da jetzt keine Zölle verhängen, dann hätte das ein verheerendes Signal. Denn wenn man China dieses Dumping, das hier Arbeitsplätze zerstört, durchgehen lässt, dieses Mal, dann lässt man es auch das nächste Mal durchgehen, und nach der Solarindustrie ist die Windindustrie dran, und dann kommen viele andere Bereiche, auf die wir in Deutschland eigentlich immer gesetzt haben – die verlieren wir dann an China.

    Zagatta: Rechnen Sie denn da mit der Unterstützung der Bundesregierung? Kanzlerin Merkel, das haben wir eben gehört, trifft sich ja jetzt mit dem neuen chinesischen Ministerpräsidenten und will dem Vernehmen nach, so hören wir das auch jetzt im Vorfeld dieses Gespräches, die EU noch von solchen Strafzöllen abbringen.

    Nitzschke: Es gibt ein dafür festgesetztes Verfahren, und zwar werden zuerst vorläufige Zollmaßnahmen in Brüssel eingeführt, und danach kann man darüber verhandeln. Andersrum macht das ehrlich gesagt auch keinen Sinn. Was bitte sollte denn China an den Verhandlungstisch bringen – und Frau Merkel betont ja immer, dass es Verhandlungen geben soll –, was sollte China an den Verhandlungstisch bringen, wenn nicht eben diese Zollmaßnahmen. Und dann kann man in diesen Verhandlungen versuchen, Alternativen zu finden, und am Ende die Zollmaßnahmen dann zugunsten dieser Alternativen aussetzen, das ist das übliche Verfahren. Was jetzt in Deutschland gefordert wird – nicht von der Bundesregierung, das will ich ihr noch gar nicht unterstellen, aber wir werden ja sehen, was da kommt –, was jetzt gefordert wird, ist etwas scheinheilig, nämlich zu sagen, nein, wir wollen gar keine Zollmaßnahmen, und dann verhandeln wir erst mal. Dann muss man aber wissen, China dumpt seit drei Jahren, und die sind nie zu Verhandlungen erschienen, und die USA haben selber Zölle schon eingeführt und ein Verfahren über 15 Monate gehabt, China ist nie zu Verhandlungen erschienen, und Brüssel ermittelt schon seit sieben Monaten gegen dieses unzulässige Dumping, und China ist auch da nie zu Verhandlungen erschienen. Also da darf man sich nichts vormachen, wenn man nicht einmal auch deutlich macht, dass man entschlossen ist, zu handeln, dann kann man mit China nicht verhandeln anschließend.

    Zagatta: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang jetzt die jüngsten Meldungen, dass Frau Merkel Einlenken signalisiert haben soll? Müssen Sie fürchten, dass die Bundeskanzlerin Ihnen da jetzt in den Gesprächen mit Ihren chinesischen Partnern in den Rücken fällt?

    Nitzschke: Also das ist ganz einfach: Wenn Deutschland hier einknickt und sagt, wir sind grundsätzlich gegen alles, was China hier unter Druck setzen kann, dann – ja, dann hieße das auch, eben eine Industrie aufzugeben, und es hieße aber auch, andere ebenfalls aufzugeben.

    Zagatta: Sind Sie enttäuscht von der Bundesregierung?

    Nitzschke: Nein, weil noch nicht klar ist, was passiert. Und offensichtlich wird es ja auch an diesem Wochenende besprochen, da ist ja eine ganze Menge diplomatisches Geschick erforderlich, und wenn die Kanzlerin versucht, auszuloten, was denn einen Konsensweg geht, ist das in Ordnung, aber man muss einmal wissen – und ich gehe davon aus, dass sie mit ihren Beratern das sehr wohl weiß –, man muss einmal wissen, dass man eben nicht verhandeln kann, ohne vorher diese Zollmaßnahmen einzuführen. Es gibt da eine Sprachregelung für, die finden Sie bei fast allen Kabinettsmitgliedern, die sich dazu geäußert haben, die Entscheidung über die vorläufigen Vollmaßnahmen liegt bei der Europäischen Kommission, das ist richtig.

    Zagatta: Aber der Wirtschaftsminister, also Rösler, hat ja die Strafzölle schon einen schweren Fehler genannt, das klingt ja anders.

    Nitzschke: Ja, das klingt anders, das ist richtig, und da bin ich auch sehr gespannt, wie er das denn im weiteren Verlauf darstellen möchte, denn genau das ist halt so ein Punkt: Sie können nicht ihre Verhandlungsposition mit einem solchen Satz zerstören und dann hoffen, dass sie noch irgendwie ein gutes Verhandlungsergebnis rauskriegen. Aber das ist ein Zitat, das einmal in einer Zeitung oder in einem Interview gefallen ist, und jetzt hat die Bundesregierung zwei Tage Zeit, mit China selbst zu reden. Und dann werden wir sehen, welches Signal nach Brüssel geht. Und Brüssel, das muss man allerdings auch dazu sagen, ist fest entschlossen, diese vorläufigen Vollmaßnahmen einzuführen, denn wie gesagt, eine andere Wahl hat man faktisch nicht, da es geltendes Recht gibt. Und geltendes Recht hier auszusetzen zugunsten Chinas, hätte ein verheerendes Signal für alle anderen Industrien, die im Wettbewerb mit China stehen.

    Zagatta: Aber auch der BDI, der Bundesverband der deutschen Industrie, ist gegen diese Strafzölle. Fühlen Sie sich da gut vertreten?

    Nitzschke: Auch da ist die Frage, wie der BDI das gemeint hat. Wenn man sagt, man möchte am liebsten keine Strafzölle haben, ist das ja in Ordnung, aber man muss sich ans Verfahren halten. Wenn das Gesetz vorsieht, da müssen Strafzölle eingeführt werden, dann müssen die auch kommen, und – wie gesagt – danach kann man verhandeln, und dann gibt es andere Möglichkeiten, sich mit China zu einigen. Das einzig Entscheidende ist, das Dumping muss aufhören. Aber wenn ich jetzt einfach nur sage, ach, wir sollten miteinander sprechen, dann werde ich wohl kaum was erreichen können. Das ist ein bisschen so, als würde ich jetzt nach England gehen und sagen: Ach, Leute gebt uns doch das Wembleytor zurück. Das werden die nicht machen.

    Zagatta: Herr Nitzschke, wenn solche Strafzölle dann tatsächlich eingeführt werden, wäre das dann die Rettung für solche Unternehmen wie Solarworld, in dem Sie ja arbeiten? Wäre das die Rettung für Ihr Unternehmen?

    Nitzschke: Es würde fairen Wettbewerb wiederherstellen. Sie müssen sich vorstellen, seit drei Jahren bietet China, bieten chinesische Solarhersteller ihre Produkte unter den eigenen Herstellungskosten an. Dagegen kann keiner konkurrieren, deswegen machen alle Unternehmen im Solarbereich Verluste, machen alle Unternehmen Schulden, sind alle Unternehmen in der Krise, und das nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, sondern weltweit, außer in China, weil dort all diese auch dort verschuldeten Unternehmen ständig vom Staat finanziert werden, ständig bezuschusst werden, wird es die am Ende überleben. China hat heute in Deutschland – wohlgemerkt – über 80 Prozent Marktanteil im Solarbereich. Das heißt, von dem, was wir für Solar ausgeben, geht über 80 Prozent an die chinesischen Solarmodulhersteller. Und da ist es nicht wirklich weit bis zu 100 Prozent – also da muss man tatsächlich was gegen unternehmen, und dann allerdings haben wir auch wieder eine Chance. Denn die Technologie kommt aus Deutschland, die Unternehmen hier sind durchaus besser, auch wenn sie alle in einer Krise sind. Sie sind durchaus besser – wir haben den höchsten Automatisierungsgrad, wir haben Lohnkosten unter zehn Prozent, wer bitte soll uns denn da noch irgendwo Konkurrenz machen? Aber wir brauchen fairen Wettbewerb, und dafür muss man die Regeln einhalten, um mehr geht es hier gar nicht.

    Zagatta: Milan Nitzschke, der Präsident der Initiative EU Pro Sun. Herr Nitzschke, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

    Nitzschke: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.