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"Wir brauchen hohe und stabile Brandmauern"

Jörg Asmussen, neues Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB), hat die Geldpolitik der EZB verteidigt. Der Ankauf von Staatsanleihen diene der Stabilität der Finanzmärkte und liege daher im Mandat der EZB. Ferner sprach sich Asmussen dafür aus, den permanenten Stabilitätsschirm ESM zu stärken.

Jörg Asmussen im Gespräch mit Silvia Engels |
    Jörg Asmussen, früherer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, seit Januar 2012 Direktoriumsmitglied der EZB
    Jörg Asmussen, früherer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, seit Januar 2012 Direktoriumsmitglied der EZB (picture alliance / dpa)
    Silvia Engels: Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank ist er nicht geworden, wie es sein Vorgänger Jürgen Stark war. Doch der ehemalige Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen ist seit Anfang des Jahres Mitglied im sechsköpfigen Direktorium der Europäischen Zentralbank. Er ist dort vor allen Dingen mit der Außenvertretung der EZB befasst und damit derzeit wohl der einflussreichste Deutsche in der europäischen Geldpolitik. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Asmussen!

    Jörg Asmussen: Ja! Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Ihr Vorgänger, Jürgen Stark – beginnen wir direkt mit ihm -, hat ja mehrfach den Kurs der Europäischen Zentralbank der vergangenen Jahre kritisiert: den Kurs, direkt oder indirekt als Käufer von Euro-Staatsanleihen aufzutreten. Was sagen Sie zu dieser Politik?

    Asmussen: Ich glaube, das Mandat der Europäischen Zentralbank ist klar beschrieben. Sie hat Preisstabilität zu sichern, und sie hat zur Stabilität der Finanzmärkte beizutragen. Das ist ein wichtiges, aber auch ein beschränktes Mandat, und deswegen darf man die Geldpolitik nicht überlasten. Die Hauptverantwortung für die gegenwärtige Krisenbekämpfung liegt bei den Regierungen, weil diese Krise ist ja, um es ganz deutlich zu sagen, keine Krise des Euros, sondern es ist eine Staatsschuldenkrise, und da diese von einer unsoliden Finanzpolitik herbeigeführt wurde, liegt es eben auch an der Finanzpolitik, uns im Wesentlichen aus dieser Krise wieder herauszuführen.

    Engels: Sie sagen, Überlastung darf nicht sein. Sollte also die EZB die Aufkäufe von Staatsanleihen in Menge und Laufzeit schleunigst begrenzen?

    Asmussen: Das Ziel des Aufkaufsprogrammes ist es ja, eine bessere Transmission der Geldpolitik zu erreichen. Das liegt also im Mandat der EZB und dafür gibt es auch in der Satzung der EZB eine rechtliche Grundlage. Ich glaube, das ist inzwischen unbestritten. Aber es ist richtig, das Aufkaufprogramm für Staatsanleihen ist weder unendlich, noch ewig andauernd.

    Engels: Das Geld aus solchen Aufkäufen fließt ja dann doch an die Staaten. Finanziert die EZB dann doch indirekt die Schulden der Euro-Staaten per Notenpresse?

    Asmussen: Nein, das glaube ich nicht, sondern diese Anleihekäufe dienen dazu, dass die Geldpolitik auf den Geldmärkten besser funktioniert, und die Liquiditätszufuhr, die es eben gibt, dadurch, dass man Staatsanleihen kauft, wird durch gegenlaufende Marktoperationen bereinigt. Das Fachwort hier ist Sterilisierung. Insofern ist, glaube ich, das auch klar, dass von diesem SMP-Programm keine Inflationsgefahren ausgehen.

    Engels: Die "Financial Times Deutschland" meldete gestern, es gebe eine Debatte im EZB-Rat, ob die Europäische Zentralbank künftig vielleicht im Zuge dieses Aufkaufprogrammes auch andere Wertpapiere auf dem Markt oder von Geschäftsbanken andere Anleiheformen aufkaufen sollte. Das klingt eher danach, als ob diese Programme noch ausgeweitet werden sollen. Stimmt das und finden Sie das gut?

    Asmussen: Ich möchte um Verständnis bitten, dass ich mögliche Diskussionen im Gouverneursrat einfach überhaupt nicht kommentiere. Die Gespräche sind da vertraulich und man kann daraus deswegen auch nichts ableiten. Ich will es einfach nicht kommentieren. Ich würde nur sagen, es gibt eine ganze Reihe weiterer unkonventioneller Maßnahmen der EZB, beispielsweise die Liquiditätsoperation mit voller Zuteilung und einer Laufzeit von bis zu drei Jahren, die im Dezember beschlossen worden ist, und ich glaube, diese sehr umfangreiche Inanspruchnahme dieses Geschäfts mit dreijähriger Laufzeit zeigt auch, dass diese Maßnahmen einen Beitrag leisten zur Verbesserung der Finanzierungssituation der Banken, und das wirkt sich allgemein auf die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft und das Vertrauen aus. Aber es versteht sich auch von selbst – das hat die EZB immer gesagt -, dass alle diese Sondermaßnahmen eben nur vorübergehender Natur sind.

    Engels: Trifft denn Ihre zu Anfang geäußerte Warnung vor der Überlastung der EZB, die ja indirekt da doch vollzogen werden könnte, wenn solche Aufkäufe dauerhaft im Programm bleiben, auch auf Mehrheiten im Direktorium, oder sind Sie da recht einsam?

    Asmussen: Ich würde noch mal bitten, wie gesagt: ich habe eine Sitzung des Gouverneursrats miterlebt, und in der Sitzung sind alle Entscheidungen einstimmig getroffen worden. Insofern denke ich, man kann da vernünftig diskutieren und auch dann sachlich richtige Entscheidungen treffen.

    Engels: Herr Asmussen, Sie haben es angesprochen: Letztlich ist die Politik gefragt. Nun bemühen sich ja die Staaten des Euro-Raums, die Finanzierung zu verändern, selber die Haushalte zu konsolidieren. Beispielsweise soll auch der permanente Stabilitätsmechanismus ESM ja schon ab Sommer in Kraft treten, und dann soll darüber viel der Finanzierung von Staatsanleihen laufen. Kann sich ab dem Sommer also die EZB schon komplett aus der Rolle des Anleihenkäufers zurückziehen?

    Asmussen: Ich glaube, wir unterstützen mit Nachdruck die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, dass der ESM gestärkt wird, und insbesondere die Entscheidung, den ESM früher zu aktivieren und auch teilweise mit dem EFSF, dem heutigen Rettungsschirm, parallel am Markt weiterlaufen zu lassen. Ich glaube, das sind ganz entscheidende Schritte. Wir brauchen richtige hohe Brandmauern, um mögliche Ansteckungseffekte einzudämmen. Insofern sollte man rasch diesen ESM stärken und eben so früh wie möglich in Kraft setzen.

    Engels: Aber ob die EZB sich dann schon aus dem eigenen Geschäft mit den Anleihen zurückziehen kann, ist noch nicht sicher?

    Asmussen: Das wird man dann in unabhängiger Weisheit entscheiden.

    Engels: Nun ist ja der jetzige Rettungsfonds EFSF gerade von der Ratingagentur Standard & Poor’s herabgestuft worden. Auch eine Hebelung des EFSF scheint wohl nicht zu klappen. Das war ja die Idee, um die Ausleihsumme zu vergrößern. Droht ein solches Schicksal nicht auch dem ESM und gucken dann nicht doch wieder alle auf die Europäische Zentralbank?

    Asmussen: Ich glaube, der ESM hat gegenüber dem EFSF wesentliche Vorteile. Er ist eine internationale Finanzinstitution und er hat insofern auch ein eingezahltes Grundkapital. Also er ist besser in der Lage, stabil Anleihen zu emittieren und damit gegebenenfalls unter Bedingungen Staaten zu helfen. Also die Grundkonstruktion des ESM, der eine Dauereinrichtung werden soll, ist deutlich stabiler und finanztechnisch gesehen besser als der EFSF, der gut funktioniert hat, aber eben doch eine, an einem Wochenende aus der Taufe gehobene Notgesellschaft im Grunde genommen war. Wie gesagt, sie hat funktioniert und die EZB hat sich auch bereit erklärt, der EFSF operationelle Unterstützung zu geben, dass sie auch weiter gut am Markt operieren kann. Aber entscheidend ist wirklich, den ESM zu stärken und zeitlich so weit wie möglich nach vorne zu bringen.

    Engels: Das heißt, Deutschland soll möglicherweise auch schneller einzahlen in den ESM, damit diese "Waffe" schlagkräftig wird?

    Asmussen: Wir denken schon, dass das Kapital, das in den ESM eingezahlt werden muss, damit er operativ werden kann, so weit wie möglich nach vorne gezogen werden kann, um eben hohe Brandmauern im Bedarfsfall zu haben. Das gilt aber dann natürlich für alle Mitglieder des ESM und nicht nur für Deutschland.

    Engels: Sollte vielleicht eine höhere Summe auch eingezahlt werden von allen Beteiligten?

    Asmussen: Die Staats- und Regierungschefs haben beschlossen, dass sie im März auf ihrem Treffen das Volumen des ESM und des dann noch bestehenden EFSF überprüfen. Wir denken schon, dass wir eben stabile hohe Brandmauern brauchen.

    Engels: Ob das Vertrauen der Märkte in Euro-Anleihen zurückkehrt, hängt ja auch vor allen Dingen davon ab, wie in den Euro-Krisenstaaten konsolidiert wird. Im Blickpunkt stehen dann Griechenland und Italien. Sehen Sie hier Fortschritte?

    Asmussen: Ich glaube, man muss immer sagen, dass Griechenland ein besonderer Fall ist in der ganzen Euro-Zone, und es sind beide Aspekte richtig: in Griechenland ist viel passiert auf der fiskalischen Seite, es hat in den letzten Monaten ein bisschen die Programmumsetzung nachgelassen, die Troika ist gerade wieder in Athen, um die Programm-Implementierung zu überprüfen, und es ist völlig klar, es wird in Griechenland noch sehr viel mehr geschehen müssen, sowohl auf der fiskalischen Seite, aber insbesondere noch mehr auf der Seite der Strukturreformen, damit das Land seine Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangt, die es ohne Zweifel verloren hatte, damit es dann wieder wachsen kann – das ist ganz zentral – und damit auch Arbeitsplätze schaffen kann. Also Griechenland ist ein schwieriger Fall, aber ist wie gesagt auch ein Einzelfall in der Euro-Zone.

    Engels: Derzeit wird über den Fiskalpakt im Euro-Raum beraten. Die Stichworte sind mehr Haushaltsdisziplin, Schuldenbremsen, automatische Sanktionen bei Verstößen und ähnlichem. Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt vor Aufweichungstendenzen. Sie sehen das auch so?

    Asmussen: Ja, das sehen wir hier in der EZB auch so. Wir denken, der Fiskalpakt, also "fiscal compact", ist ein erster vorsichtiger Schritt in eine Fiskalunion. Wie gesagt, es ist ein erster vorsichtiger Schritt. Und ich glaube, es ist ganz zentral, dass die Vereinbarung, die die Staats- und Regierungschefs am 9. Dezember dazu getroffen haben, so umgesetzt wird, dass es wirklich keine Verwässerung gibt und dass damit auch die Glaubwürdigkeit solcher Verabredungen gewahrt bleibt. Das ist ein ganz zentraler Punkt, der muss rasch umgesetzt werden, aber ohne jede Verwässerung.

    Engels: Aber Sie zweifeln, dass es dahin kommt?

    Asmussen: Nein, ich zweifele nicht daran. Es gibt nächste Woche eine Euro-Gruppe, wo darüber verhandelt wird, die Arbeiten laufen noch. Ich denke, man kann das erreichen, aber man sollte das auch wirklich erreichen, dass der Fiskalpakt als erster vorsichtiger Schritt hin zu einer Fiskalunion auch glaubwürdig bleibt.

    Engels: Jörg Asmussen, er ist Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank. Vielen Dank für das Gespräch.


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